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#Ein erfundener Mönch erobert Peru

Robert Grün hatte sich schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs als Romanautor und Herausgeber einen Namen gemacht. Zusammen mit seiner zweiten Frau Evamaria hielt er dann 1973 für das an der Geschichte von Entdeckungen und Er­oberungen interessierte deutschspra­chi­ge Lesepublikum eine besondere Rarität bereit: das Tagebuch des Augustinermönches Celso Gargia, welcher der Fa­milie Pizarro nahegestanden und den Conquistador auf dessen Eroberungszug durch das Inkareich begleitet hab.

Dem Bericht des Gottesdieners stellten die Grüns eine wissenschaftlich an­mutende „Editorische Notiz“ voran, die Auskunft gibt über die Geschichte der sogenannten Handschrift von Simancas. Gargia habe sie höchstpersönlich Kaiser Karl V. zum Geschenk gemacht. Später gelangte sie ins Archiv von Simancas, wechselte dann mehrmals den Besitzer, bis sie schließlich im heutigen Wiener Weltmuseum endete, wo sie als eines der wertvollsten Stücke gelte.

In Wien ist die Handschrift nicht

Diese wundersame Provenienzchronologie des unter dem Titel „Die Eroberung von Peru“ in der Edition Erdmann er­schienenen Werks ist von vorn bis hinten erlogen. Keines der in der „Editorischen Notiz“ genannten Museen und Archive hat je die Aufzeichnungen des Celso Gargia aufbewahrt. Als Claudia Augustat vom Weltmuseum 2022 eine verstaubte Erstausgabe aus dem Re­gal der Museumsbibliothek zog, fiel eine Rezension des Bandes heraus, in der ei­ner ihrer Vorgänger mit dem Wort „Blödsinn“ die Aussage kommentierte, das Gargia-Manuskript befinde sich in Wien. Unternommen wurde damals nichts.

Auch die Bonner Altamerikanistin Kerstin Nowack hatte ihre Zweifel, schon deshalb, weil Celso Gargia kein in Spanien vorkommender Name ist. Als sie die Produzenten einer Fernsehsendung über ihr Missbehagen hinsichtlich der Authenti­zität der Schrift informierte, antworteten diese ihr abwinkend: Es stehe aber so in einem Buch. No­wack forschte nicht weiter nach. Ebenso wenig tat dies der Rezensent für das „Historisch-Politische Buch“, der 1997 eine der vielen Neuauf­lagen der „Eroberung von Peru“ besprach und zumindest be­mängelte, dass der Text nicht „sehr sorgfältig ediert“ sei.

In den Folgejahren begann die Repu­tation der „Handschrift von Simancas“ eher zu wachsen. Sie fand in Auszügen Eingang auch in Schulbücher, so 2008, auf mehrere Seiten verteilt, in das angesehene Werk mit dem Titel „Zeiten und Menschen“. In Österreich beansprucht Celso Gargia eine ganze Seite der aktuellen Ausgabe des Arbeitshefts von „Zeitbilder 3“. 2015 verstieg sich der Wissenschaftsjournalist Theodor Kissel bei spektrum.de sogar dazu, von den Eheleuten Grün als „ausgewiesenen Kennern“ des Zeitalters der Ent­deckungen zu fabulieren. Wodurch sie als solche ausgewiesen wären, verschwieg er jedoch.

Nur in der deutschsprachigen Welt rezipiert

Einem tatsächlich ausgewiesenen Kenner der Materie, dem an der Universität Bristol lehrenden Historiker Fernando Cervantes, der 2020 die jüngste Geschichte der spanischen Eroberungen in Amerika herausbrachte, war Gargia zwar ab und an in Fußnoten begegnet, doch führten diese immer wieder zur Grün’schen Ausgabe, die Cervantes nicht weiter rezipierte, da er des Deutschen nicht mächtig ist.

Hätte Kissel, der zeitweise als wissenschaftlicher Mitarbeiter im rheinland-pfälzischen Landtag tätig war, ein wenig mehr über das „äußerst lesenswerte“ Buch recherchiert, so wäre ihm gewiss aufgefallen, dass es in der nichtdeutschsprachigen Fachwelt fast durchweg ignoriert wird. Mit gutem Recht, denn einen Celso Gargia gibt es nicht. Von 1884 bis 1938 lebte allerdings ein Augustinermönch namens Celso Garcia, der ein in Spanien erschienenes Kinderbuch über die Eroberung Perus schrieb. Augenzeuge, geschweige denn Weggefährte Pizarros war er nicht. Allerdings der Namensgeber für eine Figur der Grüns.

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