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#Ein Gewinner in XXL

Ein Gewinner in XXL

Was für seltsame Szenarien diese Pandemie auch den olympischen Boxern zumutet. Nelvie Tiafack hätte sich zum ersten Wettkampf nach zehn Monaten Pause theoretisch als Heimschläfer aufmachen können; er ist in Bergheim an der Erft zu Hause, eine halbe Stunde von Köln entfernt. Stattdessen trainierte und nächtigte er mit den anderen Athleten des Deutschen Box-Verbands (DBV) fast zwei Wochen in einer Blase, die von einer weiträumigen Halle bis ins angegliederte Hotel der „Motor World“ im Norden der Domstadt reicht – einem jener bewachten Komplexe, in denen Sportwagen und Luxuskarossen für die Ewigkeit oder einen renditereichen Verkauf abgestellt werden. Nach ein paar Tagen zu Hause musste er dann in einem anderen Hotel im Zentrum auszuharren, bevor er zum Start des internationalen Cologne World Cup am Donnerstag endlich wieder einen Ring betreten durfte.

Spätestens zum Samstag aber machte ihm das alles nichts mehr aus. Da stand bereits fest, dass der 21-jährige Athlet des SC Colonia 06 das hochkarätig besetzte Turnier im Schwergewicht nach zwei Siegen gewonnen hatte – sein avisierter Gegner aus Indien trat zum Finale nicht mehr an. Außerdem hatte er den täglichen Weg an den auf Hochglanz polierten Automobilen vorbei durchaus genossen. Sie erinnerten ihn nach eigenen Worten immer wieder daran, „was in Zukunft eventuell möglich ist“. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der 120 Kilo schwere Youngster mit dem wuchtigen Punch auf längere Sicht zu den Profis wechseln möchte, wo die Kampfbörsen für einen wie ihn schnell ins Kolossale steigen könnten. Dafür muss er jedoch erstmal liefern, so wie an diesem Wochenende – und natürlich am besten bei Olympia in Tokio.

Das halten inzwischen nicht nur sein Trainer Lukas Wilaschek und Eddie Bolger, der irische Chefcoach des DBV, für ein realistisches Szenario. Auch andere Beobachter konnten sich in Köln beziehungsweise über eine live übertragende Internet-Plattform von den Fortschritten des Hoffnungsträgers überzeugen. Mit dem Kroaten Marko Milun hat Tiafack im Viertelfinale den Dritten der European Games 2019 deutlich besiegt. Mit Mourad Aliev aus Frankreich ließ er im Halbfinale auch dem Zweitplazierten dieses Turniers, dem er damals noch unterlag, keine Chance. Man meinte den Respekt, den beide Gegner vor der Schlagkraft und den verblüffend schnellen Attacken ihres jungen Gegners hatten, während der Duelle tatsächlich in ihren Blicken zu erkennen.

Trainer Wilaschek wollte bei diesem Testlauf in erster Linie sehen, „dass er jetzt wieder die Sicherheit, die Spannung kriegt“, wie er im Vorfeld erklärte. Frei übersetzt, heißt das so viel wie: Das genaue Resultat spielt jetzt nicht die erste Rolle. Vor dem Hintergrund hat sein Schützling die Erwartungen übertroffen – und den Verdacht erhärtet, dass manche DBV-Boxer von der Verlegung des olympischen Turniers um ein Jahr sogar profitieren werden. Statt allzu lange über fehlende Ziele zu lamentieren, konnten sie die Zeit auch dafür nutzen, um konsequent an Defiziten zu arbeiten – selbst wenn das wegen mangelnder Gelegenheit zu ernsthaftem Sparring mitunter schwierig bis phasenweise kaum möglich gewesen ist.

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Tiafack gehört zu den Athleten des A-Kaders, die sich bei einem Trainingscamp des DBV in Österreich im September mit Covid-19 infizierten. Auch sein Pensum wurde nach der Genesung erstmal deutlich runtergefahren. Mittlerweile fühlt sich der Sohn von Zuwandern aus Kamerun wieder voll belastbar. Da kam das einzige internationale Turnier nach dem Abbruch der Olympiaqualifikation gerade recht, um die zurückgewonnene Form zu überprüfen. Dass er im ersten Kampf zunächst „angespannter als sonst“ war, hat er selbst registriert. Dann aber nahm er schnell Fahrt auf und agierte flüssig. Bis er am Samstagabend mit einer Trophäe aus Acryl auf dem Podium der Halle stand, die Faustkämpfer und Funktionsträger jeweils nur nach einem positiven Schnelltest betreten durften: King of Cologne, Master of Motorworld.

Rund hundert Aktive aus elf Nationen hatten für die Wettbewerbe in 13 Gewichtsklassen gemeldet, sie waren für alle ein ernster Test vor den Qualifikationsrunden für Tokio im nächsten Jahr. Und wer von ihnen eventuell Bedenken hatte wegen der Punktrichter, die bis auf fünf alle Deutsche waren, sah sich eher angenehm getäuscht. Die Gastgeber stellten insgesamt drei Sieger und eine Siegerin (Nadine Apetz) sowie die erfolgreichste Staffel (insgesamt 16 Podiumsplätze). Einfach durchgewiunkt wurden sie indes nicht. Im Gegenteil: In mehreren Fällen sprach man ihren Gegnern den Sieg zu, obwohl das kaum nachvollziehbar war. Auf diese Art wurden Hamsat Shadalov (Federgewicht) und Ibragim Batsuev (Halbschwergewicht) um erste Plätze betrogen.

Kevin Boakye-Schumann wiederum ließ es gar nicht so weit kommen. Der 22-jährige Mittelgewichtler aus Hamburg stoppte seinen Finalgegner vorzeitig und wies damit einen gewissen Nelvie-Faktor nach. Auch er hat ein schwieriges Jahr zur Selbstoptimierung genutzt – und gehört in der Form zu den echten Hoffnungsträgern.

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