Nachrichten

#Es werde licht im deutschen Wald!

Es werde licht im deutschen Wald!

Der deutsche Wald muss dunkel sein? Nicht, wenn er den Klimawandel überleben soll, sagen Förster. Sie raten zu Mischwäldern, in denen die Bäume weniger eng stehen. Zu Besuch bei einem Förster, der es ausprobiert.

Nördlich der schwäbischen Kleinstadt Lorch ist es ungewöhnlich hell im Wald. Die Jogger, die den Trimmpfad benutzen, beschweren sich sogar, weil der deutsche Wald eigentlich dunkel, romantisch und ein bisschen geheimnisvoll sein soll. Doch Licht bedeutet Leben und schafft Lebensbedingungen für Jungbäume.

Revierförster Frank Simon erklärt den Joggern deshalb gern, dass die Zukunft des Waldes auch im politischen Sinn nicht dunkel sein muss. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Zukunft des Waldes und hat die Probleme des sogenannten Altersklassenwaldes schon gesehen, als über die Klimakrise noch gar nicht viel diskutiert wurde. Altersklassenwald heißt er, weil große Flächen mit gleichaltrigen Bäumen bepflanzt werden, so dass sie dann etwa gleichzeitig gefällt werden können.

In diesem klassischen Hochwald mit einem geschlossenen Kronendach herrscht zwischen den Bäumen ein ständiger Kampf um Licht, Wasser und Nährstoffe. Bei viel Regen entwickelt der Wald sich gut; viele Jahrhunderte passte das zur Vegetation in Deutschland. Im lichten Dauermischwald ist die Konkurrenzsituation zwischen den hoch wachsenden Baumarten dagegen weniger angespannt, eine Monokultur wird durch regelmäßige Verjüngung vermieden. Deshalb ist Förster Simon für den Abschied vom Altersklassenwald, der in der Regel für hundert bis 150 Jahre geplant wird. Er empfiehlt den Aufbau eines nachhaltigen Dauermischwaldes. „Nach 300 Jahren Altersklassenwald brauchen wir jetzt was Neues.“

Vierzehn Baumarten statt Fichten in Monokultur

Simon steht auf einer kleinen Lichtung in der Lorcher Fuchsklinge. Er macht gerade ein Sabbatical, doch die Zukunft des Waldes beschäftigt ihn auch in seiner Freizeit. Gerade hat er einen Aufsatz für die Zeitschrift der „Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft“ geschrieben. Die Zeitschrift ist siebzig Jahre alt, und die Idee des Dauermischwaldes ist sogar noch älter. Sie stammt aus dem Jahr 1920, als sich der damalige Leiter der preußischen Forstakademie in Eberswalde, Alfred Möller, grundlegende Gedanken über die Forstwirtschaft machte, nur ist der Altersklassenwald im Denken vieler Förster und Forstwissenschaftler tief verankert. „Ich weiß gar nicht, ob sich unser Minister hier schon einmal umgeschaut hat. Der Dauerwald galt immer als nostalgisches und unwirtschaftliches Konzept. Das ist er gar nicht“, sagt Simon.

Revierförster Frank Simon
Revierförster Frank Simon :Bild: Rüdiger Soldt

Früher dominierte im Lorcher Wald die Fichte. Jetzt zählt Simon 14 Baumarten, und zwar die Eiche, die amerikanische Roteiche, die Lärche, Kiefern, Birken, Zitterpappeln und die Vogelbeere. Aber auch Fichten, Tannen, Buchen, der Bergahorn, Ulmen, die Vogelkirsche und Douglasien.

Auf einer Fläche, die aus 1000 Hektar Staatswald, fünfzig Hektar Stadtwald, 350 Hektar Kleinprivatwald und sieben Hektar Kirchwald besteht, probiert der Förster seit 2005 aus, wie ein klimaresistenter Wald aussehen könnte. Simon schiebt das Gras und das Brombeergebüsch beiseite und tritt in eine kleine Lichtung ein. Die Eichen, Kiefern und Fichten sind unterschiedlich alt und von unterschiedlicher Höhe. Der Abstand ist ausreichend, so behindern sich unterschiedliche Baumarten nicht gegenseitig beim Wachsen. Von Zeit zu Zeit nimmt er Fichten aus seinem Bestand, damit sich keine Borkenkäferplage entwickeln kann. Nur die Elsbeere haben die Forstarbeiter gepflanzt, die anderen Baumarten haben sich selbst eingesät. „Wenn der Mensch hier nicht regelmäßig eingreift, würden sich nur Buchen ansiedeln. Damit sich Lichtbäume wie Kiefern, Eichen und Lärchen wohl fühlen, muss man etwas tun.“ Eine Eiche ist farbig markiert, sie gilt als Zukunftsbaum, einige schlecht gewachsene Fichten und Tannen sollen bald gefällt werden, damit die Eiche bessere Wachstumsbedingungen bekommt. Ziel der Durchforstung ist es immer, die Lebensbedingungen der Lichtbaumarten – der Lärchen, der Kiefern, der Eichen – zu verbessern.

Nur 13 Prozent der Eichen gelten als ungeschädigt

Bevor man darüber streite, ob einzelne Baumarten in die Landschaft passten, sollte man erst einmal ein Konzept haben, sagt Simon. Es sei falsch, die Douglasie nur zu verteufeln. Aus seiner Sicht ist die Artenvielfalt im Dauermischwald größer als im Altersklassenwald. Im Lorcher Dauermischwald findet sich der seltene Flach-Bärlapp, der Feuersalamander, der Kolkrabe und der Schwarzspecht.

Im neuen Waldzustandsbericht für Baden-Württemberg ist von einem „noch nie dagewesenen Schadniveau“ die Rede und von einer „dramatischen Lage“. 46 Prozent der Bäume weisen Schäden auf. In dem Zustandsbericht, der seit etwa vierzig Jahren verfasst wird, ist noch niemals zuvor ein Nadel- und Blattverlust von 28 Prozent festgestellt worden. Nur 13 Prozent der Eichen gelten als ungeschädigt, die sogenannte „Kronenverlichtung“ bei der Fichte, sie ist die häufigste Baumart im Südwesten, ist bei 24 Prozent der Bäume festgestellt worden. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU), der selbst Förster ist, nennt den Waldumbau eine „Jahrhundertaufgabe“; angesichts des Klimawandels müsse der Wald saniert werden wie Straßen oder Schulen. Hauk sagt, die Idee des gemischten Dauerwaldes sei nicht neu, er habe zur Bewältigung der Klimakrise die „Waldstrategie 2050“ vorgelegt. „Wir wollen klimastabile, nachhaltig bewirtschaftete Mischwälder. Im Waldbau gibt es keine Patentrezepte, die durchgängig von Flensburg bis Garmisch passen. Waldbewirtschaftung muss sich immer am Einzelstandort orientieren.“

Umstritten, da nicht einheimisch: Douglasie bei Eberbach im Odenwald. Der Baum ist mit 62 Metern das höchste Exemplar Deutschlands.
Umstritten, da nicht einheimisch: Douglasie bei Eberbach im Odenwald. Der Baum ist mit 62 Metern das höchste Exemplar Deutschlands. :Bild: dpa

Förster Simon glaubt hingegen, er habe zur Lösung dieser Jahrhundertaufgabe mit seinem beispielhaften Waldumbau in Lorch einen Ansatz gefunden: „Wenn dieses Waldstück konventionell oder gar nicht durchforstet würde, dann wäre es viel dunkler, und es gäbe auch keine Verjüngung. Wenn immer, vor allem von den Naturschützern, gesagt wird, man sollte den Wald in Ruhe lassen, dann halte ich dagegen.“

Buchen und Fichten kommen mit der Trockenheit nicht zurecht

Die Vorteile des Dauerwalds erkennt auch der Forstwissenschaftler Thomas Böckmann an. „Durch die verschiedenen Schichten wird der Waldboden immer beschirmt, und man hat nach Schäden nicht mit großen Freiflächen zu kämpfen“, sagt Böckmann, der die „Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt“ (NW-FVA) leitet und damit in gewissem Sinn Nachfolger des Dauerwald-Erfinders Alfred Möller ist. Die Nordwestdeutsche Versuchsanstalt ging nämlich aus der alten preußischen Versuchsanstalt in Eberswalde hervor. Heute ist die Behörde mit Hauptsitz in Göttingen eine der größten Forschungseinrichtungen zum Wald und wird von den vier Ländern Niedersachsen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein getragen. Mehr als 200 Mitarbeiter beobachten für die NW-FVA auf 750 aktiven Versuchsflächen, wie sich die einzelnen Baumarten entwickeln. Eine der ältesten Versuchsflächen stammt aus dem Jahr 1881. Die preußischen Forstwissenschaftler begannen damals im Braunschweigischen einen Buchentest. Buchenwälder gelten vielen Menschen als Ideal eines schönen Waldes und werden daher gerne als Motiv für Bildschirmschoner oder die Tapete im Yoga-Studio genutzt.

Für den Forstwissenschaftler Böckmann gehört die Buche neben der Fichte allerdings zu den Baumarten, die ihm besonders große Sorgen machen. Dabei sind vierzig Prozent aller Waldbäume entweder Buchen oder Fichten. Mit der zunehmenden Trockenheit in den Sommermonaten kommen die Buchen und Fichten jedoch nicht zurecht.

Keine Hoffnung für Fichtenwälder im Harz

Für die ausgedehnten Fichtenwälder im Harz, in denen die Kahlflächen täglich größer werden, hat der Forstexperte deshalb keine Hoffnung mehr. „Die Fichte wird es nur noch als Einzelbaum geben, aber nicht mehr bestandsbildend“, sagt Böckmann. „Solche Wälder wird es nicht mehr geben – und auch nicht mehr geben dürfen, das muss man auch ganz klar sagen.“ Die Waldbesitzer hören solche Sätze nicht gerne, denn die Fichte wächst nicht nur schnell, sondern ergibt auch hervorragendes Bauholz. Bisher war sie der „Brotbaum“ der deutschen Forstwirtschaft.

Bei den Naturschützern steht eher die Buche hoch im Kurs. „Ich weiß, dass einige gesellschaftliche Gruppen das nicht gerne hören, aber auch die Buche hat ein Riesenproblem.“ Die Bäume werden nicht so rasant dahingerafft wie die Fichten, aber mit etwas Verzögerung kommt es zu Krankheiten wie dem Buchenschleimfluss. Der Forstwissenschaftler kann auch nicht erkennen, dass es den Buchen in einem „greenpeace-mäßigen“ Naturwald besser ergeht als ihren Artgenossen im Wirtschaftswald.

Aber welche Baumarten sollen die Fichten und Buchen in den kommenden Jahrzehnten ersetzen? Böckmann bekennt wie die meisten Forstwissenschaftler offen, dass auch ihm eine Antwort schwerfällt. Denn neben den Beobachtungen auf den Versuchsflächen müssen in die Erwägung Klimamodelle einbezogen werden. In der öffentlichen Diskussion ist oft davon die Rede, dass man eine Erwärmung von zwei Grad Celsius bis zum Jahr 2100 vermeiden müsse. „Doch es ist jetzt schon abzusehen, dass wir das auf keinen Fall erreichen werden“, sagt Böckmann, der inzwischen einem schlimmeren Szenario zuneigt, das von einem Temperaturanstieg von drei bis vier Grad Celsius ausgeht. „Die Folgen wären mehr Hitzetage, weniger Niederschlag und mehr Extremereignisse“, sagt Böckmann. Buchen und Fichten seien damit „vielerorts völlig überfordert“.

Ahorn, Elsbeere oder Sandbirke

Besser sieht es für andere heimische Baumarten aus, beispielsweise die Kiefer. Dieser genügsame Nadelbaum steht bereits heute auf den schlechten und trockenen Standorten wie den ehemaligen Heideflächen in Niedersachsen oder den Sandböden Brandenburgs. In den zurückliegenden Hitzesommern mussten die dortigen Kiefernwälder mit noch weniger Regen zurechtkommen, haben sich bisher aber wacker geschlagen. „Irgendwann kommt natürlich auch die Kiefer an Grenzen“, sagt Böckmann, zumal Kiefern besonders anfällig für Waldbrände sind. Böckmanns Prognose lautet gleichwohl: „Diese Baumart wird ihre große Renaissance erleben und an vielen Orten die letzte Wahl, die uns bleibt.“

Schön widerstandsfähig – und mit essbaren Früchten: Förster setzen Hoffnungen auf die Esskastanie.
Schön widerstandsfähig – und mit essbaren Früchten: Förster setzen Hoffnungen auf die Esskastanie. :Bild: Picture-Alliance

Zu den Baumarten mit Zukunft zählt Böckmann auch Tanne und Eiche. „Die Eiche übersteht Trockenheit ähnlich gut wie die Kiefer“, sagt Böckmann. Ähnliches gilt für Ahorn, Elsbeere oder Sandbirke. Die Hoffnung der Forstwissenschaftler besteht zudem darin, dass sich die heimischen Arten binnen weniger Generationen etwas besser an die neuen Klimaverhältnisse anpassen – das Stichwort lautet Epigenetik. Böckmanns Behörde hat vor kurzem ein Forschungsprojekt dazu gestartet.

Es könnte Steppen geben

Die Versuchsanstalt testet aber auch neue Arten, die in Deutschland nicht heimisch sind. Böckmann weiß, wie scharf der Streit zwischen den großen Naturschutzverbänden und der Holzwirtschaft über den Import neuer Arten geführt wird. Besonders umstritten ist die Douglasie. Dieser Nadelbaum aus Nordamerika kommt nicht nur gut mit Trockenheit zurecht, er ist auch extrem ertragsstark und daher der Liebling vieler Waldbesitzer. Die Forstpolitiker der Grünen versuchen den Anbau hingegen zu verhindern. Böckmann spricht sich dafür aus, Douglasien „in überschaubarem Rahmen“ den künftigen Mischwäldern beizugeben, und fordert vor allem eine differenziertere Debatte.

Den Ansatz, Baumarten aus dem Mittelmeerraum anzusiedeln, findet er naheliegend, weil man in fünfzig Jahren in Deutschland vergleichbare Sommer erleben dürfte. Mit einigen Baumarten gibt es auch schon langjährige Erfahrungen. Die Esskastanie zum Beispiel wurde von den Römern nach Deutschland gebracht und hat über Jahrhunderte zur Ernährung der Bevölkerung beigetragen. Nun könnte diese inzwischen seltene Baumart zur Freude aller Maroni-Genießer eine Renaissance erleben. In großen Versuchsanbauten werden aber auch andere Baumarten aus dem Süden getestet wie die Orientbuche, die korsische Schwarzkiefer, die türkische Tanne oder die Schwarznuss, die ein dunkles und sehr wertvolles Holz liefert.

Die eingezäunten Flächen der Versuchsanstalt können aber auch zu Orten der Enttäuschung werden. Böckmann nennt die Flaumeichen, die vor zehn Jahren angepflanzt wurden. „Die sehen grauslig aus.“ Die Baumart kommt nicht mit den Spätfrösten zurecht, die es in Deutschland auch weiterhin gibt. Böckmann verweist auch auf die Erfahrungen mit der spätblühenden Traubenkirsche, die vor und nach dem Krieg zur Eindämmung von Waldbränden angepflanzt wurde und sich seither ausbreitet. „Diese Art kriegen sie gar nicht mehr gebremst“, sagt Böckmann und warnt: „Es wäre das Schlechteste, jetzt unsere Wälder ungeprüft mit neuen Arten zu verseuchen.“

Was die Zukunft des deutschen Waldes angeht, ist Böckmann insgesamt wenig zuversichtlich. Die Dynamik des Klimawandels hat auch die Forschungseinrichtungen überrollt, sagt er, „und ich mag mir nicht ausmalen, was bis zum Jahr 2100 passiert“. Böckmann versichert zwar, dass es dann auch noch Bäume in Deutschland geben wird. „Aber wird man das noch Wald nennen?“ Bisher sind wir an dichte Wälder mit rund 300 Festmeter Holz je Hektar gewöhnt. Künftig werden es deutlich weniger werden. Besonders düster sind die Prognosen für die Regionen im Osten, die bisher schon trocken waren. „In einigen Bereichen von Sachsen-Anhalt und Brandenburg könnte es Steppen geben“, warnt Böckmann. „Wirtschaftlich wächst da gar nicht mehr, mit der klassischen Nutzfunktion des Waldes wird es ohnehin schwierig.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!