#Ein Land aus einer anderen Zeit
„Ein Land aus einer anderen Zeit“
Die Zeiten des Aufbruchs sind in Myanmar (Burma) spätestens seit dem Putsch der Generäle vom vorigen Montag vorbei. Das Militär hatte die Zügel der Macht zwar nie ganz aus den Händen gegeben. Ein Viertel der Sitze im Parlament war dem mächtigen Militär zugesichert, was ihm eine Sperrminorität für Verfassungsänderungen garantiert.
Doch nun herrscht die Junta wieder ganz offiziell: Staatsrätin Aung San Suu Kyi ist abgesetzt. Den Menschen in dem südostasiatischen Land droht ein Rückfall in dunkle Zeiten. Ein Freund und bekannter burmesischer Fotograf schrieb auf Facebook, dass er normalerweise nicht weine. „Heute habe ich geweint, meine Tochter, die das noch nicht versteht, in die Arme genommen und gedacht, dass dieses kleine Mädchen die schreckliche Diktatur erleben wird, die ich über Jahrzehnte durchgemacht habe.“
Vor wenigen Jahren, 2014, war ich für drei Monate in dem Land unterwegs. Der Fotograf und seine Freunde, die allesamt als freie Journalisten oder Mitarbeiter für die großen Nachrichtenagenturen arbeiten, führten mich in das Leben von Yangon (Rangun) ein. Seinerzeit verstand sich die Clique als Wiedergeburt der nach dem Film „Bang Bang Club“ benannten Gruppe aus Südafrika. Der „Bang Bang Club“ aus Yangon war all die Jahre ein Symbol für den demokratischen Aufbruch, der nicht ohne freie Presse auskommt. Die Burmesen dokumentierten die Milliardengeschäfte in den Jade-Minen von Hpakant, die Rohingya-Krise im Westen, die Wildtiermärkte im Osten. Sie schauten genau hin, zeigten der Welt, wo es in die falsche Richtung läuft. Dass die zarte Pflanze der Demokratie so schnell verwelken würde, hätte damals niemand erwartet.
Myanmar ist anders als die meisten Länder, die ich bereist habe. Es hat sein Erbe nie richtig aufgearbeitet, weil die Zeit für eine Aufarbeitung fehlte. Das Leid und die massenhafte Flucht der Rohingya-Muslime, die Ausbeutung der Natur und Tiere, der Hass der radikalen Mönche. All diese Probleme gab es schon weit vor 2014; das Militär profitiert seit jeher von Konflikten und dem Raubbau an seinem Land. In den Grenzregionen liefert sich die Tatmadaw, wie das burmesische Militär genannt wird, Kriege mit ethnischen Rebellengruppen, die für mehr Autonomie oder einen eigenen Staat kämpfen.
In der meisten Zeit sah ich aber die Schönheit des Landes, die unermessliche Freundschaft der Menschen, den Frieden, die Traditionen, die Kuriositäten: In der Provinzhauptstadt Sittwe war der Flughafen mit einem Fahrradschloss abgesperrt. Und überall Männer in Röcken zu sehen, sogenannten Longyis, die auf ihren Betelnüssen herumkauen und so viel rote Spucke auf dem Boden verteilen, dass man den Eindruck hat, es wären vorher fünf Lämmer geschlachtet worden.
Myanmar – und das verstehe ich jetzt vielleicht noch besser als damals – ist ein Land, das man als Außenstehender nicht komplett durchblicken kann. Ein Beispiel für ein kleines Missverständniss: Im Osten des Landes wollte ich eines Tages einen Bus in eine fünf Stunden entfernte Stadt nehmen und fragte an der Bushaltestelle nach der Verbindung. Der Mann nickte freundlich und sagte: „Yes, no bus!“ Ich wollte es nicht glauben, aber an diesem Tag kam kein Bus mehr.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.