Seit gut zwei Jahren sehen die Wachleute am Schloss Waldthausen eigentlich nur mehr Hochzeitspaare, die für ein exklusives Fotoshooting vor prächtiger Kulisse vorbeischauen. Gelegentlich sind es auch Spaziergänger, die sich dann oftmals verdutzt die Augen reiben, wenn vor ihnen wie aus dem Nichts ein märchenhaftes Anwesen auftaucht, das den Vergleich mit der aus Harry-Potter-Filmen bekannten Hogwarts-Schule nicht zu scheuen braucht. Allerdings wurden in dem mehr als 110 Jahre alten Mainzer Schloss, mit dem der Industriellensohn Freiherr Martin Wilhelm von Waldthausen dereinst das ähnlich protzige Posener Stadtschloss des deutschen Kaisers Wilhelm II. zu übertreffen suchte, schon länger keine Schüler mehr gesichtet. Zauberschüler sowieso nicht.

Über mehr als drei Jahrzehnte hinweg stand die ehemalige Akademie des Sparkassenverbandes Rheinland-Pfalz für die gehobene Fort- und Weiterbildung von Bankmitarbeitern aus dem ganzen Land. Anfang 2020 wurde sie dann aber für immer geschlossen. Seitdem ist es ruhig geworden auf dem weitläufigen Gelände im Lennebergwald, das nach Ansicht der Jungen Union Mainz bestens geeignet wäre, um dort übergangsweise ukrainische Flüchtlinge zu beherbergen. Den schulpflichtigen Kindern könne man in eigens dafür zu schaffenden Vorbereitungsklassen sogar vor Ort die deutsche Sprache beibringen.

Der Vorschlag erinnert an Pläne, nicht weit auf der anderen Rheinseite das leerstehende Hotel Schloss Reinhartshausen ähnlich zu nutzen. 134 Einzel- und acht Doppelzimmer, die derzeit allesamt nicht belegt sind, sollen in mehreren Gebäuden rund um das Schloss zur Verfügung stehen. Darüber hinaus gebe es auch noch die alten Speise- sowie Tagungsräume, die vermutlich schnell wiederhergerichtet werden könnten, so die Position der Jungen Union. Am Freitag haben sich Mitglieder der Nachwuchsorganisation gemeinsam mit Karsten Lange vom Kreisvorstand der Mainzer CDU bei einem Rundgang selbst ein Bild der Lage gemacht.

Neue Wellen an Ukrainern wohl schlechter vernetzt

Die Häuser und Räume, die zum größten Teil voll eingerichtet seien, wirkten zumindest von außen betrachtet, als ob man sie „nur wieder aufschließen muss“, sagte Lange. Sein Parteifreund Lukas Augustin, der Präsident der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft ist, hält es zudem für möglich, auf den ohnehin kaum noch benötigten Parkflächen bei Bedarf zusätzliche Zelte aufzubauen: etwa für eine Kleinkinderbetreuung. Selbst eine funktionierende Küche soll es früher ja gegeben haben, um die Akademieschüler zu versorgen, ergänzte der JU-Kreisvorsitzende Torsten Rohe im Gespräch mit der F.A.Z. Auch an einer Turnhalle und mehreren Sportplätzen, aktuell allesamt eingezäunt und verschlossen, mangele es offenkundig nicht.

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Von bis zu 1000 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, die mittlerweile in Mainz eingetroffen und zum größten Teil privat untergekommen seien, weiß Augustin zu berichten. Dabei habe es sich in der ersten Welle überwiegend um Menschen gehandelt, die in der Rhein-Main-Region ohnehin Freunde oder Verwandte hatten. Je länger der Krieg nun aber noch andauere, desto mehr müsse man mit Flüchtlingen und Vertriebenen rechnen, die mit nichts als ein paar Habseligkeiten ankämen. Häufig seien es junge Frauen mit kleinen Kindern; manche noch dazu in Begleitung älterer oder gar pflegebedürftiger Verwandter. Das sei eine völlig andere Situation als in den Jahren zuvor, in denen es ja überwiegend junge Männer gewesen seien, die den weiten Weg bis Deutschland in Kauf genommen hätten, um am Ziel ihrer Reise Asyl zu beantragen, so Lange.