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#Ein Serienvergewaltiger steht in Berlin vor Gericht

Ein Serienvergewaltiger steht in Berlin vor Gericht

Wenn der Albtraum über ein ganz normales Leben hereinbricht, gibt es meistens keine Vorwarnung. Manchmal passiert es sogar am helllichten Tag.

Julia Schaaf

Julia Schaaf

Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Eine junge Frau radelt am 30. Juni 2020 durch ein kleines Waldstück zwischen Berlin und Potsdam. Sie hat ihren Vater zum Nachmittagskaffee besucht und ist extra rechtzeitig aufgebrochen, um unterwegs nach Hause im Bioladen noch ein Brot zu besorgen. Den Weg durch den Wald kennt sie gut. Er ist mit zwanzig Minuten etwas länger als die Straßenstrecke, aber sie mag den Wald. Sie ist 20 Jahre alt und in einer Phase, in der ihr Lebensinhalt aus Warten und Suchen besteht, wie sie es nennt, wenn sie sich in einem Gespräch am Telefon an den vergangenen Sommer erinnert: Was passiert als Nächstes? Wird sie in Deutschland bleiben? Wie soll das mit dem Studium werden, wenn wegen Covid alles online läuft?

Die Sonne scheint, sie hat gute Laune

Die 20-Jährige kommt aus einer Patchworkfamilie, mit beiden Eltern versteht sie sich gut. Fast zwei Jahre war sie in Neuseeland, Work and Travel, eine großartige Zeit. Der geplante Kanada-Aufenthalt im Frühjahr ist wegen der Pandemie geplatzt. Stattdessen wird sie wohl Ingenieurwissenschaften studieren, wo genau, ist noch unklar. Erst mal wohnt sie wieder bei ihrer Mutter und jobbt in einem Café. Aber an diesem Sommerdienstag hat sie frei, und schon jetzt freut sie sich darauf, auch nach der Frühschicht am nächsten Tag viel Zeit zu haben. Die Sonne scheint, Kurzarmwetter, sie hat gute Laune. Allein die Klingel ihres Fahrrads nervt, weil irgendeine Schraube locker sitzt. Die ganze Strecke über muss sie das große, dicke Ding mit einer Hand festhalten, damit es nicht bei jeder Erschütterung klappert. So war das damals, sagt sie heute.

Gegen 19 Uhr wird die 20-Jährige im Wald von einem anderen Fahrradfahrer auf Englisch nach dem Weg zum S-Bahnhof Wannsee gefragt. Der Mann hat ein Küchenmesser in der Hand. Als sie wegfahren will, schubst er sie zu Boden. Er würgt sie mit beiden Händen. Er zerrt sie in den Wald. Er vergewaltigt sie. So steht es in der Anklageschrift gegen Sinisa K.

Der 30 Jahre alte Serbe muss sich seit Februar vor dem Landgericht Berlin verantworten. Ein schmaler Typ mit kahlem Schädel und hängenden Schultern. Selbst mit Maske ist die Ähnlichkeit zu den Fahndungsfotos vom vergangenen Sommer frappierend. Die Taten hat er gestanden: In nur knapp fünf Wochen hat Sinisa K. im Großraum Berlin sechs Frauen vergewaltigt.

Es geht um Leib und Leben

Eine siebte kam gerade so davon. Sinisa K. hatte die 18-Jährige in den Wald hinein gedrängt bis zu einer Stelle, an der ein Zelt stand, in dem sich ein Obdachloser aufhielt. „Ich persönlich halte es für ein ganz großes Glück, dass dadurch der Täter die Kon­trolle nicht zu hundert Prozent aufrechterhalten konnte“, sagt der Polizist vor Gericht, der die junge Frau nach der Tat vernahm. Sinisa K. flüchtete. Drei Stunden später vergewaltigte er eine andere Frau, nur fünf Kilometer weit entfernt.

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Was seit zwei Monaten unter der cremefarbenen Stuckdecke in einem Saal des Berliner Landgerichts verhandelt wird, ist das klassische Angstszenario jeder Frau: Man ist allein unterwegs, vielleicht im Park, irgendwo im Wald, plötzlich zerrt einen ein fremder Mann hinter den nächsten Busch, und es geht um Leib und Leben.

Zum Glück passiert das den meisten Frauen nie. Das Risiko, Opfer eines Sexualverbrechens zu werden, ist in den eigenen vier Wänden oder im Bekanntenkreis sehr viel größer als allein in der Natur. Jürgen Biedermann, Professor an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg, hat die Zahlen der aktuellen polizeilichen Kriminalstatistik aufgeschlüsselt: In 23 Prozent der Fälle, in denen im Jahr 2019 eine Anzeige wegen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung erfolgte, war der mutmaßliche Täter der Ehemann, der Partner oder sonst ein Familienangehöriger. Bei 49 Prozent der Taten kannte das Opfer den Täter. Nur 21 Prozent waren Fremdtäter. Bei rund 15.000 sexuellen Übergriffen im Jahre 2019 betrifft das gut 3000 Taten. Das sind etwas mehr, als es Verkehrstote gab.

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