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#Ein Tag, der ihr Leben veränderte

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Ein Tag, der ihr Leben veränderte

Fast wirkte es, als würde er friedlich schlafen. Doch der zwei Jahre alte Junge mit der blauen Hose und dem roten T-Shirt am Strand von Bodrum war tot, ertrunken bei dem Versuch, nach Europa zu fliehen. Es war der 2. September 2015, als sein Foto um die Welt ging. Eine türkische Fotografin hatte die Aufnahme am Morgen gemacht. Außer dem kleinen Alan Kurdi starben auch sein vier Jahre alter Bruder Ghalib und ihre Mutter Rehanna. Nur der Vater Abdullah überlebte.

Julia Anton

Julia Anton

Redakteurin im Ressort Gesellschaft bei FAZ.NET

Dieser Tag, sagt Alans Tante Tima Kurdi, habe auch ihr Leben für immer verändert. Denn das Geld, mit dem ihr Bruder die Überfahrt bezahlte, hatte er von ihr. Sie habe das Telefon fallen gelassen, geschrien, sich selbst körperliche Schmerzen zufügen wollen, als sie die Nachricht vom Tod ihrer Neffen und ihrer Schwägerin erreichte, erzählt Kurdi.

Zeit heilt Wunden oder macht den Schmerz zumindest erträglicher, heißt es oft. Doch Tima Kurdis Schmerz haben die vergangenen fünf Jahre kein bisschen gelindert. Wenn sie heute die Ereignisse noch mal schildert, bricht sie wieder in Tränen aus. Dass sie selbst die Schrecken des Krieges oder die Wellen, die die Boote der Flüchtlinge zum Kentern bringen, nie am eigenen Leib erleben hat müssen, macht dabei keinen Unterschied.

Tima Kurdi ist bereits in den neunziger Jahren nach Kanada ausgewandert, mit einem Visum. Ein Flugzeug brachte sie hin. Vielleicht macht das Gefühl von Ungerechtigkeit es sogar noch schlimmer. Dass sie selbst unter angenehmen Umständen lebte, aber kaum helfen konnte, während ihre Familie litt.

Kurdis Stimme wird gehört

Sie trägt ihre Haare zu einem Bob geschnitten, ihr Geld verdiente sie lange als Friseurin. Doch ihren Salon hat sie 2017 aufgegeben. Für die Arbeit habe ihr die Kraft gefehlt. Kraft, die sie seitdem für ihr Engagement braucht, eine Öffentlichkeit für Flüchtlinge und den Krieg in Syrien zu schaffen. Denn obwohl Kurdi, die nie studiert hat und auch in der Schule Schwierigkeiten hatte, sich selbst als „ungebildet“ beschreibt, ist die Fünfzigjährige eine Person, deren Stimme gehört wird. Das liegt daran, dass sie Englisch spricht und dass die Welt das Schicksal ihrer Familie kennt.

Wir treffen uns Ende September in einem Café in Frankfurt. Kurdi ist auf Deutschland-Besuch. Eine Schwester sowie einige Nichten und Neffen leben hier. Aber auch Termine nimmt sie in dieser Zeit wahr: Die private Seenotrettungsorganisation Sea-Eye aus Regensburg, die bereits ein Schiff nach ihrem Neffen Alan benannt hat, will ein zweites auf den Namen Ghalib taufen. Kurdi war bei der Pressekonferenz dabei. Sie hat auf der „Wir haben Platz“-Demo in Berlin gesprochen und die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli getroffen. Außerdem erscheint in diesem Herbst im Verlag Assoziation A ihre Familienbiographie „Der Junge am Strand. Die Geschichte einer Familie auf der Flucht“.

Am fünften Todestag von Alan, Ghalib und Rehanna Kurdi nahm Tima Kurdi an einer Mahnwache in Berlin teil.


Am fünften Todestag von Alan, Ghalib und Rehanna Kurdi nahm Tima Kurdi an einer Mahnwache in Berlin teil.
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Bild: AFP

Das Buch ist ihre Aufarbeitung der Tragödie. Sie erzählt von einer Kindheit in Damaskus, ihrem Aufwachsen als Zweitälteste in einer mittelständischen kurdischen Familie mit fünf Geschwistern, in der Gastfreundschaft ein wichtiges Gebot war. Wie sie mit 20 Jahren die Chance ergriff, nach Kanada auszuwandern und selbst einen Sohn namens Alan bekam, der später zum Namensgeber für ihren Neffen wurde.

Als sie ihre Familie 2011 in Damaskus besuchte, war in der syrischen Hauptstadt von den wachsenden Unruhen erst wenig zu spüren. Zurück in Kanada verfolgte sie stattdessen während der nächsten Monate und Jahre in den Medien, wie der Bürgerkrieg ausbrach und Unzählige das Leben kostete. Wenn sie mit ihren Brüdern und Schwestern telefonierte, hörte sie Gewehrschüsse im Hintergrund. Abdullah, Alans Vater, wurde 2012 überfallen und entführt, die Zähne wurden ihm ausgerissen. Nach einigen Tagen ließ man ihn gehen.

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