#„Ein Tattoo ist häufig finanziell nicht mehr drin“
„„Ein Tattoo ist häufig finanziell nicht mehr drin““
Sebastian Makowski, Sie sind Geschäftsführer der „Ältesten Tätowierstube in Deutschland“, die Menschen in den vergangenen 75 Jahren mit allen möglichen Motivwünschen besucht haben. Seit Anfang März dürfen Sie, trotz Lockdowns, wie Friseure, hier auf St. Pauli Ihre Arbeit wiederaufnehmen und stechen. Nach welchen Motiven ist Menschen, in Corona-Zeiten, zumute?
Heute habe ich zum Beispiel Tierportraits gestochen, zwei kleine Affen. Das war für eine Stammkundin, die eigentlich einen Termin während des Lockdowns gehabt hätte. Ihr ganzer Körper ist voll mit diversen Tieren, das wird ein richtiger Urwald. Solche größeren Tattoo-Projekte werden jetzt fortgesetzt. Anderes fällt erst mal aus, wir stechen ja gerade nur auf Termin.
Das heißt, der Anker, das typische Spontan-Tattoo in Hamburg, ist gerade nicht so gefragt?
Anker sind ein Dauerbrenner. Das ist das Touristen-Tattoo Nummer eins! Manchmal ein bisschen stilisiert, manchmal eher realistisch. Vor Corona kam häufiger auch mal ein ganzer Schub an Leuten vorbei, die einen haben wollten. Irgendwann fehlt dann wirklich die Muße für dieses Motiv. Aber gerade geht das sowieso nicht, unsere Tür ist immer abgesperrt. Es darf nur ein Kunde pro Tätowierer rein, ohne Begleitung.
Ihr Betrieb an einer Nebenstraße der Reeperbahn ist einer der wenigen Orte auf dem Kiez, in die etwas Leben einkehrt. Welches Gefühl haben Sie dabei, anders als der Einzelhandel, Kunden zu empfangen?
Na ja, da kommt einem schon das Damoklesschwert in den Sinn, das ständig über einem schwebt. Ich kann überhaupt nicht planen und muss jederzeit damit rechnen, dass alles wieder über den Haufen geworfen wird. Das ist demotivierend und arbeitsaufwendig.
„Für manche kehrt mit einem neuen Tattoo ein Stück Normalität zurück“: Sebastian Makowski.
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Bild: privat
Zusätzlich müssen Sie seit dieser Woche ein Testkonzept vorweisen.
Neu ist, dass wir ein Testlogbuch führen müssen. Unsere Kunden müssen nicht getestet werden, wir als Mitarbeiter einmal in der Woche aber schon. Mir persönlich ist das zu wenig. Deswegen versuche ich gerade, mich selbst zum Testen ausbilden zu lassen, damit wir nicht auf ein Testzentrum zurückgreifen müssen.
Wie geht es Ihrem Laden finanziell?
Der erste Abschlag der Novemberhilfe kam Ende des Jahres, im Januar der Rest und ein Teil für den Dezember. Zwei Monate sind noch komplett offen. Sollten wir jetzt wieder schließen müssen, fährt unser Umsatz wieder auf null, und die Kosten bleiben. Das kann ich nur noch eine gewisse Zeit machen, dann sind auch meine privaten Reserven aufgebraucht.
Welche Stimmung beobachten Sie unter Ihren Kunden?
Für manche kehrt mit einem neuen Tattoo ein Stück Normalität zurück. Die freuen sich richtig, dass sie angerufen werden! Viele haben aber Angst vor der Gesamtsituation. Schon nach dem ersten Lockdown haben zwei Stammkunden gesagt, dass sie all die Pläne, die sie für ihre Tattoos gehabt haben, erst mal ruhen lassen müssen. Sie waren zunächst in Kurzarbeit und haben später ihren Job verloren. Das wird sich auch hier bestimmt noch bemerkbar machen. Ein Tattoo ist dann finanziell einfach nicht mehr drin.
Besonders große Tattoos brauchen mehrere Sitzungen und dürften deshalb eine größere Investition sein. Heikel auch, wenn der nächste Termin wegen möglicher Schließungen nicht absehbar ist. Haben Ihre Kunden Sorge vor halbfertigen Tattoos?
Klar, solche Fälle gibt es. Aber für die meisten ist es normal, dass ein Tattoo eine Zeitlang nicht ganz fertig ist. Damit können sie auch ganz gut leben. Wenn der eine Teil allerdings älter ist als ein Jahr, sieht man über einen gewissen Zeitraum einen Farbunterschied zwischen den verschiedenen Flächen. Ein abgeheiltes Schwarz nimmt eine andere Farbe an, weil es sich besser in die Haut integriert hat. Es dauert also länger, bis sich die verschiedenen Flächen angleichen, wenn die Termine weiter auseinanderliegen. Bisher konnten wir aber zum Glück noch alles so verschieben, dass wir angefangene Tattoos ohne Probleme weiter stechen können.
Was war denn das Außergewöhnlichste, das Sie je stechen sollten?
Ein weibliches Geschlechtsteil auf dem Oberarm, aus dem ein Totenkopf kommt. Das war schon ziemlich schräg.
Gibt es Wünsche, die Sie ablehnen?
Das passiert häufig. Meistens, wenn Kunden Motive an den falschen Stellen haben wollen. An den Fingern stechen wir zum Beispiel nur bei Stammkunden, die sowieso schon stark tätowiert sind und wissen, worauf sie sich einlassen.
Wie viel Empathie braucht ein Tätowierer?
Das spielt schon eine Rolle. Einigen ist das zwar herzlich egal, die wollen nur ein Bild auf die Haut bekommen. Andere erzählen mir ihre ganze Lebensgeschichte. Da ist es bei uns nicht anders als beim Friseur.
Tattoos im Gesicht sieht man auch immer häufiger.
Hier spielt auch noch eine Rolle, dass die Linien durch UV-Licht und somit erhöhte Zellteilung der Haut dick werden und ausbleichen können. Nehmen wir eine kleine Rose, die kann schnell gar nicht mehr schön aussehen, weil ihre Linien zusammenwachsen. Dann ist es nur noch ein dunkler Fleck. Solche Stellen sollte man sich wirklich bis zum Schluss aufbewahren.
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