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#Ein teurer Winter im ärmsten Staat der EU

Ein teurer Winter im ärmsten Staat der EU

Bulgarien steht zwar womöglich kein kalter, dafür aber ein teurer Winter bevor. Zum Jahresbeginn teilte die bulgarische Energieaufsichtsbehörde in Sofia mit, dass man einen Antrag des Versorgungsunternehmens Bulgargaz zur Erhöhung der Großhandelspreise für Erdgas um mehr als 30 Prozent genehmigt habe. Damit haben sich die Gaspreise in Bulgarien gegenüber der Ausgangslage vor einem Jahr inzwischen etwa verfünffacht.

Michael Martens

Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.

Da Bulgarien fast 15 Jahre nach dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 2007 noch der mit Abstand wirtschaftlich schwächste Staat der Union mit den niedrigsten Durchschnittseinkommen ist, können sich die Preiserhöhungen der vergangenen Monate auch zu einer frühen Belastung für die neue Koalitionsregierung von Ministerpräsident Kyrill Petkow auswachsen. Die hatte eigentlich einen Kampf gegen Misswirtschaft und Korruption zu ihrem wichtigsten Ziel erklärt, sieht sich nun aber durch die stark steigenden Energiepreise und die dadurch geförderte Inflation kurzfristigen Herausforderungen gegenüber, die ihre gesamte Aufmerksamkeit verlangen.

Atomkraft ist beliebt in Bulgarien

Der Gaspreis wird im Januar nach Angaben aus Sofia bei 133,4 Lew (das sind umgerechnet etwa 68,20 Euro) je Megawattstunde liegen. Schon in den letzten Monaten des vergangenen Jahres hatte die Energieaufsichtsbehörde mit Verweis auf die internationale Entwicklung mehrere, zum Teil deutliche Preiserhöhungen der Versorger gebilligt.

Das starke Wachstum der Kosten dürfte auch die Debatte um Bulgariens Energieversorgungsmix wieder befeuern. Ein Thema ist dabei seit vielen Jahren immer wieder die Idee der Errichtung eines weiteren Atomkraftwerkes neben dem schon bestehenden in dem Ort Kosloduj an der Donau. Atomkraft ist in der Bevölkerung und auch bei den meisten Parteien beliebt in Bulgarien – ideologisch stünde einem Ausbau der Kernenergie also zumindest im Inland kaum etwas im Wege.

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Eine andere Frage, die Bulgariens Energiepolitik seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt, ist die nach der Fertigstellung eines sogenannten Interkonnektors, der Bulgariens Gasleitungssystem mit dem Griechenlands verbinden und auf diese Weise den Import von aserbaidschanischem Gas in größerem Umfang ermöglichen soll. Dieses Vorhaben, das eine Verbindungsleitung von der griechischen Stadt Komotini in Westthrakien ins bulgarische Stara Zagora vorsieht, wird von der EU gefördert, doch der Bau kommt aus verschiedenen Gründen seit Jahren nur langsam vom Fleck. Schon vor einem Jahrzehnt wurde angekündigt, dass der Interkonnektor bis 2013 seinen Betrieb aufnehmen könne. Inzwischen gilt es als optimistische Annahme, dass es im Herbst dieses Jahres dazu kommen wird.

Mal streikten Arbeiter auf der bulgarischen Seite, weil sie seit Monaten nicht bezahlt worden waren, zuletzt waren angeblich ausbleibende Materiallieferungen auf griechischer Seite Grund für Verzögerungen. Durch den Interkonnektor hofft Bulgarien die bisherige einseitige Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen verringern zu können. Fast ein Drittel des bulgarischen Gasbedarfs könne durch aserbaidschanische Lieferungen gedeckt werden, heißt es dazu.

Höchste Preissteigerungen seit mehr als einem Jahrzehnt

Bulgarien ist außerdem an dem im Bau befindlichen Flüssiggasterminal in der nordgriechischen Hafenstadt Alex­androupoli beteiligt. Diese Anlage soll die Diversifizierung der Gasbezüge für Griechenland, Bulgarien und weitere Staaten Südosteuropas unterstützen. Die EU-Kommission hat staatliche griechische Beihilfen für den Bau genehmigt und das Projekt aufgrund seiner „strategischen Bedeutung“ zu einem Vorhaben von allgemeinem europäischen Interesse erklärt. Das vor der Küste von Alexandroupoli auf einer schwimmenden Anlage wieder verflüssigte Gas soll den Interkonnektor mit Bulgarien zusätzlich zu aserbaidschanischem Gas beliefern. Das Terminal wird unter anderem durch einen Kredit der Europäischen Investitionsbank und aus Mitteln der EU finanziert.

Kurzfristig hilft das der Regierung Petkow freilich nicht. Laut von der bulgarischen Statistikbehörde im Dezember veröffentlichten Zahlen verzeichnete Bulgarien im vergangenen Jahr die höchsten Preissteigerungen seit mehr als einem Jahrzehnt. Die Inflation betrug demnach mehr als sieben Prozent. Teuerungen bei Grundnahrungsmitteln oder Heizungskosten machen sich in der bulgarischen Gesellschaft in vielen Haushalten rasch bemerkbar. Bulgarische Industrieverbände teilten unlängst mit, die Energiepreiskrise sei für die Wirtschaft des Landes bedrohlicher als die Finanzkrise 2009. Ein Arbeitgeberverband warnte vor Firmenpleiten und einer Kettenreaktion. Gefordert wurden höhere Subventionen für Stromkunden in der Industrie.

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