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#Eine anatolische Stadt trotzt Erdogan

„Eine anatolische Stadt trotzt Erdogan“

Was für Bilbao das Guggenheim-Museum ist, ist für Eskisehir das Mu­seum für moderne Kunst. Der vom japanischen Stararchitekt Kengo Kuma entworfene Bau mit den horizontalen Holzpanelen ist seit drei Jahren der Blickfang am Eingang in die Altstadt. In den minimalistisch ausgestalteten Räumen sind derzeit Exponate internationaler Künstler ausgestellt, die davon handeln, wie sich Einstellungen zum menschlichen Körper verändern. Im Erdgeschoss bietet das Museumsrestaurant ausschließlich vegane Küche. Bevor er nach Eskisehir kam, hat der Koch Halil Cem Erdogan auf Rü­gen gekocht.

Wie geschaffen für Selfies und Gruppenbilder sind die breiten Treppenstufen, die hinauf zum Museum führen. Viele Reisebusse kommen aus den benachbarten Provinzen Westanatoliens. Aus Istanbul und Ankara reisen sie mit dem Intercity an. Denn Eskisehir lockt mit einem reichen Freizeitangebot. Vom Museum aus führen die Gassen in die Altstadt, in der viele der mehr als dreißig Museen un­tergebracht sind. Darunter sind auch das erste Wachsfigurenkabinett, das erste Ha­mam-Museum der Türkei und das Mu­seum für moderne Glaskunst.

Entstanden sind sie alle in den vergangenen fünfzehn Jahren. Der Unternehmer Erol Tabanca hat das OMM genannte Museum für moderne Kunst seiner Heimatstadt gespendet. Gemeinsinn ist nur eine der Eigenschaften, die diese Stadt mit knapp einer Million Einwohner auszeichnet. Eskisehir ist auch ein Beispiel dafür, was Kommunalpolitik in ei­nem zentralistischen Land wie der Türkei bewirken kann.

Leicht macht es der Zentralstaat nicht

Die Türkei spricht über diese Stadt, vielen gilt sie als Modell. In Untersuchungen über die Lebensqualität belegt sie vordere Plätze; im fünften Jahr in Folge wählten Studenten Eskisehir zur beliebtesten Universitätsstadt des Landes; die UNESCO nahm sie 2016 als erste tür­ki­sche Stadt in ihr Netzwerk Learning Cities auf; als einzige türkische Stadt leistet sie sich ein Sinfonieorchester. Die lo­kale Wirtschaft behebt den Fachkräftemangel mit einem eigenen System der dualen Bildung.

Noch vor vierzig, fünfzig Jahren sei seine Heimatstadt grau und lehmig gewesen, wie viele andere Städte in Anatolien, sagt der Parlamentsabgeordnete Utku Cakirözer von der oppositionellen Re­publikanischen Volkspartei (CHP). Dann habe der heutige Bürgermeister Yilmaz Büyükersen die Stadt, wie sie heute ist, erfunden. Seit 1999 ist er im Amt und damit länger als jeder andere Bürgermeister des Landes.

Eskisehirs Bürgermeister Yilmaz Büyükersen hält sich von der Parteipolitik fern.


Eskisehirs Bürgermeister Yilmaz Büyükersen hält sich von der Parteipolitik fern.
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Bild: Rainer Hermann

Leicht macht es ihm der Zentralstaat nicht. Die Gouverneure, die der Innen­minister ernennt und die in der Hierarchie über ihm stehen, sprechen nicht mit ihm. Sie setzen sich über die Bebauungspläne hinweg, die der Stadtrat verabschiedet. Und da Büyükersen der CHP angehört, erhält Eskisehir anders als die AKP-Stadtverwaltungen aus Ankara keine Mittel. Das wiegt umso schwerer, weil türkische Stadtverwaltungen keine eigene Steuern erheben, sondern sich aus Mieteinnahmen, Gebühren und Bußgeldern finanzieren – und mithilfe des ge­sellschaftlichen Engagements ihrer Bürger ihren Spielraum erweitern.

Als Büyükersen Bürgermeister wurde, war er bereits 62 Jahre alt. Da begann seine zweite Karriere. Davor war er im Alter von 36 Jahren zum Professor an der Wirtschaftshochschule seiner Heimatstadt be­rufen worden, neun Jahre später wurde er Gründungsrektor der neuen Anadolu-Universität. Ihr Campus gehört zu den größten der Türkei.

Auch das Märchenschloss in Eskisehir ist auf Initiative des Bürgermeisters entstanden.


Auch das Märchenschloss in Eskisehir ist auf Initiative des Bürgermeisters entstanden.
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Bild: Rainer Hermann

Für Jugendliche, die nicht zuletzt we­gen des stockenden Ausbaus des Bildungswesens kaum Chancen auf eine akademische Ausbildung gehabt hätten, habe er die erste Fernuniversität des Landes gegründet, mit einer Außenstelle in Köln. Für den Unterricht wurden Kas­setten aufgenommen und Fernsehkanäle eingerichtet. Mehr als zwei Millionen jun­ge Menschen haben die Fernuni­versität bisher mit einem Diplom ver­lassen.

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