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#Eine Arche fürs Klima

Eine Arche fürs Klima

Wir sind im schottischen Regenwald. Tag vier des großen Gipfels, wir wollen frische Luft schnappen. Von Cop26, der Weltklimakonferenz in Glasgow, spricht David Blair hier draußen wie von einem fernen Planeten. Wenn er wüsste, wie dort, im zwei Stunden Fahrt entfernten Glasgow, wieder die Soldaten der Klimainfanterie aufmarschieren, wie sich Tausende von ihnen auch an diesem Morgen durch Drehtüren zwängen und im Gänsemarsch zum Nadelöhr am Konferenzeingang schreiten – Davids Grinsen würde noch ein wenig breiter ausfallen.

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

David Blair ist „Woodsman“, ein Aussteiger. Holzfäller, Künstler und Wasserkraftmanager, so würde man es wohl in Glasgow nennen, was er hier am Victoria-Wasserfall auf die Beine gestellt und mit Brettern geschaffen hat. Er nennt es „Social Enterprise“, ein Graswurzelunternehmen im . Ein paar hundert Megawattstunden liefert sein kleines Kraftwerk am Allt Mor, dem schmalen Bach, der sich zwischen bemoosten Eichen und Hirschzungen-Farnen durch die Schlucht windet.

David ist unrasiert, er trägt schwere Waldarbeiterstiefel mit erdbeerroten Schnürsenkeln, auf dem Kopf eine dicke Wollmütze, eine abgetragene braune Ledertasche um die Schultern gehängt und die Beine unter dem grünen Schottenrock, wie die Natur sie erschaffen hat. Ungeschützt bei vier Grad und scharfem Ostwind. David ist Gründer der Kilfinan Forest Community und seit längerem auch im sechsköpfigen „Board of Directors“, das sind die Bürgermeister der Waldgemeinde in Tighnabruaich. Ihr Stück Land an der schottischen Westküste, den fünfhundert Hektar großen Kilfinan Community Forest, versteht das Kollektiv als grüne Oase in einer konsumverrückten Welt jenseits der Highlands. Ein paar hundert Einwohner leben hier ihren Traum von Nachhaltigkeit. Sie leben klimaneutral. Und David ist ihr unbesungener Held.

The Ark steht auf Highlands, ca. 130 Kilometer westlich von Glasgow.



Bilderstrecke



Glasgow COP26
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Impressionen vom Klimagipfel

Auf den Hügeln vor der Atlantikküste hat der Woodsman in der Zeit der Lockdowns das Gerüst einer Arche erbaut. „Es ist ein Symbol, jeder soll wissen, was die Stunde geschlagen hat“, sagt David. Das klingt ganz ähnlich wie in den Zeilen, die die britische Lyrikerin Yrsa Daley-Ward zum Auftakt der Cop26-Eröffnungsfeier im Glasgower Scottisch Event Center vorgetragen hat: Handeln, forderte sie, und: „Alles andere als jetzt ist zu wenig. Zu spät.“ Solches Pathos ist für den hemdsärmeligen Künstler David Blair zu wenig, zu spät. „Die Politiker haben nichts bewirkt, es kann nicht einfach so weitergehen“, ruft er zwei, drei Dutzend Besuchern zu, die sich auf den Bänken im Innern seiner Arche um ihn versammelt haben.

„Die Stabilität, auf die angewiesen sind, bricht“

Kein Weiter so, darin sind sich alle einig, diesseits und jenseits der Highlands, auch im Glasgower Konferenzzentrum wird diese Formel immer wieder bemüht. Es gilt, die Erwärmung der Erde zu stoppen. Jede Woche, die vergeht, rückt der Abgrund näher. Bis zur Pariser Klimakonferenz vor sechs Jahren hat man die gefährliche Schwelle bei zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau gesehen. Inzwischen liegen meteorologische Daten und Modellergebnisse der Klimaforschung auf dem Tisch, auch ein Plädoyer des Weltklimarates IPCC, die die Klimadiplomatie nicht länger ignorieren kann. 1,5 Grad maximaler Erwärmung ist in Glasgow die Zielmarke. Wärmer soll es global nicht werden. Dafür braucht es nicht weniger als eine klimapolitische Vollbremsung. Geht es doch so weiter, enden wir bei 2,7 Grad plus. „Die Stabilität, auf die wir alle angewiesen sind, bricht.“ Das war die Mahnung des nicht nur im Königreich berühmten Naturforschers und -filmers David Attenborough am ersten Tag von Glasgow. Dennoch: Die ganze Dramatik des Systemversagens bleibt hinter solchen Worten, so emphatisch sie wie im Falle des über Neunzigjährigen vorgetragen wurden, seltsam verborgen.

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