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#Als hätte Tarantino einen Bond-Film gedreht: Absolut jede Sekunde dieses wilden Agenten-Thrillers ist ein Genuss

Das Regieduo Hélène Cattet und Bruno Forzani steht für entfesseltes, fiebriges Genre-Kino. Ihr neuer Film Reflection in a Dead Diamond huldigt Agentenfilmen wie James Bond und ist nichts weniger als eine Offenbarung.

Wer noch nie einen Film von Hélène Cattet und Bruno Forzani (Amer – Die dunkle Seite Deiner Träume) gesehen hat, kann sich ihre Filme wie einen Spaziergang durch eine Kunstgalerie voller hypnotischer Gemälde vorstellen. Auf den Werken sind jedoch die blutigsten Gewalttaten, zugespitzten Fetische und Nahaufnahmen glänzender Oberflächen zu sehen.

Mit Reflection in a Dead Diamond ist das belgische Ehepaar und Regieduo im Wettbewerb der 75. Berlinale vertreten. Ihr neuester Film stellt eine Hommage an das Agentenkino, speziell die James Bond-Reihe, und europäische 60s-Pop-Art-Pulp-Vertreter wie Gefahr: Diabolik! von Mario Bava dar. Die Story über einen älteren Ex-Spion, der langsam seinen Verstand verliert, ist ein Höhepunkt des diesjährigen Filmfestivals.

In Reflection in a Dead Diamond verliert sich ein Ex-Spion im Delirium seiner Erinnerungen

Eine klare Handlung in den Filmen von Cattet und Forzani auszumachen, ist keine leichte Aufgabe. Irgendwo in einem Hotel an der Côte d’Azur geht der 70-jährige Ex-Spion John seinem entspannten Alltag nach, um vor allem am Meer zu sitzen und sich einen Drink (natürlich Martinis) nach dem anderen bringen zu lassen. Fabio Testi spielt die Hauptfigur, als wäre Sean Connery damals nach Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen nochmal in seiner 007-Rolle zurückgekehrt.

Schaut hier einen Teaser-Trailer zu Reflection in a Dead Diamond:

Reflection in a Dead Diamond – Teaser Trailer (English) HD

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Unterbrochen wird dieser Handlungsstrang ständig von Rückblenden und Erinnerungen an die jüngeren Jahre des Agenten. Hier taucht der Film, dem Cattet und Forzani sogar ihre psychedelische Version einer Bond-Vorspannsequenz spendieren, in eine brisante Mission ab. John und seine Partnerin sollen das Vertrauen eines Ölmagnaten gewinnen und diesen vor mysteriösen Profikiller:innen beschützen. Der Auftrag geht natürlich schief und John verliert seine Partnerin, die mit Öl übergossen an Gemma Artertons Schicksal in Ein Quantum Trost erinnert.

Schon nach diesem Auftakt, in dem das Regieduo vermeintliche Realität, Erinnerungen, Visionen und Illusionen eng miteinander verzahnt, ist klar, dass Reflection in a Dead Diamond wieder alles außer konventionelles Genre-Kino ist.

Der surreale Agenten-Thriller wirkt wie Quentin Tarantinos eigener Bond-Film

Mit wild aneinandergereihten Stilmitteln wie extremen Close-ups, sehr blutigen Gewalteinbrüchen und dem Durcheinanderwirbeln der Zeitebenen wirkt der neue Film von Cattet und Forzani, als hätte Quentin Tarantino in seiner Kill Bill-Ära eine eigene Bond-Variante gedreht. Reflection in a Dead Diamond wäre jedoch das Resultat, wenn der Kultregisseur während des Drehs und im Schnittraum 40 Grad Fieber gehabt hätte!

Erinnert sich John wirklich an reale Ereignisse aus seiner Vergangenheit? Oder verschwimmen die Frauen, Bösewichte und Einsatzziele zu einem großen Alptraum, aus dem der Ex-Agent nicht mehr aufwachen kann?

John könnte in Wahrheit auch ein Schauspielstar im Ruhestand sein, der Teil eines erfolgreichen Agenten-Franchises innerhalb der Filmhandlung ist. Oder der Protagonist in einer Comicreihe, durch die später im Film manchmal geblättert wird. Am Ende steckt vielleicht der Bösewicht Kinetik dahinter, der seine Opfer in einer Filmtäuschung gefangen hält, bis die Endeinblendung („Fin“) den Tod markiert.

Der Berlinale-Wettbewerbsfilm ist ein purer Kinorausch wie eine Achterbahnfahrt

Wie bei den bisherigen Filmen des Duos, die sich wild durch Genre-Motive des italienischen Giallos oder Italo- und Spaghetti-Western zitiert haben, sollte man auch hier irgendwann aufhören, der Story klar folgen zu wollen. Reflection in a Dead Diamond ist vielmehr pure Kino-Ekstase, die keinen logischen Regeln folgt.

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In den wahnhaftesten Momenten hätte der Streifen auch als Film-im-Film-Segment in Tarantinos vergangene Kinoarbeit Once Upon a Time … in Hollywood gepasst. Genau zwischen die Clips eines Leonardo DiCaprio, der Nazis mit dem Flammenwerfer auslöscht.

Reflection in a Dead Diamond steigert sich aber immer mehr zum Exzess der doppelten Böden und filmischen Metaebenen, durch die der Film im letzten Drittel fast schon zu kollabieren droht.

Dass der Film dieser experimentellen Überforderung standhält, liegt an der handwerklichen Brillanz des Regieduos. Cattet und Forzani haben ihren Stil längst perfektioniert und formen hier jedes Bild zum verblüffend-strahlenden Gesamtkunstwerk.

Irgendwann werden Hautfetzen von Gesichtern gerissen, um buchstäblich falsche Masken fallen zu lassen. Dahinter verbirgt sich plötzlich noch eine Schicht und noch eine Schicht und noch eine Schicht einer weiteren Täuschung.

Reflection in a Dead Diamond zu schauen bedeutet, von Hélène Cattet und Bruno Forzani selbst andauernd von einer Schicht in die nächste geschleudert zu werden. Bis klar ist, dass man sich die ganze Zeit selbst dabei zuschaut, wie man sich im Labyrinth dieses wunderschönen, hoffentlich nie endenden (Alp-)Traums verlaufen hat.

Wir haben Reflection in a Dead Diamond im Rahmen der 75. Berlinale gesehen, wo der Film im Wettbewerb läuft. Einen deutschen Kinostart hat er noch nicht.

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