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#eine Perlenkette aus 60 Satelliten – Alpha Cephei

eine Perlenkette aus 60 Satelliten – Alpha Cephei

UPDATE:

+++ Zu diesem mehr als ein Jahr alten Artikel gibt es einen aktuellen Folgeartikel +++

Am vergangenen Freitag Morgen, 24.05.2019 um 4:30 MESZ brachte eine Falcon 9 vom Startkomplex 40 der Cape Canaveral Air Force Station den ersten größeren Satz von Starlink-Kommunikationssatelliten auf eine Umlaufbahn in 550 km Höhe mit einer Bahnneigung von 53° gegen den Äquator. Diesen voraus gegangen waren bereits vor mehr als einem Jahr am 22. Februar 2018 die Testsatelliten Tintin A und Tintin B. Weitere werden folgen. Viele weitere.

Die gerade gestarteten Prototyp-Starlink-Satelliten sind jeweils 1,2 x 0,7 x 0,7 m groß, haben 227 kg Masse und einen Ionen-Antrieb, um sie während ihrer Operationsdauer im Orbit zu halten; danach werden sie binnen weniger Jahre durch die Atmosphäre abgebremst abstürzen und verglühen. Sie stehen untereinander über Laserstrecken in Verbindung und werden zum Boden hin 5G-Frequenzen von 10-30 GHz zur Verfügung stellen, wobei bis zu 1 Gbit/s pro Nutzer zur Verfügung stehen sollen. Elon Musks SpaceX hat die Satelliten in Massenproduktion fertigen lassen, um damit weltweites Internet anbieten zu können. Internet für alle, das nationale Internetbeschränkungen von oben aushebeln wird (sofern man über die entsprechenden Endgeräte und Verträge verfügt). Eigentlich eine tolle Sache. Aber mit einem Haken.

Start der Falcon 9 Mission CRS-17 mit den Starlink-Satelliten in einer Langzeit-Aufnahme. Der durchgezogene Bogen ist der Aufstieg der Rakete, die beiden kürzeren Linien rechts davon sind die Feuerstöße der rückkehrenden ersten Stufe. Bild: SpaceX, Flickr, gemeinfrei.

 

Die Falcon im nächtlichen Aufstieg (Ortszeit 22:30). Bild: SpaceX, Flickr, gemeinfrei.

Ein Himmel voller Sterne Satelliten

Die Satelliten sollen die Erde in drei Schalen verschiedener Höhe umkreisen. Die erste Schale wird sich in 550 km Höhe befinden, dort werden auf 24 gegeneinander versetzten Bahnen mit 53° Bahnneigung jeweils 66 Satelliten ausgesetzt, das sind 1584 Satelliten. Damit aber nicht genug, die amerikanische Funk-Kommunikationsbehörde FCC hat SpaceX letztes Jahr im März die Lizenz erteilt, 5 weitere Schalen von 1110, 1130, 1275 und 1325 km Höhe mit 32-6 Bahnen zu 50-75 Satelliten zu installieren, insgesamt 4425 Satelliten. Und am 15. November wurden weitere 7518 Satelliten in niedrigen Orbits von 335-346 km auf Frequenzen von 37,5 bis 51,4 GHz genehmigt. Das sind zusammen 11943 Satelliten! Den Auflagen zufolge muss SpaceX bis zum 19. November 2024 50% davon im Orbit haben und bis zum 19. November 2027 alle.

Experten hatten frühzeitig darauf hingewiesen, dass diese Satelliten ziemlich hell am Himmel erscheinen würden und mit bloßem Auge zu sehen sein würden. Das würde es Astronomen zukünftig schwer machen, Beobachtungen durchzuführen, weil ständig Satelliten durch die Aufnahmen rauschen würden. 12000 Satelliten sind doppelt so viele, wie es mit bloßem Auge am Himmel sichtbare Sterne gibt – man würde also mit bloßem Auge mehr Satelliten als Sterne sehen! Und das bis über 53° Nord hinaus, das ist ungefähr der Breitengrad von Hamburg, Labrador, Calgary oder Novosibirsk. Der Sternenhimmel wäre damit ruiniert. Elon Musk hat gestern noch abgewiegelt:

 

Auf das Argument, die ISS sei ja auch im Dunklen zu sehen, meinte er:

Ja genau, die ISS sieht man wegen der Beleuchtung ? … Was davon zu halten ist, zeigen uns die seit Samstag einrollenden Fotos und Videos von Amateuren, die die Satelliten abgelichtet haben:

SpaceX Starlink objects train 24 May 2019 from Marco Langbroek on Vimeo.

Das war wohl nichts, Mr. Musk. Derzeit herrscht in 500 km Höhe über Europa quasi Mitternachtssonne, die Sonne scheint über den dort viel tiefer liegenden Horizont hinweg und die Satelliten sind derzeit die ganze Nacht sichtbar. Im Winter werden es nur ein paar Stunden vor und nach Sonnenuntergang sein und am Äquator ganzjährig – vollkommen dramatisch ist die Situation für die professionellen Astronomen mit ihren Großsternwarten in Chile und auf Hawaii und den Kanarischen Inseln also nicht, aber unser aller Nachthimmel wird bald nicht mehr der sein, der er einmal war. Es wird auch nicht bei Starlink bleiben, weitere teils Hyper-Konstellationen werden folgen: OneWeb mit 650 Satelliten, ein Samsung-System mit 4600, Telesat mit 292, Amazons Project Kuiper mit 3236. Doug Ellison, Teamleader des Curiosity Mars Rover Kamera-Entwicklungsteams beim JPL, beklagt auf Twitter, dass beim Aufstellen von Mobilfunkmasten Studien zum Umwelteinfluss durchgeführt werden würden und öffentliche Anhörungen – während solche Mega-Konstellationen einfach mit dem Segen der nationalen FCC in jedermanns Vorgarten geschossen werden dürften. Profit käme mal wieder vor Umweltschutz.

Zur Selbstansicht

Wie dem auch sei, der erste Satz von Satelliten ist unterwegs, und sie sind derzeit jede Nacht mehrfach über Europa zu sehen. Bereits um 22:45 wurden sie am gestrigen Samstagabend von der Astrophysikerin Carolin Liefke in Heidelberg gesichte und getweetet:

Gestern Abend war ich daraufhin gegen 0:15 raus aufs Feld und habe selbst geschaut. Die Perlenkette aus 60 Satelliten war bei diesem Überflug, obwohl sie näher und viel höher am Himmel passierte, nicht so dramatisch hell wie von Carolin beschrieben, schätzungsweise waren die Satelliten 5m hell (einer ganz hinten ca. 4m) aber dennoch am dunklen Himmel problemlos mit bloßem Auge zu sehen, wenn man Acht gab (ich fand sie erst, als sie im Meridian, also Südstellung, waren). Im Feldstecher waren sie sehr beeindruckend und ich folgte ihnen bis in 30° Höhe im Osten, wo sie mit zunehmender Entfernung in der Lichtverschmutzung eines nahen Gewerbegebiets ertranken.

Auch heute Abend werden sie wieder sichtbar sein, und noch fliegen sie im engen Konvoy, der sich aber bald über die gesamte Bahn zerstreuen wird. Man sollte also nicht zu lange mit der Beobachtung warten. Heavens-Above (lokalen Ort konfigurieren!) hat sie zur Zeit leider noch nicht [update: mittlerweile] gelistet, sie sollten bald dort erscheinen, aber [auch] unter diesem Link kann man die nächste größere Stadt aufsuchen und sich die Zeiten vorhersagen lassen. Am heutigen Sonntagabend auf Montagmorgen z.B. um 23:24h, um 1:00h, um 2:38h und 4:15h von Köln aus, aber auch in der kommenden Woche jeden Tag.

Es lohnt sich auf jeden Fall, das Spektakel anzuschauen, das man so noch nicht gesehen hat, man aber bald wohl noch öfters erleben wird – alle Starts von Cape Canaveral aus in ca. 50° Inklination führen über Europa hinweg und derzeit sind die Beleuchtungsverhältnisse günstig. Schauen wir uns die Dinger also mit einer seltsamen Mischung aus Begeisterung und Entsetzen an. Und machen wir unserem Ärger auf Twitter und anderen sozialen Netzen Luft, wenn uns der Sternenhimmel etwas wert ist.

Ich freue mich über Eure Beobachtungsmeldungen im Kommentarbereich.

Referenzen

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Quelle

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