#Eine ziemlich verkorkste Beziehung
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„Eine ziemlich verkorkste Beziehung“
Größer könnten die Gegensätze nicht sein: Auf der einen Seite höfliche Reden mit diplomatischen, anerkennenden Worten. Auf der anderen Misstrauen, Neid, Unterstellungen, Arroganz und weitreichendes Unwissen übereinander. Beide Welten charakterisieren das Verhältnis zwischen Deutschland und Italien.
Die artige Seite war vor wenigen Tagen wieder zu beobachten, mit gepflegter Routine. Fünfzehntes Deutsch-Italienisches Wirtschaftsforum in Mailand. Im Voraus Grußworte von Bundeskanzlerin Angela Merkel und, erstmals in dieser Rolle, Ministerpräsident Mario Draghi. „Deutschland und Italien sind der Motor der Industrie in der Europäischen Union, aus unseren Fabriken kommt die Hälfte ihrer Industrieproduktion“, sagte Draghi. „2020 umfasste das Handelsvolumen zwischen den beiden 116 Milliarden Euro, mehr als der Wert des italienischen Handels mit den Vereinigten Staaten und China zusammen.“ Draghi hatte noch mehr anschauliche Beispiele mitgebracht: Deutschland handele mehr mit der Lombardei als mit der Türkei, Italien mehr mit Bayern als mit Polen. „Unser Wohlstand hängt davon ab, dass wir einig sind“, lautete Draghis Schlussfolgerung.
Die öffentliche Meinung ist eine andere
Und noch mehr warme Worte: Die Präsidentin der deutsch-italienischen Handelskammer in Mailand, Monica Poggio, berichtete, wie 1921, nach dem Ende einer Pandemie mit der Spanischen Grippe, die Handelskammer der beiden Länder entstand, für gemeinsamen Fortschritt mit Wachstum und Innovationen. Die Wirtschaft beider Länder ist vernetzt: In Deutschland erarbeiten 1600 italienische Unternehmen mit 104.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 59 Milliarden Euro, in Italien kommen 1900 deutsche Unternehmen mit 168.000 Beschäftigten auf ein Geschäftsvolumen von 72 Milliarden Euro.
In der italienischen Öffentlichkeit ist allerdings von Gemeinsamkeit und Schulterschluss wenig zu spüren. Das Bild wird dominiert von Vorwürfen, Unterstellungen und falschen Behauptungen. Wer böse Klischees sucht, kann sie nicht nur in deutschen Boulevardzeitungen lesen, sondern auch in italienischen Zeitungsschlagzeilen, am meisten in populistischen rechten Zeitungen.
„Antideutsch zu sein ist derzeit schick“, meint ein Deutschlandkenner unter Italiens Journalisten. Die erste Titelseite mit dem bösen Schimpfwort gegen Angela Merkel, „Culona“ – vorsichtig zu übersetzen mit Riesenhintern, habe eine verkaufte Auflage gebracht wie nie zuvor, sagte der langjährige Chefredakteur der Tageszeitung Il Giornale, Alessandro Sallusti. Während sich andere in der Szene der rechten Blätter ohne Widerspruch austoben könnten, erzeugte Sallusti immer auch ein diplomatisches Problem. Denn Il Giornale gehört der Familie Berlusconi. Dieses Blatt behauptete auch in großen Lettern: „Es war der Riesenhintern“, Merkel habe den Sturz von Ministerpräsident Silvio Berlusconi verursacht. Beweise oder Fakten dafür? Fehlen bis heute.
Aus der Schmuddelecke bis in bürgerliche Kreise vorangekommen ist der Begriff vom „Quarto Reich“, dem angeblichen vierten Reich, das Deutschland mithilfe des Euros etabliert habe. Wer in die Archive der Neunzigerjahre zurückgeht, findet dort allerdings nicht ein Deutschland, das wegen irgendwelcher Machtgelüste Italien in den Euroraum eingemeinden wollte. Im Gegenteil: Italiens Regierende, Politiker und Medien strebten mit allen Mitteln nach der Aufnahme in den Euroraum „von Anfang an“, auch im Wissen, dass ihrem Land sonst eine Staatsschuldenkrise drohte.
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