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#Einer schneidet das Seil durch

„Einer schneidet das Seil durch“

Mittelmeerromantik, Brise, kühles Bier, Ferientage für die fünf Segler der „Liberame“. Einen erfahreneren Skipper als Jan Garbe (Friedrich Mücke), Inhaber einer Werft in Hamburg, kann es kaum geben. Die Stimmung ist prächtig, an Bord mit seiner Frau Caro (Johanna Wokalek), seiner Schwester Fiona (Natalia Belitski), deren Partner Daniel (Marc Benjamin) und der Familienfreundin, der Anwältin Helene (Ina Weisse). Das geht so, bis auf offener See ein überfülltes Flüchtlingsboot den Sorglosen in den Blick gerät.

Jan zögert nicht. Schließlich sind sie „alles gute Menschen“ und nach internationalem Seerecht zur Nothilfe verpflichtet. Mit dem Beiboot setzt er mit Daniel über, bringt Wasser und Medikamente und versucht vergeblich, den Motor ins Laufen zu bringen. Die Verzweiflung und Todesangst der Menschen ist greifbar. Aus abstrakten Nachrichtenmeldungen werden, Blick für Blick, Wort für Wort, Mitmenschen. Menschen wie Ismail Sabia (Mohamed Achour) und seine Frau, die Ärztin Zahra (Kenda Hmeidan), die mit ihrem Sohn Said (Shadi Eck) und Bruder Bilal (Tariq Al-Saies) vor dem Bürgerkrieg aus Syrien geflüchtet sind. Tochter Jasmin fiebert schwer. Oder Menschen wie Akono (Emmanuel Ajayi) und sein Vater aus Nigeria.

Auf das „S.O.S.“ der Liberame meldet sich niemand – obwohl die italienische Küstenwache in Reichweite sein muss. Abschleppen in den Hafen von Catania und sich der Beihilfe zur illegalen Einreise schuldig machen? Oder sollen sie die Menschen nun ihrem Schicksal überlassen? Was wäre, wenn die Verzweifelten beschließen, die Yacht zu kapern? Jan lässt seine Crew abstimmen. Der Ausgang ist knapp: 3:2 fürs Abschleppen. Und dann? Die nächsten Stunden der erzählten Zeit führen uns in die Gegenwart.

Vergangenheit, Aktualität und mögliche Zukunft ineinander verwickelnd, machen die sechs Folgen der Serie „Liberame“ die Zwickmühle zwischen moralischen Überzeugungen und deren Bewährung in einer Extremsituation auf – jenseits juristischer Abstrahierung. Das Thema wurde in den letzten Jahren mehrfach bearbeitet, im Film etwa in „Styx“ mit Susanne Wolf, im Hörspiel in der zynischen Satire „Die meisten Afrikaner können nicht schwimmen“ mit Devid Striesow und Eva Löbau. Stets hat das Wasser, das Mittelmeer mit seiner gefährlichen Flüchtlingsroute, eine doppelte Funktion: Freizeitraum für die einen, Massengrab für die anderen. Noch in keiner Bearbeitung aber wurden Flüchtlinge und „Wohltäter“ so lebensgeschichtlich gleichwertig und unmittelbar erzählt, musste sich die eine Seite der anderen nähern. Jede und jeder gewinnt als Person Konturen und Farbe (Buch Astrid Ströher und Marco Wiersch).


Trailer
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„Liberame: Nach dem Sturm“


Video: ZDF, Bild: dpa

Sieben Menschen sterben

„Libera me“ heißt „Erlöse mich“. Im Vaterunser wird um Erlösung vom Bösen gebetet, in dieser ZDF-Ausnahmeserie geht es um das Erlösungsbedürfnis von tödlichen Konsequenzen, die trotz bester menschlicher Absicht folgen. Um Erlösung von Irrtümern, Fehleinschätzungen, Bequemlichkeiten und um simple Schwächen, die dem besserem Wissen ins Gehege kommen. Dabei ist „Liberame“ nicht moralisierend, sondern vor allem filmisch überzeugend. In überlegt montierten Rückblenden und Gegenwartseinstellungen, mit einer äußerst beweglichen Kamera, die mit Schärfen und Unschärfen spielt und Ungewissheitseinstellungen anbietet, wird zwar in Gleichnisform erzählt (Montage Laura Wachauf, Kamera Christian Huck), aber man bleibt immer ganz nah bei den Personen. Dank des vorzüglichen Ensembles, aus dem Kenda Hmeidan hervorragt, und dank der erzählökonomischen Gleichwertigkeit, mit der die Geschichten der syrischen und der deutschen Familie erzählt werden, wirkt die Handlung bei aller Symbolik sehr nah (Regie Adolfo J. Kolmerer).

In der Nacht kommt ein Sturm auf, der die Liberame zur Kursänderung zwingt. Bilal fürchtet nichts so sehr wie die Rückkehr an die libysche Küste. Helene schläft bei der Steuerwache betrunken ein. Die Yacht ist führungslos. Am Morgen ist die See ruhig. Das Boot mit den Flüchtlingen ist weg. Jahre später sieht Ismail, inzwischen Taxifahrer, Jan in Hamburg wieder und konfrontiert ihn mit dem Geschehenen: Jemand auf der Yacht, sagt Bilal, habe nachts das Seil durchschnitten. Sieben Menschen starben beim Untergang des Flüchtlingsboots, darunter Jasmin und Akonos Vater. Jan lädt die Familie zum Brunch ein, um zu reden. Während Tochter Elly (Mina-Giselle Rüffer) sich im Bikini sonnt und Sohn Gustav (Wieland Bock) im Gartenpool planscht, wird für Zahra, die mittlerweile wieder als Ärztin arbeitet, die Erneuerung der Bekanntschaft unerträglich. Ismail zeigt Jan an. Bilal und Akono, der von Abschiebung bedroht ist, wollen Gerechtigkeit oder Rache. Daniel kommt nach Hamburg zurück, Helene trinkt wieder. Und Elly und Said fassen einen Plan, der der ursprünglichen Tragödie weitere Folgen hinzufügen wird.

Liberame – Nach dem Sturm läuft heute, am Montag, und am Mittwoch, jeweils ab 20.15 Uhr im ZDF. In der ZDF-Mediathek sind alle Folgen abrufbar.

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