Wissenschaft

#Einige invasive Tierarten sind in ihrer Heimat bedroht

Durch die fortschreitende Globalisierung gelangen immer mehr Tier- und Pflanzenarten in andere Gebiete, in denen sie ursprünglich nicht heimisch sind. Häufig breiten sie sich in der neuen Heimat dann rasant aus und gelten als invasiv. Das Paradoxe jedoch: Einige dieser invasiven Arten sind in ihrer Heimat bedroht. Wie viele invasive Säugetiere dies betrifft, haben Forschende nun untersucht.

Invasive Arten stellen eine Herausforderung für Ökosysteme in vielen Regionen weltweit dar: Die tierischen oder pflanzlichen Neuankömmlinge breiten sich oft rapide aus und können einheimische Arten verdrängen oder neue Krankheiten einschleppen. Nichtheimische Arten, wie zum Beispiel der nordamerikanische Waschbär, der sich als „Gefangenschaftsflüchtling“ auch in Deutschland ausgebreitet hat, sind mitverantwortlich für 60 Prozent der in den vergangenen Jahrzehnten weltweit ausgestorbenen Arten. Paradoxerweise können jedoch einige dieser gebietsfremden Arten in ihren ursprünglichen Lebensräumen selbst vom Aussterben bedroht sein. Das wirft ein Dilemma für den Naturschutz auf: Sollten diese Arten in ihrem neuen Verbreitungsgebiet geschützt oder bekämpft werden? Und wie viele invasive Arten sind davon betroffen?

Mehr als jede sechste nichtheimische Säugetierart bedroht

Um diese Fragen zu klären, hat ein Forschungsteam um Lisa Tedeschi von der Universität Wien dies am Beispiel von invasiven Säugetieren untersucht. Dazu werteten sie eine Datenbank aus, in der die Bestände und Verbreitungsgebiete von 230 der 242 bekannten gebietsfremden Säugetierarten weltweit erfasst sind. Diese Daten verglich das Team mit ihrem Status auf der Roten Liste gefährdeter Arten, die Auskunft über das Aussterberisiko gefährdeter Tier- und Pflanzenarten gibt.

Das Ergebnis der Analyse: 36 der 230 nichtheimischen Säugetierarten sind in ihrer Heimat bedroht. „Diese hohe Zahl hat uns sehr überrascht, gingen wir doch davon aus, dass invasive Arten auch im Ursprungsgebiet häufig sind“, erklärt Tedeschi. Von diesen 36 Arten gelten laut der Roten Liste sechs als vom Aussterben bedroht, neun als stark gefährdet und 21 als gefährdet. Besonders stark betroffen sind vor allem nichtheimische Säugetierarten aus den Gruppen der Paarhufer, Primaten und Diprotodontia, eine Unterklasse der Beuteltiere, zu denen beispielsweise Koalas, Wombats und Kängurus zählen.

Kann das Aussterberisiko verringert werden?

Ein Beispiel für eine in ihrem Heimatgebiet bedrohte invasive Säugetierart ist der Schopfmakake. In seinem natürlichen Verbreitungsgebiet auf der indonesischen Insel Sulawesi ist sein Bestand seit 1978 um 85 Prozent geschrumpft, hat sich auf anderen indonesischen Inseln jedoch ausgebreitet. Generell stammen viele der in ihrem Heimatgebiet bedrohten Arten aus dem tropischen Asien. Gründe dafür sind die massive Regenwaldzerstörung und eine Überjagung der Tiere. Aber auch in Europa gibt es eine Art, die hier bedroht, woanders jedoch weit verbreitet ist: das Wildkaninchen. Nachdem der englische Siedler Thomas Austin 1859 24 dieser Kaninchen aus England ins australische Melbourne importieren ließ, verbreiteten sich die Wildkaninchen rasant, sodass heute etwa 200 Millionen von ihnen in Australien leben.

Wichtig sind diese Beispiele unter anderem deshalb, weil Tierpopulationen, die außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets leben, derzeit nicht in die Bewertung des globalen Aussterberisikos einbezogen werden. Dadurch kann jedoch die Gefährdungsbewertung verfälscht werden. „Für 22 Prozent der analysierten Arten würde sich das globale Aussterberisiko verringern, wenn auch nichtheimische Vorkommen in die Bewertung einbezogen würden“, erklärt Seniorautor Franz Essl von der Universität Wien. Allerdings müsse man dies differenziert betrachten: „Das Hauptaugenmerk muss weiterhin auf dem Schutz von Arten im Heimatgebiet liegen”, betont Essl. „Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es in Zukunft mehr Arten geben wird, die in ihren Heimatgebieten vom Aussterben bedroht sind und bessere Überlebenschancen im neuen Verbreitungsgebiet haben. Auch dies ist ein Fingerabdruck der Globalisierung der Artenverbreitung.“

Quelle: Universität Wien; Fachartikel: Conservation Letters, doi: 10.1111/conl.13069

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