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#Joe Biden überlässt Afghanistan sich selbst

Joe Biden überlässt Afghanistan sich selbst

In Rehoboth Beach im südlichen Delaware hatte man am Wochenende eigentlich Joe Biden erwartet. Der amerikanische Präsident besitzt ein Ferienhaus in dem Badeort. Die Lokalpresse hatte berichtet, dass ein Park mit einem Hubschrauberlandeplatz zwischenzeitlich gesperrt worden sei – ein Anzeichen dafür, dass man den Präsidenten erwarte. Biden verbrachte das Wochenende stattdessen in seinem Haus in Wilmington im Norden des Bundesstaates.

Majid Sattar

Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Womöglich hatte man befunden, dass Strandbilder derzeit besser vermieden werden sollten. In Afghanistan setzten zur gleichen Zeit die Taliban ihren Vormarsch fort. Am Wochenende nahmen sie mehrere Städte ein, darunter Kundus. Schon vor einer Woche hatte es im Pentagon geheißen, es laufe nicht gut in Afghanistan. Das ließ sich auf eine Bemerkung beziehen, die Biden vor einem Monat gemacht hatte, als er sich angesichts der Offensive der Taliban genötigt sah, die Entscheidung, seine Soldaten bis Ende August vom Hindukusch abzuziehen, zu verteidigen. Es sei „nicht unvermeidlich“, dass die Islamisten wieder die Macht übernähmen, sagte er. Das Schicksal des Landes liege in den Händen der afghanischen Führung. Sollte das heißen, er glaube, die afghanischen Sicherheitskräfte seien in der Lage, das von ihnen kontrollierte Territorium zu verteidigen? Oder sollte es nur bedeuten: Ihr müsst es jetzt allein schaffen?

Im Pentagon ist man nicht glücklich über Bidens Entscheidung

Die zurückhaltende militärische Reaktion der amerikanischen Streitkräfte legt Letzteres nahe. Selbst unter Donald Trump, der die Zahl der Truppen in Afghanistan erheblich reduziert hatte, standen die amerikanischen Streitkräfte den Afghanen stets mit Kampfflugzeugen und Hubschraubern zur Seite, um von den Taliban eingenommene Gebiete zurückzugewinnen. Am Wochenende beschränkten sie sich indes darauf, Waffenlager der Taliban aus der Luft zu bombardieren. Gegenwärtig befinden sich noch 650 amerikanische Soldaten in Afghanistan – ein größerer Einsatz lässt sich aus dem Land heraus nicht mehr organisieren. Die zentrale Luftwaffenbasis in Bagram war schon im Juli an die Afghanen übergeben worden. Luftunterstützung und -aufklärung müssen nun von außen kommen, von den Stützpunkten in Qatar und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie von Flugzeugträgern im Arabischen Meer.

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Leon Panetta, Verteidigungsminister unter Barack Obama, äußerte, er hätte eine größere Unterstützung der Amerikaner erwartet. Er fügte aber hinzu, man dürfe sich nichts vormachen: Man könne allenfalls noch auf eine Art Patt hoffen. Ranghohe Militärs wurden mit den Worten zitiert, es gebe keinerlei Pläne, mehr als begrenzte Luftschläge zu unternehmen. Zweimal hatten die Amerikaner in früheren Zeiten den Afghanen geholfen, Kundus zurückzuerobern.

Im Pentagon ist man über Bidens Entscheidung nicht glücklich. Als der Präsident im Frühjahr entschied, Afghanistan zu verlassen, versuchten Verteidigungsminister Lloyd Austin und Mark Milley, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, ihn umzustimmen: „Wir haben den Film schon einmal gesehen“, soll Austin seinerzeit gesagt haben – mit Verweis auf die Folgen einer Entscheidung, die Obama 2011 traf. Dieser hatte die Truppen aus dem Irak abgezogen. Als die Terrororganisation „Islamischer Staat“ später große Teile des Landes einnahm, kehrten die Amerikaner zurück. Biden, der Obamas Vizepräsident war, erinnert sich freilich noch gut daran. Während eines Auftritts Anfang Juli im Weißen Haus ließ er aber keinen Zweifel an seiner Entscheidung aufkommen. An seine Kritiker im außen- und sicherheitspolitischen Establishment gewandt, fragte er, wie lange sie noch das Leben von Tausenden Amerikanern riskieren wollten.

Wie rasch der Vormarsch der Taliban abläuft, dürfte Biden gleichwohl Sorgen bereiten. Es ist offen, ob eine bevorstehende Einnahme Kandahars oder Kabuls die Regierung doch noch zu einer größeren militärischen Unterstützung veranlassen würde. Bidens Sprecherin Jen Psaki sagte dieser Tage, der Präsident sei seit langer Zeit bereit, „schwierige Entscheidungen“ zu treffen. Dazu gehört wohl auch, derjenige Präsident zu sein, dessen Amtszeit mit den demütigenden Bildern der Niederlage verbunden bleiben wird. Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Wähler seine Entscheidung für richtig hält. Die Kongresswahlen im nächsten Jahr werden nach heutigem Stand keine Abstimmung über Amerikas zweites Vietnam werden.

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