Wissenschaft

#Eisbären droht im Sommer der Hungertod

Mit dem Klimawandel werden die arktischen Winter immer kürzer und damit die Zeitspanne, in der das Meer mit Eis bedeckt ist und Eisbären Robben jagen können. Die Raubtiere müssen daher während der eisfreien Sommermonate zunehmend Futter an Land suchen – was schwieriger ist und sie mehr Energie kostet. Trotz Anpassungsstrategien bei der Jagd und Ernährung drohen die Eisbären während dieser Zeit daher zu verhungern, wie Forschende ermittelt haben. Auch eine Art „Sommerschlaf“ schütze die Tiere nicht vor Gewichtsverlust.

Eisbären ernähren sich im Frühling und Frühsommer normalerweise vorwiegend von fettreichen Robben, die zu dieser Zeit auf dem Meereis ihren Nachwuchs zur Welt bringen und relativ leichte Beute sind. In den darauffolgenden Sommer- und Herbstmonaten, wenn das Meereis verschwindet, sind die Bären gezwungen, stattdessen an Land nach anderer Nahrung zu suchen. Sie zehren dann von der zuvor aufgenommenen Energie. Doch diese Periode wird immer länger, denn mit dem Klimawandel schwindet das arktische Meereis von Jahr zu Jahr früher. In der kanadischen Hudson Bay ist die eisfreie Zeit zwischen 1979 und 2015 beispielsweise bereits um drei Wochen länger geworden. Im vergangenen Jahrzehnt mussten Eisbären dort daher rund 130 Tage im Jahr an Land ausharren. Die Eisbärenpopulation hat in dieser Gegend seit 1987 infolgedessen bereits um circa 30 Prozent abgenommen.

Schlafender Eisbär an Land mit Videokamera-Halsband
Eisbär an Land mit Videokamera-Halsband in der Western Hudson Bay Region. © Anthony Pagano

Wie überleben Eisbären im Sommer?

Ein Forschungsteam um Anthony Pagano vom United States Geological Survey (USGS) hat nun genauer untersucht, wie sehr diese Entwicklung die Eisbären bedroht und wie die Tiere sich daran anpassen. Dafür statteten die Forschenden zwischen 2019 und 2022 insgesamt 20 Eisbären mit GPS-Trackern aus und verfolgten ihre Bewegungen in der arktischen Hudson Bay drei Wochen lang während der eisfreien Monate August und September. Über am Hals der Tiere angebrachte Videokameras beobachteten die Biologen, wovon sich die Bären ernährten und wie sie sich verhielten. Zudem wogen sie die Eisbären vor und nach diesem Beobachtungszeitraum und analysierten ihre Blutwerte.
Video: Polar Bears International
Die Auswertungen ergaben, dass die meisten Bären im Sommer mehr oder weniger aktiv Vögel, Karibus und andere Tiere an Land jagten, andere ernährten sich von Beeren, Seetang und anderen Pflanzen. Um in den nahrungsarmen Sommermonaten Energie zu sparen, passten einige, vorwiegend große männliche Eisbären zudem ihr Verhalten an, fasteten und bewegten sich so gut wie nicht. Sie fielen in einen Winterschlaf-ähnlichen Zustand. Drei Bären schwammen auf der Suche nach Nahrung auch weit auf das Meer hinaus, konnten die gefundenen Kadaver jedoch während des anstrengenden Schwimmens nicht fressen.

Eisbären, aufgenommen von einer Halsband-Kamera eines Artgenossen
Aufnahme der Halsband-Kameras. © USGS

Für welche dieser Strategien sich die einzelnen Tiere entschieden, war insgesamt unabhängig von ihrem Alter, Geschlecht oder Körpergewicht zu Beobachtungsbeginn, obwohl diese Faktoren mit einem unterschiedlichen Energiebedarf und -verbrauch einhergingen. Auch schwangere Eisbären nutzten demnach diese Strategien, um zu überleben. Dennoch verloren 19 der 20 Bären deutlich an Gewicht: Innerhalb der drei Wochen zwischen acht und 36 Kilogramm, im Schnitt ein Kilogramm täglich, wie Pagano und sein Team berichten. Nur ein Eisbär habe an Land zufällig einen Robben- oder Walkadaver gefunden und daher zu- statt abgenommen.

Ohne Hilfe werden die Eisbären verhungern

Die Forschenden schließen daraus, dass all diese Überlebensstrategien nicht ausreichen, um die Zeit bis zum Verhungern merklich hinauszuzögern. „Keine der Strategien wird es Eisbären ermöglichen, über einen bestimmten Zeitraum hinaus an Land zu existieren. Sogar die Bären, die auf Nahrungssuche gingen, verloren im gleichen Maße an Körpergewicht wie diejenigen, die sich einfach hinlegten“, sagt Koautor Charles Robbins von der Washington State University. „Die terrestrische Nahrung brachte ihnen zwar einen gewissen energetischen Nutzen, aber letztendlich mussten die Bären mehr Energie aufwenden, um an diese Ressourcen zu gelangen“, ergänzt Pagano.

Da das Meereis mit dem Klimawandel künftig noch weiter und immer früher im Jahr zurückgehen wird, seien gezielte Schutzmaßnahmen nötig, um die Eisbären während der Sommermonate vor dem Hungertod zu bewahren, so das Team. „Mit der zunehmenden Landnutzung ist zu erwarten, dass die Hungersnot zunehmen wird, insbesondere bei Heranwachsenden und Weibchen mit Jungen“, so Pagano.

Quelle: Anthony Pagano (USGS) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-44682-1

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