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#Eisfreie Alpen noch kurz vor Ötzis Zeit

Eisfreie Alpen noch kurz vor Ötzis Zeit

Die Gletscher auf den Gipfeln der Alpen bilden ein Klimaarchiv: Da sie seit Jahrtausenden bestehen, erlauben Eisbohrungen einen Blick in die Vergangenheit. In der Nähe von Ötzis Fundort in den Ostalpen haben Forscher nun mit Hilfe einer solchen Eisbohrkern-Analyse festgestellt, dass das Eis dort erst etwa 5.900 Jahre alt ist. Vorher waren die Gipfel demnach eisfrei. Erst zu Ötzis Zeit begannen die Gletscher wieder zu wachsen. Heute sind sie durch den Klimawandel gefährdet. Die neuen Erkenntnisse können helfen, die Reaktion der Gletscher auf steigende Temperaturen besser einzuschätzen.

Durch den Klimawandel schmelzen die jahrtausendealten Gletscher der Alpen. Auf einigen Gipfeln dürfte das Eis bereits in wenigen Jahrzehnten verschwunden sein. Um besser einschätzen zu können, wie sich die Gletscher bei steigenden Temperaturen verhalten werden, hilft es, in die Vergangenheit zu blicken. Tiefe Eisschichten geben Aufschluss über das Klima zu Zeiten ihrer Entstehung. Sind eisfreie Alpen ein Novum innerhalb unseres Zeitabschnitts der Erdgeschichte, des seit 11.700 Jahren andauernden Holozäns? Neue Forschungen legen nahe, dass dies nicht der Fall ist.

Bohrstelle nahe Ötzis Fundort

Anhand von Bohrungen auf der 3.518 Meter hohen Weißseespitze hat ein Team um Pascal Bohleber von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nachgewiesen, dass sich die Gletscher in dieser Höhe erst vor rund 5.900 Jahren gebildet haben. „Das legt nahe, dass der Gipfel davor eisfrei war“, sagt Bohleber. „Unsere Hypothese ist, dass damals auch in hohen Lagen kein für dauerhafte Vergletscherung günstiges Klima vorlag, etwa weil es zu warm war. Danach müssen sich wieder bessere Bedingungen für das Gletscherwachstum eingestellt haben.”

Ötzi wurde nur zwölf Kilometer entfernt von der Bohrstelle gefunden, auf einer Höhe von 3.210 Metern. Gelebt hat er Datierungen zufolge vor etwa 5.300 Jahren. „Die Eiskerne deuten darauf hin, dass sich das Klima zu dieser Zeit verändert hat. Es wurde kühler und die Gletscher wuchsen wieder an. Das hieß für die Menschen damals, dass die Überquerung der Alpen wahrscheinlich gefährlicher wurde“, so Bohleber. Das Tisenjoch, der Gebirgspass, den Ötzi überquert hat, war zu dieser Zeit aber nach Einschätzung der Forscher vermutlich noch nicht dauerhaft von Eis bedeckt. Ob Ötzi im Eis gestorben ist oder erst nach seinem Tod von Eis umschlossen wurde, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Als er gefunden wurde, analysierte man zwar die Pollen im umgebenden Eis, wendete aber keine moderne C14-Datierung an, um das Alter der Eisschichten genau zu bestimmen. Heute ist das entsprechende Eis nicht mehr erhalten.

Gletscher als Klimaarchive

Übereinstimmend mit früheren Studien kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es vor 5.900 Jahren eine Warmphase gab. Nachgewiesen wurde dies bisher vorwiegend in niedrigeren Regionen. „Die Rekonstruktionen von Gletscherminimalständen aus anderen Archiven stimmen sehr gut mit unseren Ergebnissen überein. Die Warmphase vor 5.900 Jahren ist damit gut gesichert, jetzt auch regional bis in die Gipfellagen“, fasst Bohleber zusammen. Die eisigen Klimaarchive, die Bohleber und Kollegen nun untersucht haben, werden allerdings angesichts des Klimawandels nicht mehr lange existieren. „Wir haben Glück, überhaupt noch Bohrkerne entnehmen zu können. Die Zeit rennt uns davon. Es gibt nur noch zehn bis zwölf Meter Eis, schon in wenigen Jahren könnte dieses Klimaarchiv verschwunden sein”, sagt Bohleber.

Doch gerade bezogen auf den Klimawandel liefern ihre Ergebnisse wertvolle Erkenntnisse: Während Gipfel über 4.000 Metern auch während der Wärmeperiode vor rund 6.000 Jahren früheren Studien zufolge eisbedeckt waren, haben die aktuellen Bohrungen gezeigt, dass die Gletscher in Höhen zwischen 3.000 und 4.000 Metern damals nicht oder in deutlich geringerer Ausdehnung als heute existierten. Sie sind offenbar also anfälliger für Klimaerwärmungen als bislang gedacht. „Es ist nicht so, dass das Abschmelzen der Gletscher während des gesamten Holozäns einzigartig wäre“, schreiben die Forscher. Besorgniserregend sei dagegen die Geschwindigkeit, mit der das Eis derzeit zurückgeht. „Das sollte dringend weiter erforscht werden“, sagt Bohleber. „Die Gletschervergangenheit des Holozäns ist ein wichtiger Hintergrund dafür.“

Quelle: Pascal Bohleber (Österreichische Akademie der Wissenschaften) et al., Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-020-77518-9

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