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#Entsteht eine neue Pegida? Die Kinder des NSU

„Entsteht eine neue Pegida? Die Kinder des NSU“

Die Unzufriedenen sind wieder laut. Zu Tausenden gehen sie vor allem im Osten Deutschlands auf die Straße, marschieren mit Rattenfängern vom äußersten rechten Rand und rufen „Wir sind das Volk“. Als seien sie das Sprachrohr aller Deutschen und nun auf der Straße, um den Unmut einer Nation zu bekunden; in der Tradition der Montagsdemos und der friedlichen Revolution. Das ist Blödsinn – und zwar einer, den man mittlerweile nur zu gut kennt.

2014 waren es die Hooligans gegen Salafisten, die zu Demos aufriefen und meinten, dass das Feindbild Islamismus ihnen Sympathien einbringen würde. Im selben Jahr tauchten die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ auf den Straßen auf. Ein Jahr später gab es Demos vor Flüchtlingsunterkünften, unter anderen in Freital und Heidenau. Dann kamen die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Jetzt sind es Demonstrationen gegen die Energie- und Russlandpolitik. Und immer suchen die Rechtsextremen den Schulterschluss mit frustrierten Bürgerlichen.

Die Verklärung auf all diesen Demos funktioniert stets nach dem gleichen Motto: Das Volk begehre auf gegen die Politiker, gegen das Establishment, welches Deutschland in den Untergang treibe und das Land den Flüchtlingen, Islamisten oder sonst wem überlasse und sich dabei auch noch die Taschen fülle. So werden die Frustrierten vor die Türen gelockt, die unter der Maske, den hohen Energiekosten oder dem Flüchtlingsheim nebenan stöhnen. Lösungen gibt es nicht, dafür aber die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten die Faust gen Berlin zu recken – und Aufmerksamkeit zu bekommen.

Die Grenzen des Sagbaren

Pegida ist dafür das beste Beispiel. Im ganzen Land schaute man zeitweise auf die Demonstranten in Dresden und fragte sich Woche für Woche, was da eigentlich los war, wie es kommen konnte, dass Rechtsextreme mit normalen Großmütterchen gemeinsame Sache machen. Pegida stand für die Spaltung des Landes, und die große Sorge war, dass sich bald all die auf die Straße begeben würden, die mit ihren Ängsten und Nöten doch lieber auf dem Sofa sitzen geblieben waren.

Im Nachhinein ist absurd, welche Aufmerksamkeit Pegida bekam. Das angeblich unzufriedene Volk erhob sich nicht, es marschierte nicht auf Berlin. Selbst in Dresden blieb Pegida eine verhältnismäßig kleine Gruppe. Mehr als 25.000 Teilnehmer waren im Kampf gegen den Untergang des Abendlandes einfach nicht drin. Da zieht es mehr Menschen am Wochenende ins Leipziger Fußballstadion.

Von Dresden ging also keine Revolution aus, ja nicht einmal ein Revolutiönchen. Und sie ging auch nicht von den Hooligans, den Anti-Flüchtlings-Protesten oder den Corona-Demons­trationen aus. Es war eben nicht das Volk, das da demonstrierte, sondern immer wieder eine kleine radikale Minderheit, die hofft, dass sich irgendwann nicht nur die Grenzen des Sagbaren, sondern auch die des Machbaren verschieben.

Spuren des Feuers: In Bautzen gab es einen Brandanschlag auf eine geplante Asylunterkunft.


Spuren des Feuers: In Bautzen gab es einen Brandanschlag auf eine geplante Asylunterkunft.
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Bild: dpa

Genau das ist nun wieder der Fall. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow spricht angesichts der aktuellen Demonstrationen in Ostdeutschland von einer neuen Pegida, einer neuen öffentlich sichtbaren faschistischen Bewegung, in der sich das gesamte rechtsextreme Spektrum versammelt habe und versuche, die Ängste der Menschen zu instrumentalisieren. Die Bewegung mag neu scheinen, die Akteure aber sind die alten. Es wird ihnen auch dieses Mal nicht gelingen, im bürgerlichen Milieu Fuß zu fassen. So wie Pegida sich in die Bedeutungslosigkeit lief, wird sich auch diese Protestbewegung als öffentlich sichtbare Gruppe früher oder später von selbst erledigen. Es ist eben doch nur eine begrenzte Anzahl bereit, sich mit Extremisten zusammenzutun.

In welche Richtung es derzeit allerdings geht, zeigen der Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Bautzen und die mutmaßliche Brandstiftung in Mecklenburg-Vorpommern. Bestärkt durch die Proteste, werden solche Straftaten wahrscheinlich zunehmen, so wie es auch 2015/16 war, als in ganz Deutschland Flüchtlingsunterkünfte in Flammen aufgingen, rund hundert waren es 2015. Wer vorher mit Tausenden ähnlich Denkenden seinen Hass auf der Straße rausgebrüllt hat, der kann sich auch einreden, dass er für diese Tausende stellvertretend den Molotowcocktail schmeißt.

Deshalb wäre es ein Fehler, von der Sichtbarkeit der Proteste auf die Gefahr zu schließen. Dass die Bewegung über kurz oder lang bedeutungslos werden dürfte, heißt gerade nicht, dass das Problem verschwindet. Im Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit nimmt zu, dass sich Einzelne oder kleine Gruppen weiter radikalisieren – zumal sie im Wahn leben, für das Volk zu handeln, das nur wieder von denen da oben unterdrückt werde. Wenn aus Demos Terror wird, geht es dann nicht um eine neue Pegida, sondern um einen neuen NSU.

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