#„Er empfand das als Sünde“
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„„Er empfand das als Sünde““
Am Abend des 4. Oktober vergangenen Jahres haben gut ein halbes Dutzend Menschen im Dresdner Zentrum viel Glück gehabt. Es war ein warmer, sonniger Herbsttag und die Restaurants waren geöffnet, als Abdullah A., ein damals 20 Jahre alter Flüchtling aus Aleppo in Syrien, über den Neumarkt streifte und nach „passenden“ Opfern suchte. In seinem Gürtel hatte er links und rechts je ein Messer stecken, um „Ungläubige“ zu töten.
Stefan Locke
Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.
Den ganzen Tag hatte er darüber nachgedacht, wie er diesen Plan am besten umsetzen könne, und immer wieder auch die – seiner Meinung nach – passende Koran-Sure gelesen, die lautet: „Bekämpft auf dem Weg Gottes diejenigen, die euch bekämpfen, aber seid nicht die Aggressoren.“ Was genau könnte sie in seiner Lage bedeuten? So schildert es am Montag der Mediziner und forensische Psychiater Norbert Leygraf, der im März an zwei Tagen über viele Stunden mit Abdullah A. in Untersuchungshaft gesprochen und im Anschluss ein Gutachten angefertigt hat.
Abdullah A. habe großen Redebedarf gehabt, berichtet Leygraf am Montag im Dresdner Gerichtssaal. „Ich hatte den Eindruck, dass er das alles mal jemanden mitteilen wollte.“ Immer wieder habe er A. unterbrechen müssen, weil er mit dem Mitschreiben gar nicht hinterhergekommen sei. Während er dem Gericht berichtet, sitzt der Angeklagte schräg hinter ihm. A. sieht jünger aus als 21 Jahre, die er inzwischen ist. Seine Jeans hat er bis zu den Knien aufgekrempelt und trägt einen olivgrünen Parka mit großer Kapuze.
Hass auf Ungläubige und Homosexuelle
Mit seinem schwarzen Wuschelkopf und dem zarten Oberlippenbart könnte man ihn für ein Mitglied einer Boyband halten, doch das hier ist der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden und A. der Angeklagte. Er sitzt gefesselt an Händen und Füßen zwischen Verteidiger und Dolmetscher und zeigt keinerlei Gesichtsregung – nur ab und an fährt er sich mit der rechten Hand durch die Haare, wobei die gefesselte linke stets mit nach oben kommt. Nein, sein Mandant wolle nichts sagen, sondern sich schweigend verteidigen, antwortete der Anwalt auf die Frage des Richters. Später wird er noch mitteilen, dass A. das „irdische Gericht“ nicht anerkenne.
Nur wenige Minuten brauchte zuvor ein Vertreter des Generalbundesanwalts, um die Anklage zu verlesen. A. werden Mord, versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er habe an jenem 4. Oktober „heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen“ einen Menschen getötet und einen weiteren schwer verletzt. Es ist die Quintessenz der „Überlegungen“, die A. an jenem Tag anstellte.
Auch das Tatmotiv spricht der Bundesanwalt unumwunden aus: A. habe aus Hass auf Ungläubige und Homosexuelle gehandelt. „Er empfand das als Sünde und wollte sie dafür bestrafen.“ Hinterrücks habe er die beiden Männer angegriffen, zuerst mit dem großen Messer mit der 21 Zentimeter langen Klinge „mit hoher Kraft“ so auf einen der Männer eingestochen, dass es den Körper fast vollständig durchdrang und der Griff abbrach. Dann habe er dessen Partner das kleinere Messer mit der 14 Zentimeter langen Klinge knapp zehn Zentimeter in den Körper gerammt. Die Angegriffenen seien zu Boden gegangen und hätten sich mit den Füßen gewehrt, woraufhin A. auch auf Beine und Füße eingestochen habe und dann geflohen sei.
Nach dem Abendgebet ins Dresdner Zentrum
Einer der Männer erlag kurz darauf im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen, sein Partner überlebte knapp. Beide, 53 und 55 Jahre alt, waren ein Paar, sie stammten aus Köln und Krefeld, und weilten als Touristen in der Stadt. An jenem Abend waren sie auf dem Rückweg von einem Restaurant in ihr Hotel, als A. auf sie getroffen sei. Der Syrer habe seine Wohnung an jenem Sonntag erst spät am Nachmittag verlassen, schildert der Gutachter in der Beweisaufnahme, was A. ihm in der Haft erzählte. Er habe die Messer mitgenommen, in einer Moschee das Abendgebet abgehalten, sei dann mit der Straßenbahn ins Zentrum gefahren und dort umhergestreift.
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