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#Er war auch ein grandios Gescheiterter

„Er war auch ein grandios Gescheiterter“

Mitte August 2001 rief im Moskauer Büro der F.A.Z. ein Mann an und wünschte zu erfahren, ob ich Michail Gorbatschow interviewen wolle. Was für eine Frage! Natürlich wollte ich. Der Mann stellte sich als Mitarbeiter der Gorbatschow-Stiftung vor und nannte ein Datum, an dem man mich dort er­warte. Gorbatschow werde eine Stunde Zeit haben. Ich hatte damals gerade Gorbatschows Erinnerungen gelesen (zugegeben, einige Passagen der 1216 Seiten dicken Schwarte hatte ich eher überblättert als gelesen), aber an Fragen hätte es mir auch ohne diese Lektüre nicht gemangelt.

Michael Martens

Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.

Ein Thema, über das ich unbedingt mit Gorbatschow sprechen wollte, betraf die Rolle von Alexander Solschenizyn im postsowjetischen Russland, denn damit hatte ich mich, als ich in Kiew und später in St. Petersburg lebte, viel befasst. Mitte der Neunzigerjahre, als in Russland zwar ein rabiater Mafiakapitalismus herrschte, eine Heilung hin zur Demokratie aber noch möglich schien, hatte Solschenizyn immer wieder scharfe Kritik an Gorbatschow geübt. Dessen Politik der Offenheit habe nicht der Freiheit des Wortes, sondern der Freiheit der Schamlosigkeit den Weg geebnet, sagte Solschenizyn. Als Konsequenz aus dem misslungenen kommunistischen Experiment müsse Russland anerkennen, dass es das zwanzigste Jahrhundert verloren habe. Das wollte Gorbatschow nicht auf sich sitzen lassen. „Solschenizyn kämpft besonders gegen Glasnost. Glasnost, sagt er, hat alles verdorben. Und ich sage, dass ohne Glasnost heute nichts so wäre, wie es ist, auch Solschenizyn nicht.“ Ohne Glasnost, spottete Gorbatschow, „würde Solschenizyn noch heute in Vermont Holz hacken. Wenn Alexander Issajewitsch sich zur Politik äußert, lassen ihn sein Gedächtnis und sein Wirklichkeitssinn manchmal im Stich.“

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