#Er würde Putin am liebsten hängen
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„Er würde Putin am liebsten hängen“
Die russischen Bomben haben aus Juri einen Patrioten gemacht. Über Nacht. Als wäre er gestorben und wiedergeboren worden. Er sagt „ich bin jetzt ein anderer.“ Von seiner Russlandtreue ist kein Funken übrig geblieben. Früher zierte Juris Rucksack das orange-schwarz gestreifte Georgsbändchen, eine russische Auszeichnung für militärische Heldentaten, das inzwischen auch die Gegner der Ukraine tragen. Juri hat es weggeworfen. Die Farben seiner Überzeugung leuchten jetzt blau-gelb. Slava Ukraini, Ruhm der Ukraine, sagt er heute.
Juri ist Anfang sechzig, ein drahtiger Mann mit drahtigen grauen Haaren. Er sitzt in einem Straßencafé in Odessa, dessen Gäste keinen Kaffee mit Mandelmilch trinken, sondern Suppe mit großen Fleischstücken essen. Mit Kiew, Lwiw, mit all den Städten im Westen, wo die Ukrainisierung vorangetrieben, wo Denkmäler wütend gestürzt werden, hatte Juri vor dem Krieg nichts am Hut. Plötzlich bedeuten sie ihm viel. Eine spät entdeckte Liebe, dafür eine umso größere.
Raketen vor dem eigenen Fenster
Bislang ist der Kriegstag ruhig. Nur am Vormittag hat der Luftalarm geschrillt, aber niemand hat erschrocken in den Himmel geblickt, die Menschen haben weitergegessen, getrunken und geredet, als wäre nichts. Die Akazien blühen. Juri sagt: „Verglichen mit Mariupol ist Odessa eine paradiesische Insel.“ Eine Insel in einem Meer aus Tragödien. Die Frontstadt Mykolajiw, Odessas Schutzwall, ist nur 140 Kilometer entfernt. Raketen und Bomben haben die Stadt verwundet, aber Mykolajiw steht noch. Viele hier sagen, wenn die Stadt fällt, ist Odessa dem Untergang geweiht. Der trügerischen Ruhe zu erliegen wäre also Leichtsinn. Raketen schlagen auch in Odessa ein und töten. Die Russen lassen ihre Spähdrohnen aufsteigen und feuern Geschosse von der Krim ab. Auf dem Meer kreuzen Kriegsschiffe. Vor Kurzem stand Juri auf seinem Balkon und rauchte eine Zigarette. Plötzlich ein Knall. Eine Rakete war explodiert, abgeschossen vom Luftabwehrsystem. Vor einer Woche war er mit Freunden angeln, obwohl die Behörden davor warnen, sich an den Strand oder aufs Meer zu wagen, wo Minen treiben. Aber Juris Sehnsucht nach Normalität war so viel größer als die Angst vor dem Krieg, denn auch Angst nutzt sich ab. Kaum waren sie auf dem Wasser, explodierte eine Rakete und färbte den Himmel schwarz. Er schüttelt den Kopf. Nie hätte er gedacht, dass Putin die Ukraine angreift. Sein Schlaf ist derart fest, dass er den Kriegsbeginn sogar verpasst hat. Erst am Morgen des 25., als er den Fernsehapparat einschaltete erfuhr er vom Überfall der russischen Armee. „Ich war geschockt.“
Den russischen Raub der Krim 2014 hat er noch schulterzuckend hingenommen. „Es war die Schuld der Ukraine“, sagt er. Damals ging ein Riss durch Odessa. Bei den Ausschreitungen am 2. Mai 2014 stießen prorussische und proukrainische Demonstranten aufeinander, die Stadt kochte, Gewalt und Hass eskalierten. 48 Menschen starben, viele von ihnen verbrannten bei lebendigem Leib, die Täter wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Juri spricht nicht gern darüber, er wird einsilbig. Lieber spricht er über den neuen Juri, den Patrioten. Jenen Juri, der der Territorialverteidigung sofort seine Hilfe angeboten hat. Mit einer Kalaschnikow über der Schulter wollte er seine Stadt, sein Land verteidigen, doch die Verantwortlichen schickten ihn fort. Er sei zu alt für den Dienst an der Waffe. Seine Telefonnummer haben sie trotzdem behalten, für alle Fälle. Juris Sohn kämpft an der Front und erfüllt ihn mit Stolz.
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