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Eric Clapton zum 80. Die Hand Gottes

Was hatten die jungen, teilweise noch minderjährigen weißen Engländer damals eigentlich alle mit dem Blues, was fanden sie daran und darin? Diese verzehrende Kraft wurde zumal für die Generation der Vierzigerjahre zu einer Lebensform und ergriff dabei auch Angehörige von Milieus, die sich von den Aussagen dieser wenigstens ihrem Ursprung nach von Unterprivilegierten gemachten und zunächst auch nur für solche gedachten Musik gar nicht angesprochen zu fühlen brauchten. In dem Fanatismus kam, neben künstlerischer Affinität, wohl auch eine persönliche Disposition zum Ausdruck, die zwar nach Aufruhr strebte, sich ganz wesentlich aber aus Verzweiflung speiste und oft genug in der Resignation stecken blieb. So waren und blieben gerade die Besten, wie die Texanerin Janis Joplin das von sich sagte, „lebendig im Blues begraben“.

Knarzend rhythmisierend

Eric Clapton ist das nun schon ein langes Leben lang. Nicht die Tatsache, dass manch anderem eine solche Spanne Zeit gar nicht vergönnt war, erlaubt es, ihn als den größten weißen Blues-, ja, überhaupt Rockgitarristen zu sehen und zu hören, dessen Spiel sich von der Brachialität Jimmy Pages, der entrückten Verträumtheit Peter Greens und der Schnelligkeit Jeff Becks abhebt und, geschult an B. B. King, eine sengende, bisweilen kristallharte Intensität aufweist und fast gleichzeitig knarzend rhythmisiert.
Eric Clapton bei einem Konzert in der Royal Albert Hall im Jahr 1990
Eric Clapton bei einem Konzert in der Royal Albert Hall im Jahr 1990Imago

Der Größte wird man nicht ohne Ehrgeiz und auch nicht ohne Widersprüche, die Clapton reichlich verkörperte. Er war wie geschaffen für die Rolle des Solisten, verbrachte seine künstlerisch wertvollsten, jungen Jahre aber in Bands, die durch ihn freilich einen gewaltigen Bedeutungszuwachs erfuhren: den Yardbirds; John Mayalls Bluesbreakers, bei denen er sich schon als das buchstäblich vergötterte – „Clapton is god“ – Genie erwies; dann natürlich Cream, wo er mit Ebenbürtigen wie Ginger Baker und Jack Bruce ein technisch kaum noch limitiertes, sehr druckvolles Amalgam aus Rock, Blues, Jazz und Pop schuf; Blind Faith, die nächste super group mit seinem englischen weißen Bluesbruder Steve Winwood; und dann noch mit und als Derek and the Dominos, auf deren Doppelalbum „Layla“ (1970) er einen seiner beiden weißen Konkurrenten aus Amerika, Duane Allman – der zweite ist Ry Cooder, den er auf „Money & Ciga­rettes“ (1983) mitspielen ließ –, zu epochalen Duellen herausforderte. Allman verunglückte kurz danach tödlich, von da an spielte Clapton außer Konkurrenz, wobei er es, wie Ry Cooder, hinnahm, dass seine bemerkenswerte Blues-Stimme angesichts seiner instrumentellen Könnerschaft grotesk unterschätzt wurde. Clapton ist ein kompletter Interpret.

„Layla“ nachmals verhunzt

Das Jahr 1970 hätte gut und gerne auch sein letztes werden können. Danach hing er an der Nadel und nahm gewissermaßen Anlauf für die schwere Alkoholsucht, in die er fast übergangslos glitt und die ihn fast das Leben gekostet hätte. Künstlerisch hatte Clapton sich mit der zündenden Energie von „Layla“ und dem nachmals von ihm in einer unnatürlich schleppenden Version verhunzten Titelstück verausgabt und auf diese Weise dem vorzüglichen, aus dem Umgang mit dem Clan um Delaney & Bonnie resultierenden Gospelrock seines kurz vorher erschienenen, immerhin schon mit Clapton-Klassikern wie „After Midnight“ und „Blues Power“ bestückten ersten unter eigenem Namen herausgebrachten Albums kommerziell den Wind so sehr aus den Segeln genommen, dass als sein eigentliches Solodebüt dann erst „461 Ocean Boulevard“ (1974) aufgefasst werden konnte.

Zeichen der Genesung

Dieses wurde damals auch als Zeichen der Genesung aufgenommen, aber aus seiner Autobiographie und einer Filmdokumentation, beides über weite Strecken erschütternde Zeugnisse, ist zu erfahren, welcher Verfassung dieses Album und dann erst recht wieder die folgenden bis in die Achtzigerjahre hinein abgerungen waren. Die gereifte Meisterschaft, die Clapton von nun an hören ließ, erschien in dem Modus des laid back, in dem er die meiste Zeit musizierte, als kleines Wunder.

Trotzdem oder gerade deswegen ist auf „461 Ocean Boulevard“ wie dann auf „Slowhand“ und auf „Backless“ (1977/78) der gültigste, quintessenzielle Clapton zu hören, der seine Virtuosität zügelt und sich dabei auffallend dienend gegenüber dem Material verhält. Damit verhalf er so heterogenen Liedern wie „I Shot The Sheriff“ von Bob Marley und „Cocaine“ von J. J. Cale zu Weltruhm, wie damals überhaupt seine Affinität zu Cales Countryblues-Minimalismus eines seiner Markenzeichen war.

Makelloser Folk und viel Reggae

Die Regelmäßigkeit, mit der Clapton seine auch mit makellosem Folk und viel Reggae bestückten Platten herausbrachte, ließ es kaum zu, dass eine einzelne von ihnen als Sensation gehandelt worden wäre, selbst das gewaltige Budokan-Konzert nicht („Just One Night“, 1980). Doch auch auf eher unauffälligen, unambitionierten Werken wie „Another Ticket“ (1981) bot er, immer mit erlesenem Personal, jenen Qualitätsrock, für den sein Name über die Jahrzehnte hinweg steht wie der nur ganz weniger anderer. Jahrgangsgenossen wie Van Morrison, Neil Young oder Rod Stewart sind vergleichbar produktiv und vielseitig; Clapton aber leistete sich auf seine selbstkritische Art nicht nur weniger flaue Momente, sondern war sich, mit seinem Händchen für Pop-Balladen und betreut von so unterschiedlichen Produzenten wie Tom Dowd, Phil Collins und Simon Climie, auch nicht zu schade als Lieferant von Radio- und sogar Schmusehits wie „Wonderful Tonight“, die sich reizvoll abwechselten mit deftigen Gassenhauern wie „Tulsa Time“ und „Lay Down Sally“.

Ein älterer Staatsmann

Wenn man ihn deswegen abqualifizierte als „älteren Rock-Staatsmann in Übereinstimmung mit den Zeitläuften, aber ohne großen Einfluss auf sie“, dann war da durchaus etwas dran; denn die bedächtige Gediegenheit seiner Musik bot wenig Raum für eigentliche, erregende Überraschungen. Trotzdem war die Einordnung, wie so oft bei den Nicht-Totzukriegenden, voreilig. Entscheidende Lebenskrisen wie seine Besessenheit von George Harrisons erster Frau Pattie Boyd, aus der er „Layla“ formte, und vor allem der Unfalltod seines damals vierjährigen Sohnes, bei dem er sich nicht anders zu helfen wusste als mit dem ergreifenden, künstlerisch aber belanglosen Lied „Tears In Heaven“, dokumentiert auf seinem trendauslösenden Unplugged-Album (1992), gingen genauso in die Rockgeschichtsschreibung ein wie Bob Dylans Motorradunfall oder John Lennons Ermordung.

Aus der frühen, rückhaltlosen Hingabe an den Blues wuchs er mit der Zeit hinein in die Rolle eines Archivars und Nachlassverwalters, genau wie Ry Cooder. Nicht alles, was er bis heute macht, ist triftig. Aber dass jederzeit mit ihm zu rechnen ist und er, wenn es darauf ankommt, die Krallen seiner absoluten Virtuosität ausfahren kann, zeigt er bei Gelegenheit, zum Beispiel bei dem sagenhaften Cream-Comeback vor zwanzig Jahren in London und mit den hochwertigen späteren Soloalben, die ihm seit „Journeyman“ (1989) immer mal wieder gelingen und auf denen er dem nun schon uralten Idiom, das doch längst ausgeschöpft schien, noch etwas Neues abgewinnt. Aber die Liebe höret eben nimmer auf, das Leid leider auch nicht. Eric Clapton, der an diesem Sonntag achtzig Jahre alt wird, weiß davon mehr als ein Lied zu singen.

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