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#Ermittler: „Schreckliches Gemetzel“ in Gefängnis bei Neapel

Ermittler: „Schreckliches Gemetzel“ in Gefängnis bei Neapel

Als in Italien im März vergangenen Jahres ein nationaler Lockdown verhängt wurde, rumorte es in den Gefängnissen des Landes. In gut zwei Dutzend Haftanstalten kam es während des strengen Lockdowns bis Ende Mai zu Meutereien. Es fehlte an Masken, an Desinfektionsmitteln, an jeglicher Schutzausrüstung in den überfüllten Anstalten. Außerdem hatten die Behörden aus Angst vor einer raschen Ausbreitung des Virus in den Zellen alle Familienbesuche ausgesetzt. Bei den Meutereien starben 14 Gefangene, die meisten an Überdosen von Medikamenten, die sie in den Apotheken der Haftanstalten gestohlen hatten. 41 Vollzugsbeamte wurden zum Teil schwer verletzt. Viele Gefangenenrevolten wurden nach Überzeugung der Justizbehörden von Mafia-Bossen angezettelt – von jenen hinter Gittern, aber offenbar auch von Clan-Chefs außerhalb der Gefängnismauern. Auch in der Vollzugsanstalt Santa Maria Capua Vetere bei Neapel kam es damals zur Revolte. Die damalige Vergeltungsmaßnahme des Wachpersonals hat nun einen Gefängnisskandal hervorgerufen.

Matthias Rüb

Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

Durchgestochene Aufnahmen von Überwachungskameras in dem Gefängnis vom 6. April 2020, die am Mittwoch von der Tageszeitung Domani veröffentlicht wurden, dokumentieren ein brutales Vorgehen gegen Gefangene. Tags zuvor war es in dieser überfüllten Haftanstalt zu Protesten gekommen, nachdem ein Insasse positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Auf den gut sechs Minuten langen Aufnahmen verschiedener Überwachungskameras – aus Aufenthaltsräumen, Korridoren und Treppenhäusern – sind Dutzende Gefängniswärter zu sehen, wie sie wahllos Gefangene traktieren: mit Knüppeln, Fußtritten und bloßen Händen. Die malträtierten Gefangenen sind ersichtlich schutzlos, manche hinken, andere krümmen sich vor Schmerzen, alle halten schützend die Arme über ihren Kopf. Einige Beamte der „Polizia Penitenziaria“ tragen die Ausrüstung von Bereitschaftspolizisten mit Helm, Schutzschild und Stiefeln, andere lediglich eine Mund-Nase-Maske und Gummihandschuhe.

Ermittler: Koordinierte Vertuschungsstrategie

Die Ermittler der Staatsanwaltschaft von Santa Maria Capua Vetere haben schon vor gut einem Jahr Untersuchungen aufgenommen, nachdem Beschwerden von Gefangenen sowie von deren Angehörigen über die Gewaltauswüchse bekannt geworden waren. Inzwischen verfügen die Strafverfolger über ein dickes Dossier von Zeugenaussagen, Diagnosen von Ärzten, Kurzmitteilungen von Handys und eben von Videoaufnahmen aus dem Gefängnis. „Morgen, mit Schraubenschlüssel und Spitzhacke, werden wir sie schlachten wie Kälber“, heißt es in einer Whatsapp-Nachricht eines der angeklagten Wachbeamten vom Vorabend der offensichtlich geplanten Vergeltungsaktion für die Meuterei. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass ein Bericht der Beamten über die Vorfälle, wonach diese durch gewaltsamen Widerstand der Insassen ausgelöst worden sei, das Produkt einer koordinierten Vertuschungsstrategie ist.

Insgesamt 117 Angehörige der Gefängnispolizei und der Verwaltung der Haftanstalt wurden angezeigt. 52 Beamte wurden Anfang dieser Woche in Untersuchungshaft genommen oder unter Hausarrest gestellt. Der Chef der Gefängnisverwaltung der Region Kampanien wurde vom Dienst suspendiert. Die Vorwürfe lauten auf schwere Körperverletzung, Folter und exzessive Gewaltanwendung, außerdem Amtsmissbrauch, Falschaussage sowie Vernichtung und Manipulation von Beweismitteln. Der zuständige Ermittlungsrichter hat die Vorfälle als „schreckliches Gemetzel“ gegeißelt, die Vorfälle in dem Gefängnis seien eines zivilisierten europäischen Landes unwürdig.

Die Veröffentlichung der offensichtlich von Ermittlern an die Presse durchgestochenen Aufnahmen der Überwachungskameras hat auch zu einer politischen Debatte über die Vorfälle geführt. Die an der Regierungskoalition unter Ministerpräsident Mario Draghi beteiligten Sozialdemokraten fordern, dass Justizministerin Marta Cartabia im Parlament Rede und Antwort stehen müsse. Die parteilose Juristin, einst Präsidentin des Obersten Gerichts, hat die Vorgänge in dem Gefängnis bei Neapel als „schwerwiegend“ und als „Verrat an der Verfassung“ bezeichnet. Eine persönliche Verantwortung trägt die Ministerin, die erst seit Februar im Amt ist, für den Gefängnisskandal vom April 2020 nicht. Aber sie ist als Dienstherrin der Gefängnispolizei politisch verantwortlich für das Verhalten „ihrer“ Vollzugsbeamten. Der damalige Justizminister Bonafede hatte die Vorgänge vom 6. April 2020 bei einer Anhörung im Parlament seinerzeit als „angemessene Maßnahme zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung in der gesamten Abteilung“ beschrieben.

Am Donnerstag besuchte Matteo Salvini, Parteichef der rechtsnationalen Lega, das Gefängnis nahe Neapel. „Wenn jemand einen Fehler begangen hat, muss er richtigerweise dafür bezahlen“, ließ der ehemalige Innenminister ausrichten: „Aber ich vertraue unseren Frauen und Männern in Uniform.“ Zudem ereiferte sich Salvini über den Umstand, dass die mit vollem Namen versehenen Fotos der 117 angezeigten Beamten am Dienstag auf der Titelseite einer Lokalzeitung veröffentlicht worden waren. Man behandle Staatsdiener „schlechter als Mafiosi und Mörder“, schimpfte Salvini. Enrico Letta, Parteichef der Sozialdemokraten, bezeichnete Salvinis Verhalten als skandalös. Wer mutmaßliche Verbrechen wie jene im Gefängnis von Santa Maria Capua Vetere verharmlose und sich mit deren Urhebern politisch solidarisiere, der stelle den Rechtsstaat zur Disposition.

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