#Er hatte die falsche Mütze auf
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Es gibt diesen einen Überfall im Januar 2019 auf einen Kanalarbeiter in Leipzig, den die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Dresden hervorhebt. Die Tat sei „herausragend im schlechtesten Sinne“, die physischen und psychischen Folgen für das Opfer seien verheerend. Der Mann habe einen mehrfachen Schädelbruch erlitten und bis heute eine Metallplatte in der rechten Gesichtshälfte, damit die Augenhöhle nicht herunterrutsche. Zudem müsse er täglich Schmerzmittel nehmen und habe obendrein seine Arbeit verloren – und das nur, weil er „eine falsche Mütze“ aufhatte. Diese Mütze mit einem Logo einer bei Rechtsextremen beliebten Kleidungsmarke wurde dem Mann, der damals seinen ersten Tag in der Firma hatte, zum Verhängnis.
Die Anklage ist überzeugt, dass Lina E. und ihre Komplizen den Mann als Mitglied der rechtsextremen Szene, das er jedoch nicht ist, eine Lektion erteilen wollten. E., die als Rädelsführerin einer linksextremen, kriminellen Vereinigung angeklagt ist, soll das Opfer mit ausgesucht und dann herbeieilende Kollegen davon abgehalten haben, dem Mann zu helfen, während ihre Komplizen ihn unter anderem mit Schlagstöcken so verprügelten, dass die Tat „in der Nähe eines versuchten Tötungsdelikts“ liege. Wegen dieser und weiterer sechs Taten, bei denen insgesamt 15 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, wird der 28 Jahre alten Lina E., die aus Hessen stammt und in Leipzig studierte, sowie drei Männern, ebenfalls Mittzwanzigern, die aus Leipzig, Berlin und Dresden stammen, seit September 2021 der Prozess gemacht.
Nach 92 Verhandlungstagen ist die Bundesanwaltschaft davon überzeugt, dass alle Angeklagten Mitglieder einer kriminellen Vereinigung gewesen sind. Sie seien geplant vorgegangen, um mittels gemeinsam begangener Straftaten ein übergeordnetes, politisches Ziel zu erreichen, nämlich als militante Antifaschisten gewaltsam Rechtsextremisten zu bekämpfen, sagte Oberstaatsanwältin Alexandra Geilhorn.
Abschätzige Bemerkungen von Angehörigen im Saal
Zwar seien nicht alle Angeklagten an allen Einzeltaten beteiligt gewesen, doch das spiele keine Rolle. Denn alle vier Angeklagten hätten sich „in einen von gemeinsamen politischen Überzeugungen getragenen Verband“ eingefügt. Sie hätten gezielt Überfälle auf Rechtsextreme sowie Menschen, die sie dafür hielten, geplant, trainiert und ausgeführt und dabei „ein außergewöhnliches Maß an krimineller Energie“ offenbart. Es sei lediglich dem Zufall geschuldet, dass trotz des gezielten Einsatzes von Gewalt vor allem gegen Kopf und Oberkörper der Opfer nicht noch Schlimmeres passiert sei.
Immer wieder kommt die Anklage auf die einzelnen Taten, die zwischen August 2018 und Sommer 2020 in Sachsen und Thüringen geschahen, zurück und seziert die Tatbeiträge der Angeklagten – sei es bei Überfällen auf Einzelpersonen oder bei der Erstürmung bekannter Treffpunkte von Rechtsextremisten.
Lina E. komme dabei eine besondere Rolle zu. Sie habe mehr als zwei Jahre lang einen bestimmenden und prägenden Einfluss auf die Gruppe gehabt, Trainings koordiniert, Opfer unmittelbar ausgewählt, Tatwerkzeuge besorgt sowie Mittäter für Überfälle gewonnen. „Sie war die treibende und steuernde Kraft der Gruppe“ und habe „gesteigerte kriminelle Energie“ bewiesen, sagte Geilhorn. Man habe es hier „mit einem besonders schweren Fall von Rädelsführerschaft“ zu tun, weshalb die Anklage für die nicht vorbestrafte Lina E. eine Freiheitsstrafe von acht Jahren forderte.
Für die drei Männer auf der Anklagebank, von denen zwei nicht vorbestraft sind, beantragte die Bundesanwaltschaft Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und neun Monaten sowie drei Jahren und neun Monaten insbesondere wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung, Sachbeschädigung und Landfriedensbruchs. Im Saal, wo Verwandte und Bekannte der Angeklagten jeden Prozesstag verfolgen, wurde jedes Strafmaß mit Empörung und abschätzigen Bemerkungen quittiert. Oberstaatsanwältin Geilhorn forderte zudem, Lina E. wegen „sehr hoher Fluchtgefahr“ weiter in Untersuchungshaft zu behalten. Es gebe ein nach wie vor breites Unterstützer-Umfeld, dass die Taten der Angeklagten gutheiße und zu weiteren Taten aufrufe. So gebe es innerhalb der linksextremen Szene einen Aufruf, für jedes Jahr Freiheitsstrafe, zu dem die Angeklagten verurteilt werden, Sachschäden in Höhe von einer Million Euro zu verursachen.
Mitte April wird die Verteidigung, die von einem „konstruierten Vorwurf“ sowie einem „politisierten Verfahren“ spricht, ihre Schlussvorträge halten. Das Urteil wird Mitte Mai erwartet.
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