Wissenschaft

#Erstmals Chromosomen von Menschenaffen komplett entschlüsselt

Menschenaffen sind unsere nächsten Verwandten, doch was genau Gorilla, Schimpanse und Co genetisch von uns unterscheidet, ist erst in Teilen bekannt. Jetzt haben Genetiker erstmals die Geschlechtschromosomen von sechs Menschenaffen-Arten lückenlos kartiert und somit die vollständigen DNA-Sequenzen des X- und Y-Chromosoms dieser Primaten ermittelt. Mit diesen Informationen könnte sich in Zukunft die menschliche Evolution weiter ergründen lassen – und auch jetzt enthüllen die DNA-Daten bereits allerhand Überraschendes.

Auch wenn unser Erbgut bereits im Jahr 2001 zu großen Teilen entschlüsselt wurde, gab es bis vor Kurzem noch erhebliche Lücken im Puzzle unserer DNA. Denn konventionelle DNA-Sequenzierer können lange, sich wiederholende Genom-Abschnitte nur schwer erfassen und in der korrekten Reihenfolge wiedergeben. Gerade DNA-Bereiche wie das männliche Geschlechtschromosom (Y-Chromosom), in denen überdurchschnittlich viele solcher Wiederholungen vorkommen, waren daher lange Zeit nur unzureichend kartiert. Erst 2023 gelang es, unser Genom dank technischer Fortschritte komplett lückenlos zu entschlüsseln.

Detailarbeit im Affengenom

Entsprechend unvollständig war bisher auch der Blick auf das Erbgut unserer nächsten Verwandten, der Menschenaffen. Auf den ersten Blick sind uns Gorilla, Schimpanse und Co genetisch sehr ähnlich. Allerdings haben Studien bereits gezeigt, dass sich gerade in den nicht für Proteine kodierenden Abschnitten des Genoms teils deutliche Unterschiede verbergen. Wie dies bei den Geschlechtschromosomen in unserer gemeinsamen Verwandtschaftsgruppe aussieht, war jedoch bisher kaum untersucht.

Nun haben Forschende um Kateryna Makova von der Pennsylvania State University damit begonnen, auch das Genom von Menschenaffen lückenlos auszulesen – angefangen bei den Geschlechtschromosomen. Konkret entschlüsselte das Team die Gensequenzen des X- und des Y-Chromosoms von einem Schimpansen, einem Bonobo, einem Gorilla, einem Borneo-Orang-Utan, einem Sumatra-Orang-Utan und einem Siamang. Die Kartierung gelang mithilfe sogenannter Long-Read-Sequenzierung, mit der sich selbst sehr lange DNA-Abschnitte in einem Durchgang ablesen lassen. Diese Methode war auch schon für die lückenlose Entschlüsselung der menschlichen Chromosomen verwendet worden. Anschließend verglichen Makova und ihre Kollegen die gesammelten DNA-Daten sowohl unter den Affenarten als auch mit ihren menschlichen Gegenparts.

Überraschungen beim Y-Chromosom

Das Ergebnis: Während das X-Chromosom über die verschiedenen Primaten-Spezies hinweg sehr ähnlich ausfiel, unterliegt das Y-Chromosom offenbar großen artspezifischen Unterschieden, wie das Team berichtet. So haben Mensch und Affe zwar über 90 Prozent der Sequenzen ihres X-Chromosoms gemeinsam, aber nur 14 bis 27 Prozent ihres männlichen Geschlechtschromosoms. Ursächlich dafür sind demnach die großen, sich wiederholenden DNA-Bereiche, die das Y-Chromosom bei Primaten prägen. Die Wiederholungen beeinflussen unter anderem dessen Länge. Beim Siamang umfasst der genetische Code des Y-Chromosoms zum Beispiel 68 Millionen Buchstaben, beim Sumatra-Orang-Utan sind es mit 30 Millionen DNA-Buchstaben gerade einmal halb so viele, wie die Forschenden herausgefunden haben.

„Das Ausmaß der Unterschiede zwischen den Y-Chromosomen dieser Arten war sehr überraschend“, sagt Makova. „Einige dieser Arten haben sich erst vor sieben Millionen Jahren von der menschlichen Abstammungslinie getrennt, was im Hinblick auf die Evolution nicht viel Zeit ist. Dies zeigt, dass sich die Y-Chromosomen sehr schnell weiterentwickeln.“ Der Grund: Die DNA des männlichen Geschlechtschromosoms muss für die Spermienproduktion sehr häufig kopiert werden, wobei es zu Fehlern kommen kann, die schließlich die Sequenz verändern.

In Zukunft könnten die genetischen Informationen unserer nächsten Verwandten dabei helfen, unsere eigene Evolution besser zu verstehen und außerdem die Ursachen einiger typisch menschlicher Krankheiten zu erschließen. Und: „Wir können das, was wir über ihre Genome und die menschlichen Genome wissen, auch anwenden, um die Biologie und Fortpflanzung dieser gefährdeten Arten besser zu verstehen“, erklärt Makova.

Quelle: Kateryna Makova (Pennsylvania State University, University Park) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07473-2 

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