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#„Es wächst eine Generation von Narzissten heran“

„Es wächst eine Generation von Narzissten heran“

Frau Berg, Sie sind Wirtschaftsingenieurin, Beraterin für Führungskräfteentwicklung und haben mit fünf weiteren Forschern eine Studie über Narzissmus in Führungsetagen mit dem Titel „Die Jungbullen kommen“ vorgelegt. Dass Narzissten manipulieren, intrigieren, nach außen glänzen und von anderen gefeiert werden wollen, ist gut untersucht. Was gab es noch zu erforschen?

Ursprünglich interessierten wir uns für das Thema Female Empowerment. Wenn man dazu forscht, wie es gelingen kann, Frauen zu bestärken, auch in Führungspositionen mit Männern gleichzuziehen, kommt man rasch zum damit eng verknüpften Phänomen Narzissmus. Einen breiten Überblick über Narzissmus in deutschen Unternehmen und vor allem in Führungsetagen gab es bisher nicht. Wir haben uns ganz bewusst auf den subklinischen Narzissmus konzentriert – im Gegensatz zu klinischem Narzissmus ist er noch nicht krankhaft.

Wie viele Personen haben an Ihrer repräsentativen Befragung teilgenommen?

Unsere im „Harvard Business Manager“ er­schienene Untersuchung ist eine der größten empirischen Einzelstudien zum Thema. Wir haben von Mai bis November 2020 rund 10.000 Männer und Frauen in Deutschland quer durch die Alters- und Hierarchiestufen befragt. Von den 2500 Führungskräften darin waren 736 Managerinnen und Manager auf Vorstandsebene.

Nach vielen bisherigen Studien gelten ältere Männer als besonders narzisstisch. Fanden Sie das bestätigt?

Nur teilweise. Denn zunächst waren wir überrascht, dass gerade junge Männer und auch Frauen um die 30 Jahre die höchsten narzisstischen Werte haben. Die Ausprägung nimmt mit fortschreitendem Alter ab. Unterscheidet man aber die Unternehmensebenen, stellt man fest, dass mit steigendem Hierarchielevel auch der Narzissmus zunimmt – und hier sind dann doch vor allem Männer auffällig.

Victoria Berg ist Mitautorin der Studie „Die Jungbullen kommen“.


Victoria Berg ist Mitautorin der Studie „Die Jungbullen kommen“.
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Bild: HHU

Liegt das daran, dass Frauen in Führungsetagen unterrepräsentiert sind?

Unter den Frauen in den Top-Etagen finden sich durchaus sehr ausgeprägt narzisstische Managerinnen. Aber es gibt deutlich mehr Frauen, die es mit geringen Narzissmuswerten dorthin schafften.

Ist Narzissmus nicht sogar eine Voraussetzung, um es nach oben zu schaffen?

Wir wissen aus der aktuellen Literatur, dass die Wahrscheinlichkeit, Führungskraft zu werden, proportional mit dem Narzissmuswert steigt. Das Problem ist, dass sich der steigende Narzissmus dann aber schnell als dysfunktional erweist, er steht guter Führung im Weg. Durch die intrigante, manipulative Weise werden zum Beispiel Teammitglieder gegeneinander ausgespielt. Oft wandern dann ausgerechnet die besten Leute ab.

Sie haben erschreckend hohe Narzissmus-Werte bei Ihrer eigenen Altersgruppe, den Dreißigjährigen, gemessen. Wächst da eine narzisstische Generation heran?

Das kann man so sagen. Auch aktuelle Studien aus Amerika bestätigen das. Verstärkt wird das alles noch durch die immer weiter ausufernde Bewertungsmanie in den sozialen Medien, die permanente Selbstdarstellung und Selbstoptimierung.

Was ist zu tun im Umgang mit den von Ihnen so genannten Jungbullen?

Die Gesellschaft muss sich allgemein auf eine sehr narzisstische Generation einstellen. Unternehmen im Speziellen sollten ihre Führungsbilder und Beförderungs­kriterien überdenken und ihre Unternehmenskultur pflegen. Bereits im Auswahlprozess sollte bewusster auf Charaktereigenschaften, Werte oder Verhaltensweisen der Bewerberinnen und Bewerber geachtet werden. Im Arbeitsalltag ist kontinuierliches Feedback ein wichtiges Instrument, um etwa den Narzissten zu entlarven, der sich permanent mit fremden Federn schmückt. Natürlich sind auch für Narzissten Chancen auf Veränderung nur fair. Ganz wichtig sind gesunde Führungsvorbilder, an denen wir uns orientieren und wachsen können.

Männer und Frauen, die von der „dunklen Triade“ der Persönlichkeitsmerkmale – Narzissmus, Machiavellismus, Psycho­pathie – geprägt sind, haben trotz sozialer Unverträglichkeit oft Erfolg im Job und schaffen es bis in die Führungsetagen. Verweist das nicht darauf, dass in einem dies offensichtlich fördernden Unternehmenssystem viel schiefläuft?

Eine sehr wichtige Frage. Gerade weil eine Generation von Narzissten heranwächst, sollten Unternehmen dringend definieren, für welche Art der Führung sie stehen wollen. Viele stellen sich eine erfolgreiche Unternehmenspersönlichkeit immer noch als männlich-dominante Alphaperson vor, laut, stark, risikobereit und bestimmend. Das gilt es dringend zu hinterfragen. Aber in vielen Unternehmen werden statt Empathie und Engagement individueller Wettbewerb und Machtstreben belohnt, was Narzissten den Weg nach oben ebnet und dieses Verhalten sogar belohnt.

Wie gefährlich können Narzissten in Nadelstreifen für Unternehmen werden?

Sehr gefährlich, vor allem, je höher die Ausprägung ist und wie sehr narzisstisches Verhalten gefördert wird. Die Unternehmenskultur kann toxisch werden, es kommt zu Fehlentscheidungen. Weil Narzissten in einer ständigen Ambivalenz der Extreme zwischen Größenwahn und hochgradigem Minderwertigkeitsgefühl leben und ihr überhöhtes Selbstbild um jeden Preis erhalten wollen, entscheiden sie im Zweifel zu ihren Gunsten und nicht zugunsten des Unternehmens oder Teams.

Derzeit schreiben Sie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Ihre Dissertation. Zu welchem Thema?

Ich untersuche aktuell, wie schädlich oder vielleicht auch hilfreich Narzissmus bei Gründerinnen und Gründern ist.

Muss man nicht ein Jungbulle sein, um ein Start-up auf die Beine zu stellen?

Ich kann noch nicht zu viel verraten, weil die Ergebnisse bisher nicht veröffentlicht sind. Es ist aber sehr spannend zu sehen, wie Narzissmus und der erste Erfolg oder vielleicht auch Misserfolg von Gründerinnen und Gründern zusammenspielen.

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