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#Es werde Moor

„Es werde Moor“

„Hier findet typische Bewirtschaftung statt: Die Umsetzung von Gras in Proteine“, sagt Jens Winter. Wir stehen am Rande einer Wiese, darauf Kühe mit Kälbern. Ringsum flaches, weites Grünland. Typisch für das Rhinluch, die zweitgrößte Moorlandschaft Brandenburgs. „Luch“ ist die traditionelle örtliche Bezeichnung für ausgedehnte vermoorte Niederungen. Durch das Gebiet fließt der Rhin, der im Westen in die Havel mündet. Die Kühe fressen, käuen wieder, ruhen. Umsetzung von Gras in Proteine. Ein friedliches Bild.

„Aber können wir uns diese Form der Moornutzung als Gesellschaft noch leisten?“ Anje Marten blickt nachdenklich zu den grasenden Eiweißproduzenten. Die Tiere gehören zur Rhinmilch Agrargesellschaft. Jens Winter ist Prokurist der Muttergesellschaft. Rund 80 Mitarbeiter hat der Rhinmilchverbund mit Sitz in Fehrbellin im brandenburgischen Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Die Geschäftsfelder: Milchproduktion und Mutterkuhhaltung, traditioneller und ökologischer Ackerbau sowie Energieproduktion – Biogas und Photovoltaik. Winter, 60 Jahre alt, hat fast sein ganzes Berufsleben in der Landwirtschaft im Rhinluch gearbeitet. Anje Marten, 45 Jahre alt, ist erst seit Kurzem vor Ort. Seit April leitet die Wasserbauingenieurin vom Landesamt für Umwelt im Rhinluch ein Moorprojekt.

Auf insgesamt 750 Hektar großen Demonstrationsflächen im Rhinluch und zwei weiteren Moorgebieten im nördlichen Brandenburg sollen Methoden, Techniken und Verwertungslinien für die Bewirtschaftung nasser Moorböden – die sogenannte Paludikultur – entwickelt und aufgebaut werden. Denn trockengelegte Moore wieder unter Wasser zu setzen kann einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wo jetzt Kühe weiden oder Grünfutter für die Tierhaltung angebaut wird, sollen demnächst Pflanzenarten wie Schilf, Seggen oder Rohrglanzgras wachsen.

Für Jens Winter ist die Zukunft des Moores eine Frage der Existenz. Für Anje Marten ein spannendes Forschungsprojekt.


Für Jens Winter ist die Zukunft des Moores eine Frage der Existenz. Für Anje Marten ein spannendes Forschungsprojekt.
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Bild: Julia Zimmermann

Landschaft und Landwirtschaft im Rhinluch stehen also vor einer enormen Transformation. Für Anje Marten ein spannendes Forschungsprojekt. Für Jens Winter eine Frage der Existenz. Im Rhinmilchverbund wird derzeit zwar nur ein Bruchteil der landwirtschaftlichen Flächen moorschonend bewirtschaftet: rund 270 von knapp 3800 Hektar. „Aber der Anspruch der Gesellschaft an die Landwirtschaft – geht es um Nahrung, Energie oder Landschaftspflege – ist ungewiss.“

Viele Landwirte in Sorge

Der Rhinmlich-Prokurist beteiligt sich mit gemischten Gefühlen an dem Vorhaben. Zum Mitmachen habe ihn seine „Affinität zum Wasser“ bewogen, erzählt er. Winter kann bis zur letzten Eiszeit Auskunft über das Rhinluch geben. Vor etwa 11.000 Jahren ist das Moor entstanden. Jahrhundertelang wurde es dann entwässert. Aber der Torfabbau ist lange vorbei. Heutzutage ist das Rhinluch auch Tourismusgebiet, vor allem im Herbst, wenn sich Tausende von Kranichen zu ihrem Flug in die Winterquartiere sammeln. Ein beeindruckendes Spektakel, zu dem Ornithologen mit großen Teleobjektiven anreisen. Aber Haupteinkommensquelle ist nun einmal die Landwirtschaft.

„Nicht nur der Ukrainekrieg zeigt uns doch, wie wichtig es ist, die Produktionsgrundlage Boden zu sichern“, sagt Winter. Was kann, was soll Landwirtschaft künftig leisten? Das ist die Frage, die ihn umtreibt. „Für einen Großteil der tierischen Produkte dürfte es in 20 Jahren Ersatzprodukte geben“, prophezeit er. Vermutlich werde sich dann nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung „echtes“ Fleisch und „echte“ Kuhmilch leisten können. „Das wird Folgen für unsere Landwirtschaft haben.“ Also müsse man neue Wege erproben.

Ob die Moorbewirtschaftung zukunftsweisend sein kann, daran hat Winter jedoch Zweifel. Reichen die Niederschläge, gibt es genügend Wasser, um den Grundwasserspiegel großflächig und dauerhaft anzuheben? Lassen sich die moorigen Flächen tatsächlich bewirtschaften – und zwar so, dass sich der Aufwand lohnt? Winters Fragen spiegeln Sorgen, die vielen Landwirten zu schaffen machen. Schließlich sind es ihre Flächen und damit ihre Existenzgrundlage, die für die gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Klima- und Naturschutzes gebraucht werden. „Das finanzielle Risiko darf nicht den Landwirten überlassen werden“, fordert Winter. „Denn die Wiedervernässung von Moorflächen ist eine politische Entscheidung.“

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