Streaming

#Ethan Hawke brilliert als Genie, dessen Leben an nur einem Abend ruiniert wird: Blue Moon ist definitiv kein gewöhnliches Biopic

Richard Linklater und Ethan Hawke sind eine perfekte Kombination aus Regisseur und Schauspieler. Das stellen die beiden auch in ihrem neuen Film Blue Moon auf der Berlinale unter Beweis.

Acht Filme haben Richard Linklater und Ethan Hawke gemeinsam umgesetzt, vom Jahrzehnte umspannenden Meisterwerk Boyhood bis zur Before-Trilogie, bei der Julie Delpy als dritter wichtiger Name nicht vergessen werden darf. Die Arbeitsbeziehung zwischen Linklater und Hawke ist in den vergangenen drei Dekaden jedoch deutlich weiter gewachsen und geht nun in die nächste Runde.

Mit Blue Moon feiert die neunte Kollaboration des unzertrennlichen Regie-Schauspiel-Gespanns auf der Berlinale 2025 ihre Premiere. Es ist einer der am meisten erwarteten Filme des Festivals. Nicht zuletzt gehören Linklater und Hawke in den Kreis der Berlinale-Stammgäste, die das Festival regelmäßig mit ihren Werken beehren. Das ändert sich auch unter der Leitung der neuen Direktorin Tricia Tuttle nicht.

Blue Moon auf der Berlinale: Richard Linklater & Ethan Hawke erwecken Broadway-Genie zum Leben

Auf den ersten Blick wirkt Blue Moon wie ein Berlinale-Blockbuster. Große Namen vor und hinter der Kamera, ganz zu schweigen von einem Broadway-Genie im Mittelpunkt der Handlung. Erzählt wird von Liedtexter Lorenz Hart, der hinter zeitlosen Klassikern wie My Funny Valentine, The Lady Is a Tramp und dem titelgebenden Blue Moon steckt. Ein episches Biopic à la Maestro ist Blue Moon allerdings nicht geworden.

Linklater präsentiert ein pointiertes wie berührendes Kammerspiel, das am Abend der Premierenfeier des Musicals Oklahoma! angesiedelt ist und sich nicht selten wie die Verfilmung eines Theaterstücks anfühlt. Tatsächlich basiert Blue Moon aber auf einer Idee des Schriftstellers Robert Kaplow, der im Linklater-Kosmos kein Unbekannter ist. Er schrieb den Roman Ich & Orson Welles, den Linklater 2008 adaptierte.

Ein Abend genügt Kaplow, um das gesamte Leben von Lorenz Hart vor uns auszubreiten. Natürlich erfahren wir in dieser kurzen Zeitspanne nicht jedes Detail über seinen Werdegang. Genau das ist aber einer der großen Reize der Herangehensweise. Selbst wenn ihr noch nie von Hart und Oklahoma! gehört habt: Kaplow arbeitet in seinem Künstlerporträt präzise die Essenz seines Protagonisten heraus.

  • Zum Weiterlesen: Starker Berlinale-Film mit Benedict Cumerbatch

20 Jahre lang arbeitete Lorenz Hart mit dem Komponisten Richard Rodgers zusammen, bevor ausgerechnet das erste Musical, das Rodgers mit Oscar Hammerstein schrieb, zur ultimativen Broadway-Sensation avancierte. Oklahaoma! mag in Deutschland nicht so bekannt sein. In den USA ist es jedoch seit seiner Uraufführung nicht mehr aus der Popkultur und erst recht nicht von Schultheaterbühnen wegzudenken.

In Blue Moon will man kein Wort verpassen, das Ethan Hawke als Lorenz Hart über die Lippen geht

Kein Wunder, dass der von Hawke gespielte Hart am Abend des 31. März 1943 mit gemischten Gefühlen bei der Premierenfeier auftaucht, wobei gemischte Gefühle untertrieben ist. In seinem tiefsten Inneren brodeln Verbitterung und Verzweiflung ob des Erfolgs seines Ex-Partners. Oklahoma! ist in seinen Augen ein niederträchtiges Machwerk, das sich dem Publikum anbiedert und ein verklärtes Amerika zeigt.

Kaum läuft er Rodgers (Andrew Scott) und Hammerstein (Simon Delaney) über den Weg, zeigt sich Hart dennoch voll des Lobes und stimmt in die positiven Reviews ein, die im Minutentakt eintreffen. Am liebsten würde Hart mit Rodgers ein Marco Polo-Epos auf die Bühne bringen. Der aber ist nur an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert, wenn es um ein Revival des 16 Jahre alten Broadway-Hits A Connecticut Yankee geht.

In Harts Reden, der zwischen verblümten Worten und der brutalen Wahrheit schwankt, eröffnet Kaplow einen Dialog über Kunst, der von Linklater mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wird. Die zurückgenommene Inszenierung will jeder einzelnen Textzeile ihren gebührenden Raum gewähren, genauso wie den Schauspielenden, die diese aus der aufgewühlten Seele ihrer Figuren heraus argumentieren – allen voran Hawke.

  • Noch ein Berlinale-Tipp: Hot Milk mit Emma Mackey und Fiona Shaw

Wie verwirklicht man sich als Kunstschaffender? Wo geht man Kompromisse ein? Und wann merkt man, ob die eigene Stimme noch durch die Arbeit dringt? In Harts Kopf rasen die Gedanken schneller, als er sie formulieren kann. Jedes Gespräch bringt neue Ideen für wunderschön aneinandergereihte Wörter hervor, die er womöglich niemals zu Papier bringen wird, weil ihn innerlich etwas ganz anderes plagt: unerfüllte Liebe.

Auf den Spuren von Casablanca: In Blue Moon kollidieren Liebe und Freundschaft auf schmerzliche Weise

Dass Hart nicht mehr der hell leuchtende Stern am Broadway-Himmel ist, der er einst war, beschäftigt ihn nur halb so viel wie die Ankunft von Elizabeth Weinland (Margaret Qualley). Gegenüber dem Barkeeper (Bobby Cannavale), einem seiner wenigen Verbündeten an diesem Ort, kommt er gar nicht aus dem Schwärmen heraus. Schnell ist jedoch klar, dass Elizabeth in ihm nicht dasselbe sieht. Für sie ist er nur ein Freund.

Die Tragik dieser unerfüllten Liebe rahmt Linklater in einen 100-minütigen Countdown, der sich in Echtzeit vor unseren Augen abspielt. Hart redet sich um Kopf und Kragen, weil er insgeheim weiß, was ihn am Ende des Abends erwartet. Nicht umsonst zitiert er mehrmals einen der tragischsten Liebesfilme überhaupt: Casablanca. Linklater übernimmt in seiner Inszenierung sogar eine entscheidende Dynamik aus dem Meisterwerk.

Genauso wie in Casablanca finden wir uns in Blue Moon über große Teile in einer Bar ein, in der verlorene Menschen zusammenkommen. Ein Krieg tobt im Hintergrund und die Gefühle werden überspitzt vorgetragen. Doch egal wie bissig, zynisch und humorvoll die Figuren auf ihre Anekdoten reagieren: Nach und nach dringt etwas dermaßen Verletzliches an die Oberfläche, dem man sich nicht entziehen kann.

  • Bald im Kino: Auch der Bob Dylan-Film begeistert auf der Berlinale

Blue Moon wirkt zwischenzeitlich federleicht und unbeschwert. Es ist eine große Freude, Hawke dabei zuzusehen, wie er sich in diese Rolle steigert, die ihm so viele Möglichkeiten bietet, sein Können unter Beweis zu stellen. Elegant wie eindringlich jongliert er Kaplows Worte und bestimmt damit den kompletten Rhythmus des Films. Irgendwann übernimmt in Harts Stimme allerdings ein Zittern, als würde er augenblicklich zerbrechen.

Blue Moon hat eine ärgerliche Schwäche: Der Film tut sich mit seinen digitalen Bildern keinen Gefallen

Linklater beobachtet jede Regung und arbeitet gekonnt einzelne Highlight-Momente aus dem Drehbuch heraus, die Hawke eine riesige Bühne geben, um sich zu entfalten. Zu schade, dass die digitalen Bilder keine räumliche Tiefe zulassen, damit wir ebenfalls in diesen vom übrigen Trubel in New York abgeschiedenen Ort eintauchen können. Zu flach, zu blass – das nimmt tatsächlich viel von der Atmosphäre.

Blue Moon besitzt wenig Gespür für den Dunst im Raum, die gedimmten Lichter im Hintergrund und die Bezüge der Sitzgelegenheiten. Selbst wenn Hawke auf den Tresen trommelt, antwortet dieser mit Teilnahmslosigkeit zurück. So stark und ungewöhnlich der Film in seiner Konzeption, seinem Drehbuch und dem Schauspiel ist – auf visueller Ebene schleicht sich zu oft der Verdacht eines abgefilmten Theaterstücks ein.

Wir haben Blue Moon im Rahmen der Berlinale 2025 gesehen. Bisher hat der Film leider noch keinen deutschen Kinostart.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Streaming kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!