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#Etwas Wahnsinn gehört schon dazu

Etwas Wahnsinn gehört schon dazu

Das vielleicht Überraschendste am Interview von Oprah Winfrey mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Barack Obama zu seinem neuen Buch „A Promised Land“, einer zweibändigen Autobiographie, ist das Gefühl, eine Zeitreise in eine ganz und gar altmodische politische Landschaft zu unternehmen. Darin führt ein Mann voller Zuversicht, aber auch voller Selbstzweifel, die Vereinigten Staaten, und während er die schwersten Entscheidungen seiner Amtszeit trifft – den Umgang mit dem Bankenkollaps von 2008, die Reaktion auf den Amoklauf in einer Grundschule in Sandy Hook, die Entscheidung über den Zugriff auf Usama Bin Ladin –, hinterfragt er immer wieder sein eigenes Urteil. So zumindest stellt sich das in dem Gespräch dar, das auf Apples Fernsehplattform Apple plus zu sehen ist.

„Eine meisterliche Bestandsaufnahme Ihrer Präsidentschaft und Ihres Lebens!“, sagt Winfrey zu Beginn, und dass dies keine kritische Auseinandersetzung mit Obamas politischer Karriere sein würde, war zu erwarten. Winfrey fungiert seit langem als Beichtmutter, die alten Freunden tief in die Seele zu blicken hofft. Und in einem Moment, in dem Amerika der Auseinandersetzung so schrecklich müde ist, scheint es opportun, Helden zu beschwören.

Ein Mensch, mit Zweifeln, Ängsten, Frustrationen

Dankenswerterweise ist Obama selbstkritisch. „Ich wollte, dass die Menschen fühlen können, wie es ist, das höchste Amt im Land zu bekleiden“, sagt er über sein Buch, „aber ich bin ja ein Mensch, mit Zweifeln, Ängsten, Frustrationen, jemand, der Fehler macht.“ Es sei naiv gewesen, zu denken, dass sich gute Politik von selbst verkauft. Und er habe nicht erkannt, dass die Entfesselung tiefsitzender Ressentiments durch die Vizepräsidentschaftskandidatin seines Wahlkampfgegners John McCain, Sarah Palin, „Herz und Seele der republikanischen Partei werden würde“.

Natürlich geht es hier um Obamas frühe Konfrontation mit Donald Trump, der 2011 aus dem Gerücht, Obama sei gar kein gebürtiger Amerikaner und damit illegalerweise Präsident, politisches Kapital schlug, das zur Grundlage seiner eigenen Präsidentschaftskampagne werden sollte. Ja, sagt Obama, das habe ihn angefasst, aber nicht aus persönlichen Gründen – „ich hatte mir damals bereits eine ziemlich dicke Haut zugelegt“. Vielmehr sei dies „das Einzige, wofür sich das Pressekorps im Weißen Haus interessierte“, gewesen, „obwohl wir wirklich wichtigere und sehr ernste Probleme zu lösen haben“.

Um Trump geht es ansonsten erfreulich wenig. Die Präsidentenwahl habe gezeigt, dass die Nation weiter auseinanderdrifte, sagt Obama, „in uralten Fragen nach Ethnie, nach Geschlecht, danach, wer zu Amerika gehört und wer nicht“. Mit einer Wahl sei es nicht getan. Die Gräben müssten nicht nur durch den Präsidenten, sondern auch in der zivilen Gesellschaft überwunden werden. Man müsse wieder zwischen politischen Kontroversen und der Dämonisierung des Gegners unterscheiden. Und man dürfe nicht weiter „hinnehmen, dass Politiker sich über Normen und Regeln hinwegsetzen, die festhalten, wie diese Demokratie funktionieren soll“.

Wir mussten die Erwartungen übertreffen

Ob man ihn an anderen Standards gemessen habe, will Winfrey wissen, aber Obama schlägt die Vorlage aus, sich mit Trump zu vergleichen. „Michelle und ich fühlten uns einem höheren Standard verpflichtet. Wir mussten die Erwartungen übertreffen, weil wir die Ersten waren. Wir sahen nicht aus wie die Vergangenheit, also würden die Leute genauer hinschauen.“ Seine Ehefrau, die von seinen politischen Ambitionen und den damit verbundenen Konsequenzen keineswegs begeistert war, ist im Buch sein Spiegel. „Warum setzte ich sie all dem aus – ist es Eitelkeit?“, heißt es da. „Will ich mich einem Vater gegenüber beweisen, der mich im Stich ließ? Die hohen Ansprüche meiner Mutter erfüllen? Die Selbstzweifel eines ethnisch gemischten Kindes auflösen?“ Obama gesteht, dass „mit der amerikanischen Präsidentschaft zu liebäugeln, einen gewissen Grad von Megalomanie, von Wahnsinn voraussetzt“. Was positiv gewendet bedeute: „Was bleibt, ist die eigene Einschätzung davon, wie viel Gutes man tun konnte.“

Was es mit dem Buchtitel auf sich hat, mit dem „gelobten Land“? Er begreife sich als Vereinigung verschiedener Strömungen, wie Amerika selbst: „Das Herz der amerikanischen Erfahrung ist, dass all diese Einzelteile zu einem Ganzen werden können, wenn wir uns respektieren, zusammenarbeiten, einander tolerieren“ – auch wenn diese Vision immer wieder betrogen werde. Hinter dem Bemühen, Amerika zu einen, stecke auch sein persönliches Bestreben, sich selbst zusammenzufügen.

Als erster afroamerikanischer Präsident hat Obama Geschichte geschrieben. Seine Autobiographie, deren erster Band siebenhundert Seiten umfasst, ist von dem Bewusstsein dessen getragen. Vielleicht kann sein Bekenntnis zu Selbstzweifeln, Ängsten und Eitelkeiten helfen, die großen Erwartungen an Joe Biden und Kamala Harris ebenso wie deren Selbstwahrnehmung als Retter der Nation auf menschliches Maß zu bringen. Die vielbeschworene Heilung der Nation müsse mit einer Dosis Demut beginnen, hält der Sozialpsychologe Jonathan Haidt von der New York University fest.

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