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#Extreme Hitze beschleunigt die Alterung

Wenn es im Sommer lange heiß ist, hat der ein oder andere schon einmal mit Schlafproblemen, Schwindel und Kopfschmerzen zu kämpfen. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu einem gefährlichen Hitzeschlag kommen. Doch neben solchen unmittelbar spürbaren Folgen von Hitze beeinflusst diese unseren Körper auch langfristig, wie Forscherinnen nun herausgefunden haben. Demnach können längere Perioden extremer Hitze Menschen ab 56 schneller altern lassen – zum Teil über ein Jahr.

Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Sommer hierzulande klimawandelbedingt immer heißer werden. Das hat auch Folgen für unsere Gesundheit. Zum Beispiel kann bei extremer, langanhaltender Hitze unser körpereigenes Kühlsystem an seine Grenzen kommen, wodurch Kreislaufprobleme wie Schwindel und Kopfschmerzen auftreten können. Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen belastet die Hitze dabei besonders stark und kann bei ihnen im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen. So verstarben in den beiden Hitzesommern 2018 und 2019 in Deutschland insgesamt etwa 15.600 Menschen an den Folgen einer Hitzebelastung.

Hängen Hitze und vorzeitige Alterung zusammen?

Doch neben diesen unmittelbaren Folgen kann uns Hitze auch langfristig schaden, wie Eunyoung Choi und Jennifer Ailshire von der University of Southern California nun herausgefunden haben. Konkret untersuchten die beiden Forscherinnen, ob längere Perioden extremer Hitze uns schneller altern lassen. Dafür analysierten sie Blutproben von über 3.600 repräsentativ ausgewählten US-amerikanischen Erwachsenen im Alter von über 56 Jahren auf mögliche epigenetische Veränderungen im Erbgut. Dabei handelt es sich um chemische Anhänge an der DNA, die das Ablesen der Gene beeinflussen und die anders als die Gene selbst auch durch äußere Einflüsse wie Stress, Krankheit, Ernährung oder eben Temperatur veränderbar sind.

Weil sich das individuelle Muster dieser Anhänge, die sogenannte Methylierung der DNA, im Laufe des Lebens verändert, kann sie auch das biologische Alter einer Person und ihrer Organe verraten. Dieses epigenetische Alter kann von dem chronologischen Alter abweichen, das auf dem Geburtsdatum beruht. Jemand, der laut Geburtsurkunde 45 Jahre alt ist, kann also zum Beispiel aufgrund verschiedener Erkrankungen bereits den Körper eines 48-Jährigen haben.

In ihrer Studie ermittelten die Forscherinnen zunächst das biologische Alter der Teilnehmer und untersuchten dann, ob diese Personen in den sechs Jahren vor der Blutabnahme an ihrem Wohnort extreme Hitze erlebt hatten. Einen Hitzetag definierten Choi und Ailshire dabei anhand des sogenannten Hitzeindex, der neben der reinen Temperatur auch die Luftfeuchtigkeit miteinbezieht. Dadurch entstehen drei Stufen, die in der Studie allesamt als Hitzetage gewertet wurden: Die Stufe „Vorsicht“ umfasst Hitzeindexwerte von 27 bis 32 Grad, „Extreme Vorsicht“ reicht von 32 bis 39 Grad und „Gefahr“ von 39 bis 51 Grad.

Je mehr Hitzetage, desto höher das biologische Alter

„Unsere Ergebnisse zeigen signifikante Zusammenhänge zwischen mehr Hitzetagen und beschleunigter epigenetischer Alterung, insbesondere für längerfristige Zeiträume“, berichten die Forscherinnen. Waren die Testpersonen in den sechs Jahren vor der Blutabnahme vielen Hitzetagen ausgesetzt, wirkte sich das sogar überraschend deutlich auf ihr biologisches Alter aus, wie Choi erklärt: „Teilnehmer, die in Gebieten leben, in denen die Hälfte des Jahres Hitzetage mit extremer Vorsicht oder mehr (über 32 Grad) auftreten, wie zum Beispiel in Phoenix, Arizona, erlebten bis zu 14 Monate zusätzlicher biologischer Alterung im Vergleich zu denen, die in Gebieten mit weniger als zehn Hitzetagen pro Jahr leben.“ Diese Korrelation blieb auch dann noch bestehen, wenn man andere Faktoren wie Einkommen, Ethnie und Lebensstil berücksichtigte.

Der Zusammenhang zwischen Hitzetagen und beschleunigter Alterung zeigte sich sogar bereits nach relativ kurzen Zeiträumen von sieben Tagen beziehungsweise ein bis zwei Monaten, wie Choi und Ailshire feststellten. Allerdings fiel das Ausmaß vorzeitiger Alterung dann deutlich geringer aus als bei längeren Zeiträumen. Das deutet nach Einschätzung der Forscherinnen darauf hin, dass hitzebedingte epigenetische Veränderungen relativ schnell eintreten und sich im Laufe der Zeit anhäufen können.

Hitze befeuert Entzündungen

Wie genau Hitze zu vorzeitiger Alterung führt, haben Choi und Ailshire zwar nicht untersucht. Aber frühere Studien an Mäusen haben gezeigt, dass übermäßige Hitze zu einer Hypermethylierung in DNA-Bereichen führt, die mit Stressreaktionen, der Skelettmuskulatur und der Unterdrückung des Immunsystems in Verbindung stehen. Solche Veränderungen können körpereigene Entzündungsreaktionen befeuern, die wiederum die Alterung beschleunigen.

„Darüber hinaus kann der Aufenthalt in einem Gebiet mit lang anhaltender Hitze die psychosoziale Situation und das Gesundheitsverhalten einer Person beeinflussen, die eng mit dem Altern zusammenhängen. So kann eine anhaltende Exposition gegenüber hohen Temperaturen Stress und Unruhe aufgrund von häufigen Schlafstörungen und körperlichem Unwohlsein verstärken und die allgemeine körperliche Aktivität verringern, was alles zu einer schnelleren Verschlechterung der Gesundheit im Alter beitragen kann“, erklären die Forscherinnen.

Bessere Städteplanung nötig

Da in der Studie ausschließlich ältere Erwachsene untersucht wurden, ist noch unklar, wie sich Hitze auf die Alterung von Menschen unter 56 auswirkt. Insgesamt würde es aber zumindest nicht schaden, wenn die Architektur der Städte insgesamt so optimiert würde, dass sie Menschen besser vor Hitze schützt. Ailshire schweben in diesem Zusammenhang zum Beispiel mehr Grünflächen und schattenspendende Elemente vor. Eine solche Umgestaltung sei vor allem vor dem Hintergrund des voranschreitenden Klima- und demografischen Wandels unabdingbar. „Wenn es überall wärmer wird und die Bevölkerung altert und diese Menschen anfällig sind, dann müssen wir wirklich sehr viel klüger mit diesen Schutzstrategien umgehen“, sagt Ailshire.

Quelle: Eunyoung Choi & Jennifer Ailshire (University of Southern California), Science Advances,
doi: 10.1126/sciadv.adr0616 

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