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#Extremisten und Amateure: Was unsere Demokratie gefährdet

Extremisten und Amateure: Was unsere Demokratie gefährdet

Manchmal vergessen wir, dass unsere Demokratie nicht nur von Extremisten gefährdet wird. Auch Demokraten mit guten Absichten können Fehler machen und versehentlich jene Werte verletzen, die sie eigentlich schützen wollten. Das passiert immer wieder. Fehler dieser Art sind besonders und ausgerechnet dann zu beobachten, wenn es um die Abwehr von echten oder vermeintlichen Extremisten geht.

Wenn in einer wehrhaften Demokratie wie Deutschland jemand Extremisten entdeckt, gibt es einen guten Abwehrreflex. Zum Repertoire gehören Sondersendungen, Verfassungsschutzberichte, Innenministerkonferenzen und Demonstrationen. So geschah es in den vergangenen Tagen. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg begann mit der Beobachtung der Querdenker-Bewegung. Die Innenminister der anderen Bundesländer sprachen darüber, ob das auch bundesweit geschehen solle. Nicht, weil Querdenker etwas gegen die Corona-Maßnahmen haben, sondern weil unter ihnen Reichsbürger sind, die die Bundesrepublik abschaffen wollen. Was passiert, wenn die Demokratie nicht auf diese Weise wehrhaft ist, das haben unsere Vorfahren in der Weimarer Republik ausprobiert. Am Ende waren rund 80 Millionen Menschen tot.

Nicht alle reden wie Doktoranden

Aber es gibt auch ganz andere Situationen, in denen es zu Abwehrreaktionen kommt, die der Demokratie eher schaden. Es gibt Menschen in diesem Land, die nicht über Politik reden wie Doktoranden in einem Kolloquium. Es sind Menschen, die vielleicht gar nicht wissen, was ein Kolloquium ist, und denen das Glossar des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht geläufig ist, weil sie gar nicht wissen, dass das Bundesamt ein Glossar führt, in dem steht, was Extremismus ist und was nicht. Sie sind nicht notwendigerweise ungebildet, ihnen fehlt nur die Übung in der politischen Debatte. Diesen Menschen wird oft unrecht getan. Sie werden vorgeführt.

Niemand sollte schlauer tun, als er ist. Auch bei politologischen Halbgöttern entsteht die Meinung oft aus einer Intuition. Sie spüren, dass ein Politiker überzieht, wenn er einen halbjährigen Radikal-Lockdown fordert. Der Profi sagt dann: Nach der Rechtsprechung müssen Verordnungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Das ist der ganz feine Ton. Der Amateur sagt einfach: Diese Politiker haben sie wohl nicht mehr alle! Der Profi notiert stumm: Populist.

Gesellschaftliche Eskalation: Die Polizei setzt am 14. November Wasserwerfer gegen Gegner einer „Querdenker“-Demonstration in Frankfurt ein.


Gesellschaftliche Eskalation: Die Polizei setzt am 14. November Wasserwerfer gegen Gegner einer „Querdenker“-Demonstration in Frankfurt ein.
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Bild: dpa

Wer ohne Übung über Politik redet, landet schneller im Extremismus, als er meint. Tolle Aktion im Dannenröder Forst, finden Sie? Implizite Delegitimation von Parlament und Gerichten, Billigung des Angriffs auf das Gewaltmonopol des Staates, Liebäugelei mit dem Linksextremismus. Die Flüchtlinge können bald wieder weg, meinen Sie? Aufruf zu einer Willkürmaßnahme gegen eine ethnisch definierte Gruppe, Volksverhetzung, Paragraph 130 Strafgesetzbuch. Bitte schon mal den Namen für den Verfassungsschutzbericht buchstabieren.

Geschliffene hier, Ungehobelte da

Einem Profi passiert das nicht. Er kennt sich aus. Er sagt: Auch wenn die Urteile zum Ausbau der Autobahn 49 respektiert werden müssen, setzen die Demonstranten ein wichtiges Zeichen, solange sie friedlich bleiben. Oder: Das Bleiberecht von Flüchtlingen nach der Genfer Konvention ist abhängig von der Sicherheitslage in ihrem Herkunftsland. Wenn sich die Lage nachweislich verbessert, ist eine Rückkehr möglich. Die Haltung ist gleich, nur die Artikulation ist anders.

Ganz normale Bürger: Menschen beim Weihnachtsshopping in der Frankfurter Innenstadt


Ganz normale Bürger: Menschen beim Weihnachtsshopping in der Frankfurter Innenstadt
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Bild: EPA

Viele Gräben verlaufen in Deutschland zwischen links und rechts. Dieser Graben nicht. Er verläuft zwischen den Geschliffenen des einen Lagers und den Ungehobelten des anderen. Mit der entsprechenden Pingeligkeit ist kaum ein Gespräch mit ungeübten Bürgern möglich, ohne mindestens manchmal das Glöckchen des Extremismus klingeln zu hören. Mal entwerten sie den Parlamentarismus, mal greifen sie die Parteiendemokratie an, fordern Willkürmaßnahmen, grundgesetzwidrige Verbote, die Aberkennung von Bürgerrechten. Linke wie Rechte.

Schlimm, wie verbreitet der Extremismus schon ist, könnte man meinen. Bloß: Die ungeübten Bürger spielen bei dieser Diagnose nicht mit. Sie sagen in einem Moment jenes, im anderen das Gegenteil. Die Leute reden einfach so daher. Der Profi notiert: Viele Bürger sind nicht ernst zu nehmen. Genau da beginnt der Schaden, der Bruch mit unseren Werten. In einer Demokratie darf keine Stimme entwertet werden.

Wer den Anfängen wehren will, muss Wörter auf Goldwaagen legen. Wer die Waage aber so empfindlich einstellt, dass auch viele ganz Normale im Abseibets landen, macht das Problem größer, als es ist. Amateure und Extremisten gehören nicht in eine Schublade. Das entwertet alle Bemühungen. So kann die Demokratie auch von denen beschädigt werden, die sie schützen wollen.

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