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#Schaffen wir das?

„Schaffen wir das?“

Solidarität kann so einfach sein: Man hängt eine ukrainische Flagge ins Fenster, liked jedes Selenskyj-Video und verteilt Herzchen, sobald es um schnelle und unbürokratisch Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine geht. Warme Gesten, mehr nicht. Doch was wäre, stünde eine vertriebene Familie vor der eigenen Tür? Würde man sie aufnehmen? Und wenn ja, für wie lange?

Offiziell haben bisher laut Bundesinnenministerium 272.388 ukrainische Flüchtlinge hierzulande Schutz gesucht, doch die tatsächliche Zahl dürfte weitaus höher liegen, weil sich ukrainische Staatsbürger in Deutschland nicht registrieren müssen. Und: Putins Angriffskrieg vertreibt immer mehr Menschen aus ihrer Heimat. Frank Plasberg stellte deshalb die Frage: „Geflohen vor Russlands Bomben: Wie gut kann Deutschland helfen?“.

„In Bayern steht niemand auf der Straße“

Betrachtet man die zivilgesellschaftliche Ebene, das Engagement der zahllosen Menschen, die Schutzsuchende aufnehmen, lautet die Antwort: ziemlich gut. Doch es ist nicht die Aufgabe der Bürger, eine solche Krise zu stemmen, dafür ist der Staat verantwortlich. Er sollte aus der Flüchtlingskrise 2015 gelernt haben. Bayern, das befand zumindest der Innenminister des Freistaates, Joachim Herrmann (CSU), hat die Situation – nach gewissen Anlaufschwierigkeiten – gut im Griff. „In Bayern steht niemand auf der Straße“. Aber reicht das?

Die WDR-Journalistin Isabel Schayani sah das anders. Sowohl Bund als auch Länder erscheinen ihr in Anbetracht der dramatischen Situation geradezu „gechillt“. Hermann wies das freilich empört zurück: Von Chillen könne keine Rede sein. Er kenne jedenfalls niemanden, der Yoga macht.

Schayani prangerte zu Recht das Fehlen von Strukturen an. Zum Beispiel die Registrierung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser lehnt die von der Union geforderte Registrierung aller geflüchteten Menschen aus der Ukraine ab. In einem Interview begründete sie das folgendermaßen: „Wir reden vor allem von Kindern und Frauen, die tagelang auf der Flucht sind, die in der Kälte an der polnischen Grenze ausharren mussten“. Die Geflüchteten dürften nicht zu Kontrollen an der deutschen Grenze aufgehalten werden.

Chillt die Regierung?

Was das Chillen betraf, stimmte Heike Jüngling, Sozialdezernentin der Stadt Königswinter in NRW, Schayani zu. Auf die wichtigsten Fragen fehlten nach wie vor Antworten: Wie werden die Kosten von Privatunterbringungen erstattet? Wie sieht es mit der ärztlichen Versorgung aus? Wie mit Schul- und Kitaplätzen? Weil die (private) Unterbringungskapazität in Königswinter erschöpft ist, musste bereits eine Turnhalle geschlossen und umfunktioniert werden.

Als man vor lauter Politiker-Phrasen („wir müssen jetzt zusammenstehen“, „das ist eine nationale Kraftanstrengung“) und verwaltungstechnischer Einzelheiten wegzudämmern drohte, hauchte eine Frau der abstrakten Diskussion das nötige Leben ein: Oksana Ilchenko. Die Deutschlehrerin ist mit ihrer Tochter und ihrer Mutter aus Kiew geflohen und durch Glück privat untergekommen. Unter Tränen erzählt sie von der aufreibenden Flucht, ihren Ängsten und der Hoffnung, bald zurückkehren zu können. Die Mutter frage sie jeden Tag: „Wann fahren wir wieder heim?“ Und jeden Tag muss sie die Mutter vertrösten. Oksana Ilchenko will sich und ihre Familie registrieren lassen, sie hat einen Antrag gestellt, aber erst einen Termin für den 27. April bekommen. Ein Datum, an dem sie eigentlich längst wieder zurück sein möchte, bei ihrem Mann, einem Offizier, der für sein Land kämpft.

Wie lange privates Engagement gutgeht, dafür gibt es keine Faustregel. Julia Kroß, Unternehmensberaterin aus Hamburg, der die rhetorische Anteilnahme am Abendbrottisch bereits am ersten Kriegstag nicht gereicht hat, lebt jetzt nicht mehr nur mit ihrem Mann auf 150 Quadratmetern zusammen, sondern mit fünf weiteren Menschen. Sie nennt die in ihrem Haus untergekommenen Geflüchteten Gäste. Die Ukrainer, das liest und hört man immer wieder, sehen sich selbst so: Als temporär Vertriebene, die schnellstmöglich zurück in ihre Heimat und ihr altes Leben wollen. Das Ehepaar Kroß hilft, wo es kann, ob es um Deutschkurse geht, die Schule, eine Wohnung. Aber von den Behörden, sagte Julia Kroß, höre man vor allem eines: Gedulden Sie sich.

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