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#„Xi Jinping ist kein Betriebsunfall der Geschichte“

„„Xi Jinping ist kein Betriebsunfall der Geschichte““

Wann wird China die Einreisebeschränkungen aufgeben und sich öffnen wie der Rest der Welt?

Frühestens im September kommenden Jahres. Nur 57 Prozent der Chinesen haben eine Booster-Impfung. Bevor die Bevölkerung nicht geimpft ist, kann China nicht aufmachen, weil das zu einer medizinischen Katastrophe führen würde. Ich hoffe, dass nach dem Parteikongress eine Impfkampagne startet. In der Wirtschaft ist die Schmerzgrenze er­reicht.

Wieso hat China nicht längst eine Impfpflicht eingeführt? Der Staat sperrt die Menschen doch monatelang in ihren Wohnungen ein. Will Xi Jinping das Land isolieren?

Sicherlich gibt es Teile in der Kommunistischen Partei, die es gerne sehen, dass das Land durch die Abkoppelung immer mehr der späten Ming-Dynastie gleicht. Es gibt aber auch in China Entscheidungsträger, die wissen, was ein Konjunkturabschwung bedeutet. Die Chip-Sanktionen der Amerikaner setzen der Wirtschaft ebenso zu wie die Partnerschaft mit Russland. Die Immobilienkrise bekommt der Staat nicht in den Griff. Das Land erlebt den perfekten Sturm. Da braucht es eine gute Nachricht über eine langfristige Exit-Strategie aus Null-Covid. Auch den Kadern in Peking bleibt die negative Stimmung in der Bevölkerung nicht verborgen.

Aber was dringt davon zu Xi durch?

Ich glaube schon, dass zu ihm durchdringt, dass die Menschen unzufrieden sind. Die Frage ist, ob er seine Politik ändern will. Von Russland hat er sich ein Stück wegbewegt. Über die Pandemie hat er allerdings vergangenes Jahr den Sieg ausgerufen. Doch momentan ist der Sieg überall in der Welt zu sehen, nur nicht in China. Vor dem Parteikongress wäre eine Abkehr von Null-Covid deshalb politisch heikel.

Wird China angesichts dieser Sackgasse immer noch die USA als größte Wirtschaft überholen?

Garantiert nicht. Man sieht ja bereits, dass die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr langsamer wächst als Amerika. China droht, in die „Falle der mittleren Einkommen“ zu tappen.

Es hieß immer, die Partei sichere ihre Macht, indem sie den Menschen Wohlstand verspreche. Wieso gibt es dann jetzt keinen Volksaufstand?

Das liegt zum einen am Überwachungsstaat und zum anderen an der Propaganda, die alles schön malt. Nur ganz wenige Chinesen wissen, dass im Ausland das Leben längst zur Normalität zurückgekehrt ist. Das heißt allerdings nicht, dass es an den Spitzen der Ministerien und Unternehmen genug Leute gibt, die begriffen haben, dass es Zeit für einen Kurswechsel ist.

War nicht vielmehr der Eindruck, China sei ein wirtschaftsfreundliches Land, schon immer eine Illusion?

Natürlich hatte für die Partei Stabilität schon immer Priorität, wie man beim Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 gesehen hat. Xi Jinping ist kein Betriebsunfall der Geschichte. Man hat den Mann geholt, um für Ordnung zu sorgen. Allerdings war nicht abzusehen, dass er zum Diktator werden würde. Un­ter Deng Xiaoping galt die Devise, dass die Menschen reich werden sollten. Da hat unter Xi ein totaler Wechsel stattgefunden. Nun tritt China gegenüber dem Ausland robuster auf, und die Chinesen sollen alle gleich verdienen. In der Folge werden einige, die die Wirtschaft vorangebracht haben wie Alibaba-Gründer Jack Ma, zurechtgestutzt. Das Land ist definitiv kommunistischer geworden in den vergangenen 10 Jahren. Bisher haben es allerdings nur Staaten mit demokratischen Strukturen geschafft, zu reichen Industrieländern aufzusteigen.

Nach viel Hin und Her will Xi Jinping nun doch Olaf Scholz und deutsche Konzernchefs in Peking empfangen. Was verspricht sich China davon?

Vor dem G-20-Gipfel in Bali will Peking der Welt und der eigenen Bevölkerung sagen: Seht her, wir sind gar nicht so isoliert. Da kommt ein deutscher Kanzler gerade recht. Doch der kann mit drei Flugzeugen voller CEOs angereist kommen, das ändert nichts daran, dass China in deutschen Konzernzentralen mittlerweile als Risiko diskutiert wird.

Jörg Wuttke


Jörg Wuttke
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Bild: Picture Alliance

Weil es bei einem chinesischen Angriff auf Taiwan in Wolfsburg und Stuttgart Massenarbeitslosigkeit geben könnte, wenn die Gewinne aus dem größten Absatzmarkt ausbleiben?

Bei einem Angriff auf Taiwan bräche die Halbleiterproduktion zusammen. Davon wäre die ganze Welt betroffen, nicht nur Wolfsburg. Käme es zum Krieg zwischen China und den USA, fielen ein paar Arbeitslose in Deutschland gar nicht mehr auf.

Trotzdem wollen auch wegen der Gefahr eines Krieges zumindest die Grünen in der Bundesregierung das Geschäft mit China begrenzen. Was heißt das für deutsche Unternehmen?

Ich hoffe, dass sich dabei Pragmatismus durchsetzt und man sich anguckt, wie hoch die Abhängigkeit wirklich ist. Sie ist signifikant bei zwanzig Gütern wie Seltenen Erden und Pharmavorprodukten. Der Rest ist ersetzbar, doch das wird teuer werden. Über Alternativen zu chinesischen Produkten zu reden ist der falsche Zeitpunkt.

Was soll Scholz dann Xi Jinping sagen?

Deutschland muss klarmachen, wie wir Chinas Haltung gegenüber Russland und der Ukraine wahrnehmen. Dass in Moskau jemand mit den Nuklearträgern spielt, ist nicht gut – ebenso wenig wie die Menschenrechtslage in Xinjiang.

Zu Xinjiang kommt von Unternehmenschefs normalerweise kein kritisches Wort.

Das kann ich nachvollziehen und werfe es den Konzernchefs nicht vor. China hat eine Geschichte von Repressalien gegen Unternehmen. Ihre Stimme erheben müssen stattdessen die Verbände.

Sie kritisieren China wie kein anderer Wirtschaftsführer im Land. Wieso sitzen Sie noch nicht im Knast?

Da wird die F.A.Z. nicht hin geliefert (lacht). Im Ernst, ich glaube vielmehr, dass ich am Hofe Xi die Rolle des Narren einnehme, der eine Diskussion anstößt, die vom Staatsrat und anderen Entscheidungsträgern gewollt ist. Es ist notwendig, Klartext zu reden: dass eine Abwendung von China niemandem dient.

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