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#Fanal des Fanatismus: Jürgen Kaube über Kapitol-Erstürmung

Fanal des Fanatismus: Jürgen Kaube über Kapitol-Erstürmung

Bei aller Überrumpelung durch das Geschehen in Washington und bei allem Verständnis für das Greifen nach den drastischsten Vokabeln: Ein „Putschversuch“, wie es sofort hieß, war es gerade nicht. Denn wird nicht geputscht, indem Teile des Militärs auf der Seite der Angreifer stehen, Rundfunksender besetzt werden, Straßen blockiert? Wo wäre die Ersatzregierung gewesen? Wo die Attacke auf den Staat als Organisation? Geschminkte Träger von Geweihen, die als Beruf „Qanon-Schamane“ angeben, wie man sie unter den Rechtsradikalen sah, geben wenig Anlass zur Vermutung, eine Machtübernahme stehe bevor. Im Senat fielen gerade prominente Unterstützer Trumps, nolens volens zwar und auf den letzten Drücker, aber doch von ihm ab.

Jürgen Kaube

Die wichtigste Waffen der Störer waren, trotz der Gewalt, der Sprengsätze und der Rammböcke, die Smartphones, mit denen Selfies geschossen wurden. Für „domestic terrorism“, einen zweiten oft verwendeten Begriff, brauchte es mehr als den gewalttätigen Versuch, eine wichtige parlamentarische Sitzung im Kapitol zu stören, so singulär er in der amerikanischen Geschichte ist. Es sei denn, man definierte einen Terrorismus, der sich nicht auf materiellen Schrecken, sondern ganz auf eine symbolische Zerstörung richtet. Viele der Randalierer liefen im Kapitol herum, als sei es gerade der Tag des offenen Monuments. Dass einer sich johlend auf der Statue von Gerald R. Ford fotografieren ließ (siehe unser Bild), lässt ahnen, wie sehr es um das Ablichten und das Johlen ging. Ein politisches Bewusstsein davon, wer Gerald R. Ford war, nämlich gewiss kein Eidzeuge der Reichsbürger Trumps, existierte nicht. Es ging darum, anderen zu zeigen, dass man dabei gewesen ist.

Auch „insurrection“, also Aufstand, oder „sedition“, also Aufruhr, trifft den sozialen Sinn dieser Aktion nicht. Der Coup galt der Herabwürdigung einer Institution, der Bildproduktion in den Massenmedien und im Internet sowie der Zerstörung des Moments, in dem der neue Präsident bestätigt werden sollte.

Immer noch gut dreißig Millionen Amerikaner

Daran ist nicht nur die mangelnde Absicherung des Kapitols bemerkenswert, die das ermöglichte. Trump und die Seinen leben seit Jahren davon, dass der Rest es einfach nicht für möglich hält oder nicht darüber nachdenkt, was sie kurz darauf tun. Michelle Obamas Satz „When they go low, we go high“ (Wenn sie niederträchtig werden, antworten wir mit Anstand) ehrt sie, aber hat eine offene Flanke, wenn das der Ehrlosigkeit völlig gleichgültig ist. Man stelle sich vor, die militärisch Kostümierten hätten sich tatsächlich zu „domestic terrorism“ materieller Art entschlossen. Das komplizierte Washingtoner Polizei- und Hausrecht wäre dann wohl keine Ausrede gewesen.

Bedrohlich ist also nicht so sehr, dass sich in den Vereinigten Staaten eine gewaltsame Machtübernahme abzeichnete. Bedrohlich ist, dass nach Umfragen ungefähr die Hälfte der Republikaner das rechtsradikale „walk-in“ mit Leuten in T-Shirts, auf denen „Auschwitz Camp“ steht, und solchen, die sich im Sessel der Parlamentsvorsitzenden breitmachen, in Ordnung finden. Man mag sagen: nur noch die Hälfte der Republikaner. Doch legt man Trumps Wählerzahlen zugrunde, wären das immer noch gut dreißig Millionen Amerikaner.

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