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#Auch in der Corona-Krise kann Trump nur Kabinengeschwätz

Auch in der Corona-Krise kann Trump nur Kabinengeschwätz

Heute vor vier Jahren ist Donald Trumps ohnehin vermessener Traum geplatzt, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Jedenfalls müsste man das glauben, wenn man, sagen wir: nach fünf Jahren auf einer einsamen Insel in die sogenannte Zivilisation zurückkehrte und als erstes einen Pressespiegel vom 7. Oktober 2016 in die Hand bekäme. An jenem Tag  war ein Mitschnitt eines Gesprächs aus dem Jahr 2005 zwischen Trump und dem Society-Reporter Billy Bush veröffentlicht worden, in dem der frisch zum dritten Mal verheiratete Baulöwe und Fernsehpromi Trump mit angeblichen sexuellen Übergriffen prahlte. Der Welt prägte sich vor allem seine Behauptung ein, dass man sich als „Star“ alles erlauben dürfe: „Pack sie an der Pussy. Du kannst alles machen.“

Für viele einflussreiche Republikaner wurde an jenem Abend aus einer Sorge eine Gewissheit: Trump würde die Wahl am 8. November krachend verlieren. Schadensbegrenzung war gefragt. Vom Parteigeschäftsführer Reince Priebus bis zu Trumps evangelikalem Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, Mike Pence, hagelte es Distanzierungen. Kongress-Republikaner diskutierten panisch, ob es noch möglich wäre, Trump zum Rückzug zu zwingen und Pence über Nacht zum Ersatzmann zu küren. Trump bat am nächsten Tag zwar um Entschuldigung; schon deshalb war es ein historischer Tag. Vor allem beharrte er aber darauf, dass es sich bloß um „Geschwätz aus der Umkleidekabine“ gehandelt habe. Genau einen Monat später wählten die Amerikaner ihn zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Die Entgeisterung darüber ist wohl das letzte gewesen, was Demokraten und Republikaner in Washington gemeinsam hatten.

Die Online-Flatrate: F+


Die Lehre für 2020 liegt nahe: Knapp vier Wochen, bevor die Stimmabgabe endet, ist das Rennen offen, ist immer noch alles möglich. Man denke nur an die Zahl der (vermeintlichen) „Gamechanger“ allein in den vergangenen fünf Wochen: die in Gewalt mündenden Proteste gegen Rassismus, die in Kenosha und Portland Tote forderten; die verheerenden Waldbrände an der Westküste, die das Land an den von Trump geleugneten oder heruntergespielten Klimawandel erinnerten; der Tod der linksliberalen Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg und das Versprechen der Republikaner, im Eiltempo eine konservative Nachfolgerin durch den Senat zu pauken; Trumps rüpelhafter Auftritt in seinem ersten Fernsehduell gegen Joe Biden, der seine Umfragewerte weiter purzeln ließ – und nun seine Infektion mit dem Coronavirus samt Trumps voreiliger Stilisierung zum Triumphator über ein Virus, vor dem die Amerikaner sich nicht zu fürchten brauchten.

Führen die Rezepte von 2016 zum Ergebnis von 2016?

Warum sollten die kommenden Wochen weniger turbulent verlaufen? 2016 hatte Trumps Sieg wohl auch damit zu tun, dass der damalige FBI-Direktor James Comey Tage vor der Wahl wieder Ermittlungen in der sogenannten E-Mail-Affäre aufnahm und das öffentlich verkündete. Sie wurden zwar nach wenigen Tagen wieder beendet, aber Trump hatte neue Munition für seinen Kampf gegen „Crooked Hillary“, die seine Anhänger im Gefängnis sehen wollten. Das versucht Trump nun zu wiederholen, indem er die Veröffentlichung zuvor als geheim klassifizierter Dokumente anordnete, die beweisen sollen, dass ihm die Obama-Regierung eine Russland-Affäre andichten wollten, um Hillary Clinton zu helfen.

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Vor lauter Schwärzungen sind die Dokumente nicht geeignet, die Anfänge der Russland-Untersuchung zu erhellen; vieles spricht dafür, dass Trump nur ein Ablenkungsnarrativ verbreitet, das selbst Teil der russischen Kampagne war. Trumps Lautsprecher in den (sozialen) Medien stürzen sich natürlich trotzdem darauf. Doch wäre es gewagt anzunehmen, dass es Trump gelingen könnte, mit den Schlachten von 2016 jene wenigen, entscheidenden Wähler von der Pandemie abzulenken und in sein Lager zu locken, die sich noch nicht entschieden haben.

In den Vereinigten Staaten haben sich nach den jüngsten Zahlen der Taskforce des Weißen Hauses zuletzt etwa 90 von 100,000 Einwohnern binnen Wochenfrist mit dem Coronavirus angesteckt – im Landesdurchschnitt also mehr als derzeit in Berlin-Neukölln. In Utah zum Beispiel, wo heute Abend die beiden Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten eine Fernsehdebatte absolvieren und sich das Trump-Lager zunächst gegen den Aufbau von Plexiglas-Barrieren wehrte, lag die „Sieben-Tage-Inzidenz“ zuletzt sogar bei 210. Da kann sich der Präsident auf seinem Balkon auch auf den Kopf stellen: Corona und sein bewusstes, grotesk inszeniertes Missmanagement der größten Krise seiner Amtszeit verschwinden bis zum 3. November nicht mehr von der Themenliste.

Trump auf Steroiden

„Trump on steroids“ – diese Überschrift haben Kommentatoren schon oft benutzt, wenn der Präsident besonders über die Stränge schlug und dabei wie eine Karikatur seiner selbst wirkte. Jetzt nimmt der Präsident tatsächlich Steroide ein, wie sie Sportler bisweilen als (illegale) Aufputschmittel benutzen, und er führt vor, wieso die Redewendung trifft: mit PR-Stunts und selbst für seine eigenen Verhältnisse langen Twitter-Salven. Den Ernst der Lage verdeutlichen andere Meldungen: Immer mehr Mitarbeiter des Weißen Hauses melden positive Coronatests, und die Stabschefs aller Teilstreitkräfte sind in häuslicher Quarantäne, nachdem beim stellvertretenden Kommandeur der Küstenwache ebenfalls eine Sars-CoV-2-Infektion festgestellt wurde.

Der kranke Präsident, nach Aussage seiner Ärzte noch nicht über den Berg, hat derweil abrupt die Verhandlungen mit den Demokraten über ein Konjunkturprogramm für beendet erklärt. Darüber sind bei allen Differenzen auch Republikaner entgeistert, deren Wähler schließlich genauso unter der Rezession leiden wie die der Demokraten. Dabei kann es sie vier Jahre nach dem „Pack sie an der Pussy“-Mitschnitt wirklich nicht mehr wundern, dass Präsident Trump auch in der größten Krise seiner Amtszeit nur eines wirklich beherrscht: Kabinengeschwätz.

Andreas Ross

Andreas Ross

Verantwortlicher Redakteur für Politik Online und stellvertretender verantwortlicher Redakteur für Nachrichten.

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