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#Verhallt der Paukenschlag im Turnen?

Verhallt der Paukenschlag im Turnen?

Es war ein veritabler Paukenschlag: Das Präsidium des Deutschen Turner-Bundes (DTB) fordert nach einer von ihm in Auftrag gegebenen Untersuchung zu den Missbrauchsvorwürfen im Chemnitzer Bundesstützpunkt die Entlassung zweier Trainer. In einer 13-seitigen Stellungnahme hatte der DTB das Vorgehen der beauftragten Kanzlei von Felix Rettenmaier, der seit 2018 auch als unabhängiger Vertrauensanwalt der Ombudsstelle des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) arbeitet, dargelegt und angesichts der als erwiesen angesehenen „schwerwiegenden Pflichtverletzungen“ die Forderung öffentlich formuliert. Ein Spitzenverband, der handelt, der unabhängig untersuchen lässt, der personelle Konsequenzen zieht und langfristige strukturelle und sportpolitische Maßnahmen in Aussicht stellt. Voilà.

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Doch die Lage ist komplex. Seit der Forderung sind zwei Wochen vergangen. Zwei Wochen, in denen keine Entlassung ausgesprochen wurde. Der DTB ist nicht zuständig: Er hat seine erfolgreichste Trainerin nie angestellt, deshalb kann er sie auch nicht entlassen. In Chemnitz regt sich Widerstand und Unmut. Und der geht darüber hinaus, dass den Athletinnen der betroffenen Trainer die DTB-Entscheidung erst nach Veröffentlichung der Stellungnahme in einer Videoschalte erläutert wurde.

Es geht zum Beispiel weiterhin um das Verhalten von Gabi F. Das mag angesichts der benannten Untersuchungsergebnisse – Anwendung psychischer Gewalt in 17 Fällen, die Abgabe von Schmerzmitteln und anderes – erstaunen. Wer könnte wollen, dass die suspendierte Trainerin, der derlei Vorgehen nachgewiesen wurde, weiterhin mit Minderjährigen arbeitet?

Da ist zum Beispiel Sophie Scheder, Bronzemedaillen-Gewinnerin der Spiele von Rio. Die 24-Jährige hebt hervor, sie spreche nur für sich, sie stelle nichts von dem in Abrede, was die betroffenen Turnerinnen gesagt haben, und sie sei „absolut der Meinung“, man müsse gegen jeden Missbrauch vorgehen. Sie sagt: „Ich glaube, es gibt zwei Seiten, die man hören muss. (…) Ich bin jetzt seit knapp 13 Jahren in Chemnitz und kann so was nicht bestätigen.“

Scheder ist nicht allein. In einem offenen Brief haben sich Eltern von mehr als 20 aktuellen Chemnitzer Turnerinnen hinter F. gestellt und den DTB ihrerseits aufgefordert, seine Forderung zurückzunehmen. Sie beklagen, mit ihren Kindern habe niemand gesprochen, und fordern eine bundesweite Bestandsaufnahme von Missständen. Auch Frank Munzer, Präsident des TuS Chemnitz-Altendorf, sieht Anlass zur Kritik: „Die Ausgangsbasis ist falsch“, der DTB habe lediglich die veröffentlichten Vorwürfe Ehemaliger überprüft – „nichts weiter“.

Es müsse doch um ein aktuelles Gesamtbild des Stützpunktes gehen, bevor man Entlassungen fordere. Auf Anfrage erklärte der DTB mit Verweis auf die Persönlichkeitsrechte der Befragten, er könne keine Aussage dazu machen, wie viele der 22 befragten Turnerinnen aus der aktuellen Trainingsgruppe von Gabi F. stammen.

Munzer ist der Arbeitgeber von Gerrit B., dem zweiten Trainer, den der DTB loswerden möchte. Munzer hatte ihn im vergangenen Sommer eingestellt und beteuert, er sei der Erste, der eine Entscheidung, die sich als falsch herausstellte, korrigieren würde. Allein: „Nach meinem jetzigen Wissensstand habe ich keine rechtliche Handhabe, ihn zu entlassen.“ Nun allerdings bat B. um die Auflösung seines Vertrages, der Verein ist der Bitte nachgekommen. Einen Bericht der „Sächsischen Zeitung“ bestätigte Munzer auf der Plattform „Gymmedia“. Der Verein dankte B. für „tadelsfreie und qualitativ hochwertige Arbeit“, die zu keinem Zeitpunkt seiner Tätigkeit in Chemnitz Anlass zu Kritik gegeben habe. B. hatte Misshandlungen von jungen Sportlern in der Vergangenheit in den Niederlanden zugegeben, bevor er am 1. August 2020 zum zweiten Mal Trainer in Chemnitz wurde.

„Mit uns hier hat noch niemand gesprochen“

Thomas Weise, Leiter des Olympiastützpunktes Sachsen, der aufgefordert ist, Gabi F. zu entlassen, liegt, wie Munzer zuvor im Fall von B., lediglich die öffentliche Stellungnahme des DTB-Präsidiums vor, in der auf ein eventuelles Fehlverhalten in Chemnitz nicht eingegangen wird. Es gebe „nichts Neues“, erklärte Weise am Mittwoch auf Anfrage. Er hoffe auf mehr Informationen, denn auf der aktuellen Grundlage – das allseits bekannte DTB-Statement – könne er keine Entlassung aussprechen. Von der „weiterführenden Untersuchung am Olympiastützpunkt in Chemnitz“ durch den DOSB, auf die der Turnerbund mehrfach verwies, hat Weise bislang nur aus der Presse gehört. „Mit uns hier hat noch niemand gesprochen.“

Der DTB hat zuletzt auch bekräftigt, dass er im Frauenturnen „international konkurrenzfähig“ bleiben möchte. Das könnte schwierig werden. Denn Sophie Scheder ist nicht die einzige Olympiakandidatin aus dem Chemnitzer Frauen-Stützpunkt, der zudem etliche Bundeskader bei den Juniorinnen stellt, denen nun zwei Trainer abhandengekommen sind. Zuletzt reiste aushilfsweise Juniorinnen-Bundestrainerin Claudia Schunk aus Mannheim an. Angeblich wird nach einem ergänzenden Trainer gesucht.

Vielleicht kam der Paukenschlag zu früh

Ein Blick in die Schweiz zeigt, wie es auch gehen kann: Dort wurden vergangene Woche die Ergebnisse einer vergleichbaren Untersuchung zu Missbrauchsvorwürfen in der Rhythmischen Sportgymnastik vorgestellt. Eine unabhängige Kanzlei befragte 291 ehemalige und aktuelle Gymnastinnen, der Bericht offenbart massive Verfehlungen. Das Fazit der Kanzlei, das vom Schweizerischen Turnverband begrüßt wurde: Die Zielsetzungen in der Rhythmischen Gymnastik müssen „stark redimensioniert werden“. Unter den gegebenen Bedingungen sei eine Qualifikation für Olympia „nicht realistisch“.

Der Paukenschlag aus Frankfurt war laut. Vielleicht kam er zu früh.

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