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#Florierender Handel mit Grönlands Elfenbein

„Florierender Handel mit Grönlands Elfenbein“

Wagemutige Isländer haben sich Ende des zehnten Jahrhunderts an Grönlands Westküste angesiedelt. Dort waren sie jedoch nie völlig autark, sondern auf rege Handelsbeziehungen mit ihrer alten Heimat angewiesen. Zunächst exportierten sie hauptsächlich Felle, erst im zwölften Jahrhundert wurden die Stoßzähne von Walrossen zum Verkaufsschlager: Damals waren kunstvolle Schnitzarbeiten aus Elfenbein in Mode gekommen, in geistlichem Kontext wie in weltlichem. An Islands Küsten waren Walrosse aber schon nahezu ausgerottet. Deshalb konnten die Nordmänner aus Grönland in eine Marktlücke stoßen und zweihundert Jahre lang Europas Elfenbeinmarkt beherrschen. Dass der Handel mit Walrosszähnen damals sogar noch weit östlich, im fernen Kiew florierte, haben Wissenschaftler aus Norwegen und aus der Ukraine herausgefunden.

Walrosse, die an Kanadas Ostküste oder an der Westküste von Grönland heimisch sind, unterscheiden sich genetisch von ihrer weiter östlich lebenden Verwandtschaft. Offenbar hat eine Population auf der Ostseite des Atlantiks die Eiszeit überlebt, eine andere auf der Westseite. Prinzipiell lässt sich die Herkunft von Walross-Elfenbein daher leicht feststellen. Vorausgesetzt, man kann gut erhaltene DNA isolieren. Material für einschlägige Untersuchungen zu entnehmen kommt bei wertvollen Kunstwerken freilich nicht infrage.

Allerdings war es einst üblich, dass die Walrosszähne fest im Kieferknochen verankert blieben, wenn sie als Handelsware auf Reisen gehen sollten. Erst in den Werkstätten wurden sie aus dem Knochen befreit. Die dabei abgetrennten und achtlos weggeworfenen Teile des Walross-Schädels liefern Wissenschaftlern brauchbare DNA, um die Herkunft überprüfen zu können. Wie sich herausstellte, stammen fast alle Funde, die sich dem elften Jahrhundert zuordnen lassen oder noch älter sind, aus dem nordöstlichen Atlantik. Bei jüngeren Funden schrumpft dieser Anteil schlagartig: In Nord- und Westeuropa wurden im zwölften Jahrhundert hauptsächlich Stoßzähne westlicher Walrosse verarbeitet.

In Kiew ausgegrabene Schädelfragmente von Gröndland-Walrössern. Links oben ist ein kompletter neuzeitlicher Walrossschädel abgebildet.


In Kiew ausgegrabene Schädelfragmente von Gröndland-Walrössern. Links oben ist ein kompletter neuzeitlicher Walrossschädel abgebildet.
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Bild: James H. Barrett and Natalia Khamaiko,

Dass der Handel mit Walrosszähnen aus Grönland sogar noch in Kiew verbreitet war, belegen zahlreiche Funde. Wie die Forscher um James H. Barrett von der Norwegian University of Science and Technology in Trondheim und Natalia Khamaiko von der National Academy of Sciences of Ukraine in Kiew in den „Proceedings of the Royal Society B“ berichten, stammen nur zwei von sieben Oberkieferknochen, die bei archäologischen Ausgrabungen in Kiew aufgetaucht sind, aus dem östlichen Verbreitungsgebiet der Walrosse. Die übrigen fünf ließen sich dank DNA-Analysen eindeutig dem Gebiet zwischen der Ostküste von Kanada und Grönlands Westküste zuordnen.

Grönland wird sogar Bischofssitz

Dass diese Kiewer Walrossknochen ihren Ursprung in Grönland hatten, bestätigte auch die relative Häufigkeit stabiler Isotope von Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel. Die Art und Weise, wie die Walross-Schädel für den Transport zurechtgestutzt wurden, deutet ebenfalls auf eine grönländische Herkunft hin. Sie ist typisch für westeuropäische Handelsplätze wie Trondheim und Schleswig, die über Island gelieferte Walross-Stoßzähne weiterverkauft haben. Von Schleswig führte im zwölften Jahrhundert ein Handelsweg über den Finnischen Meerbusen und den Ladogasee. Über Nowgorod ging es dann nach Süden und auf dem Dnjepr weiter nach Kiew.

Obwohl in Nowgorod ein reiches Sortiment von Elfenbeinschnitzereien aus dem zwölften Jahrhundert überliefert ist, wurde dort bisher nur ein einziges Fragment eines Walross-Schädels aus dieser Zeit entdeckt. Aus Kiew sind hingegen nur wenig einschlägige Kunstwerke bekannt. In dem alten Stadtviertel namens Podil, aus dem die untersuchten Knochen stammen, gab es jedoch zweifellos Werkstätten, die Stoßzähne verarbeitet haben.

Mit einem natürlichen Hafen am Ufer des Dnjeprs günstig gelegen, war Podil einst von Handwerkern und Händlern geprägt. Die archäologischen Grabungen am einstigen Hafen förderten neben Walrossknochen auch andere Objekte zutage, die Mitte bis Ende des zwölften Jahrhunderts aus dem Norden importiert wurden. Anscheinend hatte sich Kiew im späten Mittelalter als wichtiges Handelszentrum etabliert, über das Waren nördlicher Herkunft bis nach Byzanz und weiter nach Asien geschickt werden konnten. Unter anderem die Stoßzähne, von denen griechische und arabische Quellen aus dieser Zeit berichten.

Gut integriert in einen globalisierten Markt, wurde Grönland ein selbständiges Bistum. Im zwölften Jahrhundert waren die skandinavischen Siedler zahlreich und wirtschaftlich stark genug für den Bau eines Bischofssitzes samt ansehnlicher Kirche. Um an Walrosse zu kommen, mussten sie sich jenseits ihrer Siedlungen weit nach Norden vorwagen. Ob sie die riesigen Robben dort meist selbst erlegten oder die begehrten Stoßzähne von der indigenen Bevölkerung eintauschten, bleibt eine offene Frage. Passende Tauschobjekte wie Messer und anderes Werkzeug aus Eisen kamen schließlich regelmäßig mit den Schiffen aus Norwegen, die auch Holz und Getreide nach Grönland lieferten.

Mitte des vierzehnten Jahrhunderts war das blühende Geschäft mit den Walross­zähnen plötzlich vorbei. ­Vielleicht, weil in Norwegen die Pest ausgebrochen war und die Wirtschaft zum Wanken gebracht hatte. Vielleicht, weil arabische Händler nun Stoßzähne von Elefanten bis nach Europa lieferten. Solches Elfenbein taugte viel besser für filigrane Schnitzereien als die Walross­zähne. Die rapide sinkende Nachfrage dürfte die ökonomische Basis von Grönlands Siedlern stark erschüttert haben. Vermutlich hat dieses Defizit in der Handelsbilanz dazu beigetragen, dass die grönländischen Siedlungen im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts komplett erloschen sind.

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