#„Forscht ein Ethnologe über Islamismus, ist die Karriere beendet“
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„„Forscht ein Ethnologe über Islamismus, ist die Karriere beendet““
Als „junge linke Studentin“ musste sich Susanne Schröter mit konservativen Professoren auseinandersetzen. Den Herren mögen ihre Ansichten nicht gefallen haben, gefördert haben sie die angehende Ethnologin trotzdem. Inzwischen spiele die politische Haltung eines Nachwuchsforschers eine größere Rolle für seine Karriere – und das sei nicht gut, meint Schröter, die an der Goethe-Uni lehrt. Ähnlich sieht das Udo Schüklenk. Eigene Erfahrungen mit „politischer Korrektheit“ hat er schon in den achtziger Jahren gemacht. Als Philosophiestudent erlebte er, wie der wegen seiner Thesen zu Behinderten umstrittene Philosoph Peter Singer an deutschen Unis „niedergebrüllt“ wurde. Dass die Hochschulen nicht gegen solche Eingriffe in die Redefreiheit vorgegangen seien, habe ihn dazu gebracht auszuwandern, sagt Schüklenk. Heute lehrt er Bioethik an einer kanadischen Universität.
Über die Auswüchse einer „Cancel Culture“, die politisch oder moralisch nicht genehme Positionen von den Unis verbannen wolle, können die beiden Wissenschaftler einiges erzählen. Sie taten es am Dienstagabend in einer Online-Veranstaltung, zu der die an der Goethe-Uni aktiven Professorengruppen Universitas und Ratio eingeladen hatten. Schröter selbst wird von manchen Linken als Rassistin diffamiert, weil sie sich kritisch über das muslimische Kopftuch äußert und Zusammenhänge zwischen Integration und kultureller Prägung untersucht. Schüklenks Feinde finden sich eher am rechten Rand der Gesellschaft: Wegen seiner bioethischen Thesen beschimpfen ihn evangelikale Christen als „Nazi“.
„Ehrenmorde“ ein „falsches Thema“?
Einig sind sich die beiden Professoren darin, dass sie solche Angriffe dank ihrer gesicherten akademischen Stellung aushalten können. Viel gefährlicher sei es für Nachwuchsforscher, wenn bestimmte Thesen und Themen zum Tabu erklärt und ihre Vertreter massiv attackiert würden. Nach Schüklenks Ansicht folgt daraus oft Selbstzensur. Er bekomme E-Mails von jungen Wissenschaftlern, die ihn mit Blick auf mutmaßlich heikle Forschungsgegenstände fragten: „Kann man das noch veröffentlichen?“
Schröter berichtet von Doktoranden, deren Dissertationen nicht abgenommen worden seien, weil sie die „falschen“ Themen behandelt hätten – zum Beispiel „Ehrenmorde“. Sie wisse auch von Studenten, die selbstgewählte Projekte für ihre Bachelor- oder Masterarbeit nicht hätten verwirklichen können: Den Betreuern seien die Vorhaben zu „heiß“ gewesen. Für ihr, Schröters, eigenes Fach gelte: „Wenn ein Ethnologe über Islamismus arbeitet, ist seine Karriere beendet.“
„Ressentiments“ gegen Genderforschung
Schröter und Schüklenk sehen in solchen Tendenzen, egal aus welcher politischen Richtung sie kommen, eine Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit. Andrea Geier glaubt nicht, dass die Gefahr wirklich so groß ist. Als Vertreterin der Gender Studies warnt die Germanistin von der Uni Trier in der Diskussion vor „Alarmismus“. Sie bezweifelt, dass es „feste tabuisierte Felder“ gebe, auf denen nicht geforscht werden dürfe. Dafür beklagt sie „Ressentiments gegen bestimmte Theorierichtungen“ wie eben die Genderforschung, auf deren bloße Erwähnung manche Kollegen schon mit einem gequälten „Oh Gott“ reagierten.
Geier beteuert, dass sie weder „Trigger Warnings“ vor anstößigen Inhalten in Seminaren befürworte noch Sprachregelungen bei bestimmten Themen vorgeben wolle. Man müsse aber akzeptieren, dass Studenten überlieferte Lese-Kanons in Frage stellten und auf bestimmte Begriffe empfindlich reagierten. An den Unis müsse es „Aushandlungsräume“ geben, in denen Lehrende und Lernende miteinander klärten, wie sie mit brisanten Themen umgehen wollten. Auch sollten Veranstaltungen, die besonders heikle Stoffe behandelten, nicht zum Pflichtprogramm gehören.
Schüklenk stimmt der Trierer Professorin insoweit zu, als viele Berichte über das „Canceln“ anekdotischen Charakter hätten. Empirische Forschung hierzu wäre aus seiner Sicht wünschenswert, sie sei aber nur schwer zu verwirklichen. Die Diskussion ins rechte Verhältnis zur aktuellen Lage zu setzen, hatte gleich zu Beginn des Gesprächs seine Kollegin Schröter übernommen: In Ländern wie Russland und der Ukraine sei die Wissenschaftsfreiheit in ganz anderem Maß gefährdet als hierzulande.
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