Fossile Wespe mit Falle am Hinterleib

Inhaltsverzeichnis
Im Laufe der Evolution haben Insekten einige ungewöhnliche Anpassungen entwickelt – insbesondere, wenn sie parasitisch leben. Davon zeugt auch eine fossile Wespenart, die Forschende in Bernstein konserviert entdeckt haben: Der Hinterleib des Insekts besteht aus drei Klappen, die wahrscheinlich wie Fangblätter einer fleischfressenden Venusfliegenfalle zuschnappen konnten. Diese anatomische Besonderheit deutet darauf hin, dass die Wespe ihre Eier parasitisch in andere Insekten legte, wobei sie den Wirt mithilfe ihres Fangapparats vorübergehend festhielt.
Einige Insekten haben sich darauf spezialisiert, andere Insekten zu parasitieren. Der Wirt dient dabei oft als Nahrung für ihre Larven. Manche parasitischen Insektenarten lähmen die Wirte, die zur Brutstätte werden, dauerhaft. Andere dagegen, die sogenannten koinobionten Parasitoide, halten das Opfer nur kurz für die Eiablage fest und überlassen es danach seiner normalen Entwicklung. Beispielsweise legen Schlupfwespen ihre Eier auf Schmetterlingsraupen ab. Die schlüpfende Wespenlarve bohrt sich dann in den Körper der Raupe und frisst diesen nach und nach von innen auf. Wichtige Organe verschont sie dabei bis zuletzt, sodass die Raupe erst stirbt, wenn die Wespenlarve bereit ist, sich zu verpuppen.

Greifapparat am Hinterleib
Eine ähnliche Strategie hatte eine neu entdeckte fossile Wespenart offenbar schon vor 99 Millionen Jahren – und zwar mit einem erstaunlichen Trick. Davon zeugen Einschlüsse in Bernsteinen aus der Kachin-Region im Norden Myanmars, die ein Forschungsteam um Qiong Wu von der Capital Normal University in China nun analysiert hat. Die Forschenden untersuchten 16 im Bernstein konservierte weibliche Wespen, die sie einer neuen Art namens Sirenobethylus charybdis zuordneten.
Die Besonderheit: „Die Fossilien weisen einzigartige morphologische Veränderungen an der Spitze des Hinterleibs auf, die wahrscheinlich eine Art Greifapparat bildeten“, berichtet das Team. Wie Mikro-CT-Scans enthüllten, besteht der Hinterleib der neu entdeckten Insektenart aus drei flexiblen Klappen, die mit haarähnlichen Borsten besetzt sind. „Der Aufbau erinnert an eine Venusfliegenfalle“, beschreiben die Forschenden. Ähnlich wie der Fangmechanismus dieser fleischfressenden Pflanze konnte wahrscheinlich auch die Falle am Hinterleib der Wespe zuschnappen, sobald ein Opfer in Reichweite kam.
Falle für Wirte
Doch dauerhaft blieb das Opfer der kreidezeitlichen Wespe wahrscheinlich nicht gefangen. Stattdessen war der Fangapparat der Studie zufolge so justiert, dass die Beute zwar festgehalten, aber nicht zerquetscht wurde, und nach kurzer Zeit wieder losgelassen wurde. „Das deutet darauf hin, dass S. charybdis ihre Opfer nicht fressen wollte, sondern nur kurzzeitig immobilisiert hat“, erklären Wu und ihre Kollegen. Demnach handelte es sich bei S. charybdis wahrscheinlich um einen koinobionten Parasitoid und der Greifapparat diente dazu, Wirte zu fangen, auf oder in denen die Wespe dann ihre Eier ablegte.
Heute bekannte parasitische Insekten nutzen zu diesem Zweck üblicherweise Fangbeine. Ein zur Falle umgebauter Hinterleib ist dagegen ungewöhnlich. „Von keinem anderen Insekt ist etwas Ähnliches bekannt“, schreiben die Forschenden. „Der ausgeklügelte Greifapparat deutet darauf hin, dass die Wespe auf hochmobile Opfer abzielte, beispielsweise Zikaden oder kleine Fliegen. Wir stellen uns vor, dass sie mit geöffnetem Apparat gewartet hat, bereit, ihn zuschnappen zu lassen, sobald ein potenzieller Wirt die Fangreaktion aktiviert.“
Quelle: Qiong Wu (Capital Normal University, Beijing, China) et al., BMC Biology, doi: 10.1186/s12915-025-02190-2
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.