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#Frankreichs nächstes Ziel beim Recht auf Abtreibung: die EU-Grundrechtecharta

Präsident Macron würdigt die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung als „universelle Botschaft“. Er nennt sie „Frankreichs Stolz“. Auch auf EU-Ebene will sich Paris dafür einsetzen.

Am Eiffelturm war am Montagabend in leuchtenden Lettern „mein Körper, meine Entscheidung“ zu lesen. Auf dem Trocadéro-Platz mit Blick auf das Pariser Wahrzeichen jubelte währenddessen eine Menschenmenge über die Entscheidung der versammelten Parlamentarier im Schloss von Versailles, das Abtreibungsrecht in der Verfassung zu verankern. Das Abstimmungsergebnis fiel deutlicher als erwartet aus. 780 Abgeordnete und Senatoren stimmten für die Verfassungsänderung.

Artikel 34 wird fortan um den Satz ergänzt: „Das Gesetz legt die Bedingungen fest, unter denen die Freiheit der Frau, ihre Schwangerschaft zu beenden, ausgeübt wird.“ Es gab 72 Gegenstimmen. 50 Parlamentarier enthielten sich der Stimme. Die erforderliche Dreifünftelmehrheit für Verfassungsänderungen lag bei 512 Stimmen. Am Weltfrauentag am 8. März will Präsident Emmanuel Macron in einer feierlichen Zeremonie seine Unterschrift unter die Verfassungsänderung setzen.

Reaktion auf Abtreibungsurteil in den Vereinigten Staaten

Er schrieb auf der Plattform X: „Frankreichs Stolz. Universelle Botschaft.“ Es gibt weiterhin Bestrebungen, das aus französischer Sicht „universelle“ Frauenrecht auch in der EU zu verankern. „Die nächste Etappe wird sein, diese Freiheit in der Grundrechtecharta der EU einzuschreiben, wie Frankreich es im Januar 2022 vorgeschlagen hat“, schrieb der frühere Europaminister Clément Beaune.

Die Abgeordneten und Senatoren hatten am Nachmittag in dem leicht verstaubten Plenarsaal mit Blick auf ein Gemälde der Generalstände während der Revolution Platz genommen. Bei Verfassungsänderungen kommen die Parlamentarier in einem Flügel des ehemaligen Königsschlosses zusammen. Premierminister Gabriel Attal sprach in seiner Rede von einer „moralischen Schuld“ gegenüber allen Frauen, die unter dem Verbot der Abtreibung gelitten hätten. „Uns verfolgen das Leiden und die Erinnerung an so viele Frauen, die jahrzehntelang darunter gelitten haben, nicht frei sein zu können“, sagte er.

Die Initiative für die Verfassungsänderung war nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in den Vereinigten Staaten vom Juni 2022 entstanden, das Abtreibungsrecht einzuschränken. Aber auch die Entwicklung in Polen war kritisch verfolgt worden. In Polen war 2021 nach einem Urteil des Verfassungsgerichts ein verschärftes Abtreibungsrecht in Kraft getreten, das der neue Ministerpräsident Donald Tusk aber wieder lockern will.

Macron geht es um seine Glaubwürdigkeit als Anwalt der Frauenrechte

Frankreich schütze als erstes Land in der Welt die Frauenrechte in der Verfassung, sagte die Präsidentin der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet. Es war zugleich das erste Mal, dass der Kongress von einer Frau geleitet wurde. Abgeordnete feierten die Abstimmung als „historisch“. Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei La France insoumise (LFI), Mathilde Panot, bezeichnete die Entscheidung als Versprechen für alle Frauen, die weltweit für das Recht auf Abtreibung kämpften. Frankreich besinne sich auf seine Berufung als „Leuchtturm der Menschenrechte“, sagte Panot, die den ersten Entwurf für die Verfassungsänderung eingebracht hatte.

Präsident Macron erhofft sich davon, seine Glaubwürdigkeit als Anwalt der Frauenrechte zu stärken. Diese war jüngst erschüttert worden, als er den Schauspieler Gérard Depardieu offensiv gegen den Vorwurf der Vergewaltigung verteidigt hatte. Obwohl die Justiz gegen ihn ermittelt, bezeichnete Macron den Schauspieler als „Genie seiner Kunst“, das „Frankreich stolz macht“.

„Die Verfassungsänderung wird ein positives Element sein, das auf der Habenseite von Macrons Bilanz verbucht werden kann“, sagte die Vorsitzende des Hohen Rates für die Gleichstellung von Frauen, Sylvie Pierre-Brossolette. „Der Staatschef ist seiner Rolle gerecht geworden“, lobte Anne-Cécile Mailfert, die Vorsitzende der Frauenstiftung. In Frankreich sind Abtreibungen bis zur zehnten Schwangerschaftswoche bereits seit 1975 straffrei. Mittlerweile können Schwangere bis zur 14. Woche abtreiben, die Kosten übernimmt die Krankenkasse.

Umfragen zufolge befürworteten mehr als 80 Prozent der Französinnen und Franzosen die Verfassungsänderung. Dem Druck der öffentlichen Meinung beugten sich auch die Republikaner (LR). Der LR-Fraktionsvorsitzende im Senat, Bruno Retailleau, stimmte „aus persönlichen Gründen“ gegen die Verfassungsänderung, stellte aber seiner Fraktion die Entscheidung frei. Er warnte davor, die Verfassung zum „Katalog sozialer und gesellschaftlicher Rechte“ zu degradieren.

In der Nähe des Schlosses in Versailles versammelten sich mehrere Hundert Abtreibungsgegner, um gegen die Verfassungsänderung zu protestieren. Der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Éric de Moulins-Beaufort, verbreitete einen Appell, in dem er den fehlenden Schutz der Kinderrechte anprangerte. Frankreich sei eines der wenigen westeuropäischen Ländern, in dem die Zahl der Abtreibungen in den vergangenen zwei Jahren angestiegen sei. Der rechtsnationale Politiker Philippe de Villiers sprach von einer „Schandtat“.

Die stärkste Ablehnung gab es in der Fraktion des Rassemblement National. Elf RN-Abgeordnete stimmten gegen die Verfassungsänderung, 20 enthielten sich der Stimme. Marine Le Pen stimmte dafür, bemängelte aber, niemand in Frankreich habe das Abtreibungsrecht infrage gestellt.

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