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#Rückblick auf die ersten Primaten

„Rückblick auf die ersten Primaten

Wie haben sich die Primaten entwickelt – die Säugetiergruppe, zu der auch wir Menschen gehören? Neue Hinweise darauf liefert nun eine vergleichende Analyse von genetischen und fossilen Merkmalen der Primaten und ihrer Vorläufer. Dabei haben Forscher herausgefunden, dass das Erbgut ursprünglicher Primaten deutlich mehr Gene für die Verdauung fettreicher Nahrung enthält als das anderer, eng verwandter Säugetiere. Sie werten dies als Indiz für eine Anpassung an fleischlastige Nahrung – beispielsweise in Form von Insekten. Parallel dazu entwickelten die ersten Primaten nach vorne gerichtete Augen und Greifhände, die ihnen das Klettern in Bäumen und das räumliche Sehen erleichterten. Aus dem Vergleich mit anderen karnivoren Tieren schließen die Wissenschaftler, dass die ersten Primaten wahrscheinlich baumlebende Lauerjäger waren.

Lemuren, Affen, Menschenaffen und der Mensch gehören zu den Primaten. Typisch für diese Ordnung der Säugetiere sind große, nach vorne gerichtete Augen, relativ große Gehirne, an das Greifen angepasste Hände und flache Nägel statt Klauen an den Fingern und Zehen. Fossilfunde legen nahe, dass die ersten Vertreter der Primaten schon am Ende der Kreidezeit vor rund 66 Millionen Jahren existierten. Wie und warum diese ersten Ur-Primaten aber ihre speziellen Merkmale entwickelten, ist bisher strittig. Klar scheint, dass die Greifhände das Leben auf Bäumen erleichterten, auch die für das räumliche Sehen günstige Position der Augen vorne am Kopf könnte den Ur-Primaten die Fortbewegung im Geäst erleichtert haben. Unklar ist allerdings, welche Rolle eine nächtliche Lebensweise für die großen, parallelen Augen spielte und wie sich die ersten Primaten ernährten: Waren sie Insektenfresser wie noch heute einige kleinere Vertreter dieser Gruppe? Oder waren ihre beweglichen Hände und Finger eher an das Greifen nach Früchten und Nüssen angepasst?

Verdauungsgene verraten Ernährungsweise

„Für beide Hypothesen gibt es stützende Indizien, aber welche korrekt ist, lässt sich nur durch eine Rekonstruktion der Ernährungsweise ursprünglicher Euprimaten klären“, sagen Yonghua Wu von der Nordost-Normal-Universität in China und seine Kollegen. Um darüber mehr Klarheit zu schaffen, haben sie zunächst nach genetischen Hinweisen bei 32 Primatenarten und vier eng verwandten Säugetieren als Vergleichsgruppe gesucht. Sie verglichen die Ausprägung und Entwicklung von 117 Genen, die mit der Verdauung und den dafür nötigen Enzymen verknüpft sind. „Diese Gene sind dafür bekannt, eine wichtige Rolle bei der Verdauung und Absorption von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten zu spielen“, erklären die Wissenschaftler. Weil pflanzliche Nahrung reich an Kohlenhydraten ist, eine fleischlastige Ernährung dagegen mehr Fette und Proteine enthält, müsste sich das bevorzugte Futter der verschiedenen Primaten auch in diesen Genen zeigen.

Wie die Analysen ergaben, zeigen die Verdauungsgene bei den Primaten tatsächlich einen Entwicklungstrend: Im Vergleich zu den Kontrollgruppen und auch innerhalb der verschiedenen Primatenlinien nahm die Zahl der für die Fettverdauung zuständigen Gene signifikant zu, wie das Team feststellte. Bei den Genen für andere Nährstoffe zeigte sich dieser Trend hingegen nicht. Nach Angaben der Forscher spricht dies dafür, dass die ersten Primaten sich allmählich von Allesfressern hin zu einer fleischlastigeren Ernährung entwickelten. Während die eng verwandten Säugetiere noch Gene für die Verdauung von Kohlenhydraten, Proteine und Fetten verwendeten, mehrte sich bei den ersten Primaten der Anteil der Fettverdauungsgene. „Diese positive Selektion von Genen für die Fettverdauung deutet darauf hin, dass die ursprünglichen Euprimaten eine fettreiche Ernährung hatten“, berichten Wu und sein Team. „Sie waren wahrscheinlich Fleischfresser.“ Dazu passen Fossilfunde früher Primaten, deren Zähne auf eine vorwiegend insektenbasierte Ernährung hindeuten.

Augen und Hände an die Lauerjagd angepasst?

Ausgehend von diesem Ergebnis untersuchten Wu und seine Kollegen, inwieweit diese Ernährungsweise in Kombination mit der baumlebenden Lebensweise auch andere Merkmale der frühen Primaten erklären kann – beispielsweise ihre Greifhände, reduzierten Klauen und nach vorn gerichteten Augen. Dafür verglichen sie vor allem die Augenposition der Primaten mit der anderer fleischfressender Wirbeltiere wie Eulen, Katzen, Wölfen oder Adlern. „Unter diesen Prädatoren scheinen diejenigen mit stärker nach vorne gerichteten Augen wie Eulen und Katzen typischerweise Lauerjäger zu sein, während die anderen eher Verfolgungsjäger sind“, berichtet das Team. Lauerjäger warten typischerweise möglichst versteckt darauf, dass sich eine Beute annähert, um sie dann mit einem Satz zu fangen und zu töten. Das funktioniert allerdings nur, wenn sie die Beute überraschen können und wenn ihr Angriff gezielt und möglichst treffsicher erfolgt.

Nach Ansicht von Wu und seinem Team könnten auch die frühen Primaten bei der Insektenjagd auf diesen Überraschungseffekt gesetzt haben. „Die Lauerjagd könnte den ursprünglichen Euprimaten eine neue Nische eröffnet haben, die ihren Verwandten nicht zugänglich war“, erklären die Forscher. Die Anpassung an diese Art der Insektenjagd könnte auch erklären, warum die Primaten eine gute räumliche Sicht und bewegliche, präzise zugreifende Finger entwickelten: „Ein gutes räumliches Sehen und damit auch parallel stehende Augen, könnten vor allen für Lauerjäger entscheidend sein, um die Entfernung zur Beute bei ihrem Überraschungsangriff präzise einzuschätzen“, erklären die Wissenschaftler. Die Greifhände sorgten für einen guten Griff beim Sprung und Packen der Beute. Gleichzeitig könnten ihre Klauen immer reduzierter und flacher geworden sein: „Weiche Finger- und Zehenpolster ohne Klauen verringern das Geräusch beim Klettern“, schreiben Wu und seine Kollegen. Insgesamt sehe sie damit einige Indizien dafür, dass die frühen Primaten zumindest einige ihrer typischen Merkmale in Anpassung an die Lauerjagd auf Insekten in den urzeitlichen Baumkronen entwickelt haben.

Quelle: Yonghua Wu (Northeast Normal University, Changchun) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abn6248

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