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#Kunst im Dunst

„Kunst im Dunst“

Natur ist eingezogen ins Münchner Haus der Kunst: In seinen Sälen wallen dichte Nebelschwaden, sinken auf stille Wasserbecken oder ziehen durch weit geöffnete Portale in den Englischen Garten, dorthin, wo der Eisbach rauscht. Und wenn man das Gebäude von hier, von der Ostseite betritt, was derzeit möglich ist, hüllen einen die fallenden Nebel des „Munich Fog (Fogfall)“ ein, den die japanische Künstlerin Fujiko Nakaya eigens für ihre Münchner Retro­spektive schuf, die erste außerhalb Japans. Drinnen umspült den Besucher dann der monotone Singsang Sutras rezitierender Zen-Mönche vom Dreikanalvideo „Soji-ji“, das dem individuellen Atemrhythmus des Einzelnen bei gleichzeitigem fließendem Einklang des Gesangs gilt und hier erstmals seit seiner Entstehung 1979 wieder gezeigt wird.

Der große Mittelsaal hat sich in ein Wasserbecken verwandelt, aus dem plötzlich weißes Nebelgewölk auf- und niederquillt; im Handumdrehen verschleiert es das auf einer Holzbeplankung herum- und hinüberwandernde Publikum, das sich staunend durch dies Wetter tastet. „Nebel lässt sichtbare Dinge unsichtbar werden“, sagt die Künstlerin, „während unsichtbare wie der Wind sichtbar werden“, oder wie die Luftströme, die die Bewegungen der Menschen im Nebel auslösen. Wer den Jubel der Schulkinder hört, die sich vor allen anderen Besuchern an den Schwaden freuen durften, wird Andrea Lissoni, dem Direktor des Hauses der Kunst, zustimmen: „Kunst ist für die Zukunft“, sagt er, und dass die Jüngsten der Gesellschaft die Wichtigsten sind. Das ist ganz im Sinne der Künstlerin, die eines ihrer schönsten Nebelwerke im „Children’s Park“ eines Nationalparks in Tokio installierte. Nakaya wurde 1933 in Sapporo geboren, sie studierte Kunst in Illinois, Paris und Madrid und lebt in Tokio. Sie begann mit Malerei, die an Zellkumulationen oder Myzele erinnert und ihr Interesse an naturhaften Prozessen ankündigte, das sie um das Ziel der Vereinigung von Mensch und Natur erweiterte.

Familiäre Elementenkunst

Pumpen pressen reines Wasser durch dünne Röhren mit Edelstahldüsen, an deren Öffnungen es in winzigste Tröpfchen aufgespaltet wird; Nakaya nutzt Zerstäuber, wie sie ähnlich in Gewächshäusern eingesetzt werden, und sie versteckt diese Nebelmacher nicht, denn romantische Aspekte, wie deutsche Lieder, Gedichte und Bilder sie im Nebel suchen, spielen bei ihr keine Rolle. Denn die Künstlerin geht ihr Thema, so zauberisch es auch wirken mag, nüchterner an, geprägt vom Vater, dem Experimentalphysiker Ukichiro Nakaya, dem es als weltweit Erstem gelang, künstliche Schneeflocken herzustellen. Da lag die Arbeit mit einem natürlichen Phänomen gar nicht so fern, und für jede ihrer Nebelinstallationen holt die Künstlerin meteorologische Daten zu Luftfeuchtigkeit, Temperaturen und Windsituation ein.

Auch die Geister der Vergangenheit sichtbar gemacht: Durch das Haus der Kunst in München wabern Fujiko Nakayas Nebel.





Bilderstrecke



Schwebende Schwaden
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Werke von Fujiko Nakaya

1966 hatte sie sich der Gruppe E.A.T. – Experiments in Art and Technology – angeschlossen, dem wegweisenden Verbund von Kunstschaffenden um Robert Rauschenberg und Wissenschaftlern um Billy Klüver, der Kunst und neueste Technik für beide Seiten innovativ verknüpfte. Mit Leuten von E.A.T. erarbeitete Nakaya ihre erste große Nebelskulptur für den Pepsi-Pavillon auf der Weltausstellung in Osaka 1970. Die Arbeit lag im Trend einer Ära, in der ökologisches Denken auf einmal eine zentrale Rolle spielte und für die Kunst ihr Gesellschaftsbezug, sie interaktiv wurde und experimenteller arbeitete als je zuvor: Aspekte, auf die man sich angesichts der prekären Situation der Erde von heute im Haus der Kunst besinnen werde, sagte Lissoni, als er jetzt seine Neuausrichtung des Hauses vorstellte, wobei viel von „Transparenz“ die Rede war, von „anderen Formen der Wahrnehmung“, von „Dialogen“.

Der neue Spirit

Nakaya verkörpert all das in Reinkultur. Da kollaboriert sie mit Wasser, Wind, Zeit und Mensch für „Skulpturen“, die grenzenlos sind und flüchtig wie Tanzfiguren oder Musiktöne, nur dass sie die Form ihrer Werke gänzlich aus ihrer Kontrolle in ein ephemeres Eigenleben entlässt. Wie vernetzt Nakaya arbeitet, zeigt etwa ihre Nebelbühne für Trisha Browns Tanztheater oder ihr Zusammenwirken mit Ryuichi Sakamoto, berühmt für seine Elektropopband. Als sie selbst noch mit Video arbeitete – wunderbar dasjenige einer Spinne beim Bau ihres Netzes in originalem Spinnentempo –, gründete sie das Künstlerkollektiv Video Hiroba mit und eröffnete 1980 die erste Galerie für Videokunst in Japan.

Vernetzung steht auch auf Lissonis Liste ganz oben, so kündigt er für das laufende Jahr Gemeinschaftsprojekte mit dem Lenbachhaus, dem Brandhorst-Museum und dem Münchner Kunstverein an. Und was die Dialoge betrifft: Noch während der Laufzeit der Nakaya-Schau wartet das Haus der Kunst mit Dialogpartnern dieser fast neunzigjährigen Grande Dame der japanischen Contemporary Art auf. Es wird die am Schnittpunkt zwischen Kunst und Technologie arbeitende japanische Gruppe Dumb Type präsentieren, die Nakaya nach vielen Kooperationen als eines der aufregendsten „Next Generation“-Kollektive bezeichnet. Ebenso wird Carsten Nicolai eine von japanischen Zen-Gärten inspirierte Installation zeigen, auch ihn inspirierte Nakaya nachhaltig. Rund neunzig Nebelskulpturen schuf Fujiko Nakaya bis heute rund um den Globus, die beiden jüngsten für München, deren schwebende Schwaden helfen sollen, den neuen Spirit des Hauses der Kunst in die Stadt hinauszutragen – und darüber hinaus.

Fujiko Nakaya. Nebel Leben. Haus der Kunst München; bis 31. Juli. Ein Katalog erscheint im Mai.

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