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#Fußabdrücke belegen Co-Existenz früher Homininen

Vor rund 1,5 Millionen Jahren gab es in Afrika noch mehrere verschiedenen Arten von Vor- und Frühmenschen. Bisher war jedoch unklar, ob sich diese Homininen begegnet sind und sogar im selben Gebiet zur selben Zeit vorkamen. Jetzt liefern urzeitliche Fußspuren in Koobi Fora am Turkanasee in Kenia den Beweis dafür. Auf Basis von Form und Abfolge der Fußabdrücke haben Forschende festgestellt, dass diese 1,5 Millionen Jahre alten Spuren von zwei verschiedenen Menschenarten stammen: vom Frühmenschen Homo erectus sowie vom Paranthropus boisei, einer robusten, primitiveren Vormenschenart. Beide Homininen müssen damals innerhalb von wenigen Stunden am selben Seeufer entlanggelaufen sein. Dies bestätigt erstmals eindeutig, dass verschiedene Menschenarten in einem Lebensraum koexistierten, wie das Team berichtet.

Aus Fossilienfunden ist schon länger bekannt, dass die Evolution des Menschen nicht geradlinig und linear verlaufen ist. Stattdessen entwickelten sich im Laufe der Zeit viele verschiedene Homininen-Arten, von denen einige zu unseren Vorfahren wurden, andere jedoch ohne Nachfahren ausstarben. Knochenfunde legen nahe, dass einige dieser Arten wahrscheinlich gleichzeitig in den “Wiegen der Menschheit” in Ost- und Südafrika lebten. “Allerdings verteilen sich die Fundstätten solcher Homininenfossilien oft über hunderte bis tausende Quadratkilometer und Zeiträume von tausenden bis zehntausenden von Jahren”, erklären Kevin Hatala von der Chatham University in Pittsburgh und seine Kollegen. Dadurch reicht die räumlich-zeitliche Auflösung nicht aus, um sagen zu können, ob zwei Arten wirklich zusammen in einem Gebiet vorkamen.

Eine durchgehende Spur und mehrere Einzelabdrücke

Mehr Aufschluss liefern nun Fußspuren in der berühmten Fossilfundstätte von Koobi Fora am Turkanasee in Kenia. Dort wurden seit der Entdeckung dieser Stätte durch den Paläoanthropologen Richard Leakey im Jahr 1969 schon mehr als 10.000 Fossilien verschiedener Vor- und Frühmenschenarten sowie Steinwerkzeuge und Tierknochen zutage gefördert. Die Homininen-Knochen stammen sowohl von Vormenschen wie dem vor rund 2,3 bis 1,4 Millionen Jahren lebenden Paranthropus boisei, als auch von Frühmenschen der Gattung Homo wie dem Homo ergaster, dem Homo rudolfensis und dem Homo erectus. 2007 wurden zudem ganz in der Nähe versteinerte Fußspuren des Homo erectus entdeckt, die dessen schon fortgeschrittene Fußanatomie und Fähigkeiten zum zweibeinigen Gang belegen.

Jetzt sind weitere Fußabdrücke hinzugekommen: Sie wurden im Jahr 2021 von einem Team unter Leitung von Louise Leakey von der Stony Brook University entdeckt und im Sommer 2022 freigelegt. Bei den Fußabdrücken handelt es sich um eine durchgehende Spur einer Person sowie um mehrere einzelne Abdrücke, die von drei weiteren Personen zu stammen scheinen. In der gleichen Schicht sind zudem die Abdrücke verschiedener Tiere, darunter vor allem von urzeitlichen Marabus zu erkennen, wie das Team berichtet. Sie datieren die Abdrücke auf ein Alter von 1,52 Millionen Jahren. “Fossile Fußabdrücke sind spannend, weil sie Schnappschüsse darstellen, die Einblicke in das Leben unserer fossilen Verwandten geben”, sagt Hatala. “An solchen Daten können wir sehen, wie sich Individuen vor Millionen Jahren durch ihre Umwelt bewegten und dabei miteinander oder mit anderen Tieren interagierten. Das ist etwas, das uns Knochen oder Steinwerkzeuge nicht liefern können.”

Fußabdruck eines Homo erectus
Dieser 1,52 Millionen Jahre Fußabdruck aus Koobi Fora stammt von einem Homo erectus © Kevin G. Hatala

Abdrücke von Homo erectus und Paranthropus boisei

Nähere Analysen der menschlichen Fußabdrücke ergaben, dass die durchgehende Spur und die einzelnen Abdrücke nicht von Vertretern der gleichen Homininenart stammen können – sie sind sowohl in ihrer Anatomie als auch in ihrem Bewegungsmuster zu unterschiedlich, wie Hatala und seine Kollegen erklären. Die isolierten Abdrücke ähneln demnach stark den Fußabdrücken moderner Menschen. “Die HT1-Spur hingegen zeigt ein abweichendes kinematisches Muster”, schreiben die Forschenden. “Sie sind flacher und weniger tief und ähneln darin eher den 3,6 Millionen Jahre alten Spuren von Laetoli in Tansania.” Anhand der Merkmale ordnen sie die einzelnen Abdrücke dem Frühmenschen Homo erectus zu. Die durchgehende Spur stammt hingegen von einem Vertreter des Paranthropus boisei. Diese durch starke Kiefer und einen robusten Körperbau gekennzeichnete Vormenschenart besaß ein kleineres Gehirn und einen weniger ausbalancierten aufrechten Gang als Homo erectus.

Trotz dieser Unterschiede belegen die Fußspuren, dass diese beiden Homininenarten vor rund 1,52 Millionen Jahren am Turkanasee zur selben Zeit in einem Lebensraum vorkamen. “Sie beweisen ohne jeden Zweifel, dass damals nicht nur ein, sondern zwei Vertreter der Homininen über die gleiche Oberfläche gelaufen sind – im Abstand von maximal wenigen Stunden”, sagt Co-Autor Craig Feibel von der Rutgers University. “Die Tatsache, dass diese Arten gleichzeitig vorkamen, ist zwar keine Überraschung, aber dies ist der erste klare Beweis. Das ist wirklich eine große Sache.” Nach Ansicht des Teams legen die Spuren nahe, dass das Ufer des Turkanasees für beide Arten eine wichtige Ressource war – und dass sie sich dabei wahrscheinlich nur wenig Konkurrenz machten. Denn Kiefer und Zähne des Paranthropus boisei legen nahe, dass seine Nahrung hauptsächlich aus Gräsern, Grassamen und Knollen bestand, ähnlich wie bei den heutigen Pavianen. Der Homo erectus war hingegen Jäger und Sammler und hatte einen deutlich flexibleren, auch Früchte, Fleisch und Fisch umfassenden Speiseplan.

Das Seeufer und die umgebende Landschaft könnten demnach beiden Homininenarten ausreichend Nahrung geboten haben, ohne dass sie sich direkte Konkurrenz machten. “Damit liefern die Ergebnisse von Hatala und Team einen faszinierenden Einblick in die Verhaltensökologie von gleichzeitig vorkommenden Homininenarten”, schreibt William Harcourt-Smith vom American Museum of Natural History in New York in einem begleitenden Kommentar zur Studie. “Sie deuten auf Aspekte der Paläobiologie hin, die schwer zu rekonstruieren, aber entscheidend für unser Verständnis dieser und anderer Vertreter der Homininen sind.”

Quelle: Kevin Hatala (Chatham University, Pittsburgh) et al., Science, doi: 10.1126/science.ado5275

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