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#Das zyklische Universum des Sir Roger Penrose – Alpha Cephei

Das zyklische Universum des Sir Roger Penrose – Alpha Cephei

Sir Roger Penrose ist nicht irgendwer. Nach dem mittlerweile 88jährigen Physiker (Jahrgang 1931) sind eine Menge Dinge benannt: die Moore-Penrose-Pseudoinverse einer Matrix. Die Penrose-Parkettierung, ein Kachelmuster, mit dem man eine Fläche auslegen kann, ohne dass sich ein Grundmuster wiederholt. Die Penrose-Diagramme zur Darstellung von Unendlichkeiten. Der Penrose-Prozess, über den Schwarze Löcher Rotationsenergie verlieren können. Die Penrose-Hawking-Singularitätssätze, denen gemäß im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie der Anfang des Universums und das Zentrum eines Schwarzen Lochs Singularitäten sein müssen. Und es war niemand anderer als Penrose, der berechnete, dass ein kollabierender Neutronenstern zu einer Singularität zusammenstürzen muss. Er legte zudem den Grundstein für die Schleifen-Quantengravitation, der wichtigsten Konkurrenztheorie zur Stringtheorie (von der er nicht viel hält). Sein englischsprachiger Wikipedia-Artikel listet noch eine ganze Menge anderer Begriffe auf, die mit Penrose verbunden sind. Sir Roger Penrose hat also einen bedeutenden Namen. Er wurde mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft. Nur ein Nobelpreis fehlt ihm.

Warum die ganze Lobhudelei? Neulich hörte ich Penrose in einem Interview über seine Theorie eines zyklischen Universums reden. Und wenn sie nicht von Penrose persönlich vorgetragen worden wäre, der in dem Interview keineswegs senil klang, hätte ich sie für ausgemachten Unsinn gehalten. Aber angesichts des prominenten Namens erscheint mir das etwas anmaßend und ich möchte die Idee statt dessen einmal hier vorstellen.

 

Ungeliebte Inflation

Bei den Boltzmann-Hirnen hatte ich das Konzept der Entropie vorgestellt. Da diese im Universum gemäß dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik stets steigt, muss das Universum in einem Zustand geringer Entropie begonnen haben. Die offene Frage ist, wie dieser Zustand zustande kam. Gemäß der Theorie der kosmischen Inflation hat sich der ursprünglich gekrümmte, ungleichförmig dichte (Vakuumfluktuationen!) und winzig kleine Raum in Sekundenbruchteilen gigantisch aufgebläht. Danach war er, jedenfalls soweit unser Blick reicht, flach, gleichmäßig mit Materie angefüllt und riesengroß, und dies entspricht einer Abnahme der Entropie in einem vorgegebenen Volumen. Nach der Inflation gab es zunächst nur Strahlung, nur Photonen (und vermutlich Gravitonen), die allesamt masselos waren und aus denen erst durch einen noch nicht vollständig verstandenen Paarerzeugungsprozess massebehaftete Teilchen entstanden, bei denen am Ende Materie gegenüber Antimaterie die Oberhand behielt. Penrose hält von der Inflationstheorie gar nichts, er gab ihr nach ihrem Erscheinen 1981 nur zwei Wochen, denn sie verletze den 2. Hauptsatz. Aber sie hat sich dennoch bis heute gehalten und ist mittlerweile gar zur vorherrschenden Theorie über den Beginn des Universums geworden.

Das Ende des Universums ist gemäß der derzeitig anerkannten Theorie ein ewig expandierendes Universum, in dem alle Materie irgendwann einmal in Schwarzen Löchern endet: die Reste von verloschenen Sternen in Galaxien, die nicht selbst Schwarze Löcher sind, lösen sich entweder durch Protonenzerfall auf, oder verlieren durch Abstrahlung von Gravitationswellen, und damit Gravitonen, langsam an Energie und sinken zum Zentrum der Galaxie, wo sie vom zentralen Schwarzen Loch vereinnahmt werden. Und die Schwarzen Löcher lösen sich dann durch die Abstrahlung von Hawking-Strahlung langsam zu Photonen auf. Am Ende hat man so nach ungefähr 10100 Jahren ein riesengroßes Universum, das von extrem langwelliger Strahlung (durch die kosmische Expansion) aus Photonen und Gravitonen erfüllt ist. Das sieht nun dem ursprünglichen Universum irgendwie ähnlich. Es ist nur um einen immensen Faktor größer und kälter.

 

Wenn dem Universum alle Maßstäbe verloren gehen…

Penroses Idee ist nun die folgende: Was wäre, wenn man das Ende des Universums als Beginn eines neuen Universum betrachten würde, in dem einfach die Maßstäbe um etliche hundert Zehnerpotenzen vergrößert sind? So ähnlich, wie man in der (finanziellen) Hyperinflation in den 1920ern der Reichsmark einfach hinten ein paar Nullen wegnahm, damit ein Brot nicht mehr ein paar Milliarden Mark kostete, kann man das riesige Universum in Raum und Zeit schrumpfen, indem man die Entfernungs- und Zeitskalen neu definiert. Die geschrumpften Wellenlängen der Strahlung würden dann viel höheren Temperaturen entsprechen. Und schwups hat man einen neuen Urknall, ganz ohne Inflation! Das Ganze kann sich dann beliebig oft wiederholen, immer eine Skalenstufe höher.

Klingt zunächst absurd. Denn aus den von der kosmischen Expansion absurd lang gewordenen Wellenlängen der Photonen sollen ja wieder Teilchen hervorgehen, die beim Urknall bei Milliarden Kelvin und ultrakurzwelligen Gammastrahlen mit Wellenlängen im Bereich eines Protonendurchmessers entstanden. Aber was, außer der Wellenlänge, ist der Unterschied zwischen Photonen, die im Urknall Teilchen bildeten, und Photonen, die nach 10100 Jahren durch die kosmische Expansion auf Wellenlängen gestreckt wurden, gegenüber denen der Durchmesser unseres heutigen beobachtbaren Universums ein Nichts wäre? Es gibt keinen!

Elektromagnetische Wellen gibt es in allen Wellenlängen, es gibt weder nach unten noch nach oben eine Begrenzung (außer der mutmaßlichen Planck-Länge auf der einen und der Größe des Universums auf der anderen Seite), und die Energie E, die in einem Photon mit einer gewissen Wellenlänge steckt, hängt einfach über die Gleichung E=h·c/λ von der Wellenlänge λ ab (c/λ=f ist hierbei die Frequenz des Lichts mit der Einheit 1/s = Hertz). h und c sind Naturkonstanten, das Plancksche Wirkungsquantum h und die Lichtgeschwindigkeit c. Skaliert man nun die Strecken und Zeiten um, dann kommen ganz andere Energien heraus.

In einem Universum, in dem es nur noch (ruhe-)masselose Teilchen gibt, fehlt jeglicher Maßstab für Raum und Zeit. Es gibt keine Uhren mehr, denn Photonen (wie auch die masselosen Gravitonen) haben keine Eigenzeit – für sie ist eine Unendlichkeit nur ein Augenblick – und ansonsten wäre nichts mehr da, welches eine haben könnte. Eine Uhr setzt etwas voraus, das ticken kann, das eine charakteristische Frequenz hat: egal, ob es das Schwingen eines Pendels ist, das eines elektronischen Quarzes oder ob man Wellenzüge abzählt, die der Übergang eines Elektrons von einem Energiezustand zu einem anderen erzeugt – so funktionieren Atomuhren. Zwar hätten die Photonen im ansonsten leeren Raum natürlich auch ihre Eigenfrequenzen (f=c/λ), aber wenn es keinen Maßstab gibt, an dem man eine bestimmte Wellenlänge als Maßeinheit festmachen kann, dann ist nicht definiert, welches Photon mit welcher Frequenz den Zeittakt vorgibt. Somit gibt es keinen Zeitmaßstab mehr und die Energie eines Photons ist unbestimmt, also beliebig. Wenn der Zeitmaßstab weg fällt, ist auch der Streckenmaßstab nicht mehr gegeben, denn unser Meter ist heutzutage über die Lichtgeschwindigkeit und eine Zeitspanne definiert, nämlich 1/299792458tel der Strecke, die das Licht in einer Sekunde zurücklegt. Folglich ist die Situation von langwelligen Photonen in einem riesengroßen Universum über einen sehr langen Zeitraum von demjenigen mit kurzwelligen Photonen in einem winzigen Universum über Sekundenbruchteile nicht unterscheidbar, wenn man keinen Vergleichsmaßstab mehr hat. Warum sollen dann also nicht im Kleinen wie im Großen die gleichen physikalischen Prozesse ablaufen können?

Das einzige Problem, das Penrose sieht, seien die Elektronen, weil sie gemäß der akzeptierten Quantenphysik (im Gegensatz zu den Protonen) nicht zerfallen können und durch die Expansion des Universums isoliert innerhalb kosmologischer Horizonte enden können, in denen sie nie die Chance hätten, mit einem Positron zusammen zu treffen und zu annihilieren. Damit bleiben Uhren übrig. Vielleicht, so spekuliert Penrose, irre sich die Quantenphysik aber auch einfach und die Elektronen könnten doch irgendwann zerfallen [1].

 

Ein Trick in zwei Achsen

Man kann das Problem auch geometrisch betrachten. Wir haben vor einer Weile das Konzept der mitbewegten Entfernung kennengelernt. Bei diesem Entfernungsmaß wächst der Maßstab mit der kosmischen Expansion, d.h. die Galaxien entfernen sich in mitbewegter Entfernung nicht voneinander (außer durch lokale Eigenbewegungen). In einem vorgegebenen Radius mitbewegter Entfernung sind für alle Zeiten dieselben Galaxien eingeschlossen. In einem solchen Maßstab dargestellt ist das beobachtbare Universum kein expandierender Trichter, sondern ein Zylinder mit festem Radius, vom Urknall an bis in die unendliche Zukunft. Geht man in die Vergangenheit, so landet man bei der Urknallsingularität, die aber in mitbewegter Entfernung kein Punkt mehr ist, sondern ein unendlichfach aufgeweiteter Radius, der perfekt auf das obere Ende eines entsprechenden Zylinders eines Vorgängeruniversums passen würde, welcher nach unendlicher Zeit in mitbewegter Entfernung unendlich geschrumpft werden würde.

Die Höhe des Zylinders entspräche einer Zeitdauer, die bei einem offenen Universum zunächst unendlich lang wäre. Zur mitbewegten Entfernung gibt es auch ein passendes Zeitmaß, die “konforme Zeit”, die einfach der Zeit entspricht, die das Licht zum Zurücklegen einer bestimmen mitbewegten Entfernung benötigt. Da das Universum in 14 Milliarden Jahren in gewöhnlichen Entfernungen (“Eigendistanzen”) gemessen den doppelten Durchmesser haben wird (der Skalenfaktor des Universums, der für heute zu 1 festgelegt ist, wird dann 2 sein), braucht ein Lichtstrahl zum Durchqueren einer mit der Hubbleexpansion auf das Doppelte angewachsenen Strecke (z.B. den Durchmesser eines großen Galaxienhaufens) zu dieser Zeit doppelt so lange in gewöhnlicher Zeit, wie er heute brauchen würde. In konformer Zeit braucht er aber genau so lange, weil beim Skalenfaktor 2 die konforme Zeit im Vergleich zur gewöhnlichen Zeit nur halb so langsam vergeht wie beim Skalenfaktor 1. In einem Raumzeitdiagramm mit der Entfernung auf der x-Achse und der Zeit auf der y-Achse bilden die Weltlinien von Photonen (also Licht) bekanntlich Geraden; bei passender Skalierung mit einer Lichtsekunde und einer Sekunde als gleich lange Einheiten auf Raum- bzw. Zeitachse hat die Gerade einen 45°-Winkel zu beiden Achsen. In einem Diagramm mit mitbewegter Entfernung auf der x-Achse erscheint die Weltlinie eines Lichtstrahls genau dann als Gerade, wenn die Zeit in konformer Zeit gemessen wird.

Die drei Diagramme zeigen die gleiche Entwicklung des Universums in verschiedenen Koordinatensystemen. Das oberste Bild zeigt Eigendistanz (also die mit einem imaginären Maßband gemessene Entfernung) auf der x-Achse und die gewöhnliche Zeit auf der y-Achse (rechts als Skalenfaktor, d.h. relativer Größe des Universums zu heute). Durch die beschleunigte Expansion des Universums sind fast alle eingezeichneten Weltlinien krumm. Die fein gepunkteten Weltlinien geben etwa an, wo sich im Raum (relativ zur Hintergrundstrahlung) ruhende Objekte aus Sicht des Beobachters zu verschiedenen Zeiten wiederfinden. Der gestrichelte Partikelhorizont (particle horizon) gibt an, wie weit sich zwei beim Urknall in Gegenrichtung davon eilende Photonen in der Summe aus ihrer Lichtgeschwindigkeit und der Raumexpansion voneinander entfernt haben können. Der hier nicht anschaulich nachvollziehbare Ereignishorizont (event horizon) gibt an, aus welcher Entfernung uns jemals noch Strahlung erreichen kann, die sich beim jeweiligen Weltalter auf den Weg zu uns machte. Das Diagramm ist bei 25 Milliarden Jahren und beim Skalenfaktor ≈2 zeitlich oben abgeschnitten.
Im zweiten Bild ist die x-Achse auf mitbewegte Entfernung umgestellt, d.h. die Expansion wird herausgerechnet und alle Entfernungen ruhender Objekte (fein gestrichelte senkrechte Weltlinien) sind konstant. Die beiden Horizonte (Partikel und Ereignis) krümmen sich nun nach oben, da die Lichtgeschwindigkeit in mitbewegter Entfernung mit 1/Skalenfaktor fällt.
Im dritten Bild ist die Zeitskala zusätzlich auf konforme Zeit umgestellt, die mit 1/Skalenfaktor so skaliert ist, dass Licht bei mitbewegter Entfernung wieder Geraden im Diagramm bildet. Der Lichtkegel (light cone) zeigt uns z.B., von wie weit entfernt uns heute Licht noch erreicht – die Quellen sind in mitbewegter Entfernung (= Eigendistanz heute) höchstens 46 Milliarden Lichtjahre entfernt, der heutige Durchmesser des beobachtbaren Universums. Der Ereignishorizont durchmisst 62 Milliarden Lichtjahre und markiert die endgültige Größe des beobachtbaren Universums. Sein Lichtkegel schneidet die 0-Entfernung bei unendlichem Skalenfaktor, d.h. nach unendlicher gewöhnlicher Zeit, die in konformer Zeit jedoch den endlichen Wert von 62 Milliarden Jahren hat. Somit wird die unendliche Lebensdauer des Universums auf eine endliche Zeitskala abgebildet, das Diagramm enthält die gesamte Lebensdauer des Universums. Bild: Davis & Lineweaver, arXiv, gemeinfrei.

In konformer Zeit wird zudem eine unendlich lange Zeitdauer auf eine endliche Strecke abgebildet (siehe Bild oben). Wir haben im Artikel über die Expansion des Universums gelernt, dass es einen kosmologischen Ereignishorizont gibt, über den wir nicht hinaus blicken können. Heute erreicht uns gerade noch Licht, das von Quellen stammt, die durch die Raumexpansion mittlerweile 46 Milliarden Lichtjahre entfernt sind. Je älter das Universum wird, von desto weiter weg kann uns noch Licht erreichen, aber da die Expansion sich beschleunigt, wird es für das Licht zunehmend schwieriger, mit der Expansion Schritt zu halten. Licht von Quellen, die heute (bei den bekannten Parametern des ΛCDM-Modells) 62 Milliarden Lichtjahre entfernt sind, braucht nach gewöhnlicher Zeitmessung unendlich lange, um uns zu erreichen, und Licht von noch weiter weg erreicht uns nie, es ist auf ewig von unserem beobachtbaren Universum kausal entkoppelt. In mitbewegter Entfernung wird diese Strecke immer und ewig 62 Milliarden Lichtjahre groß bleiben, und das Licht erreicht uns von dort logischerweise nach 62 Milliarden Jahren konformer Zeitmessung. Da uns von weiter weg Licht nie erreicht, entsprechen 62 Milliarden Jahre dem Weltalter in konformer Zeit, die in gewöhnlichem Zeitmaßstab unendlich lange dauern.

 

Das Verlegen einer kosmologischen Pipeline

Damit erhält man in konformer Zeit und mitbewegter Entfernung gemessen praktisch stapelbare “röhrenförmige” Universen, die nahtlos aneinander anknüpfen und die sich in endloser Folge wiederholen können. Deswegen heißt die von Penrose und Vahe Gurzadyan entwickelte Theorie CCC (Cyclic Conformal Cosmology) – zu Deutsch “zyklische konforme Kosmologie”. Jede “Röhre” nennt Penrose ein Äon, welches in gewöhnlicher Zeitrechnung unendlich lange dauert. Die CCC kommt ohne Inflation aus, denn den Temperaturausgleich und die homogene Verteilung der Energie zu Beginn eines Äons hat das Äon davor hergestellt, indem sich die darin entstandene Strahlung über sehr lange Zeit gleichmäßig verteilen konnte. Die Entropie kann hier stetig wachsen, aber da durch die Neuskalierung beim Übergang von einem Äon zum nächsten der Raumzeitmaßstab neu skaliert wird, wird auch die Entropie gewissermaßen neu eingenullt (re-normiert): das gedachte Behältnis, in dem sich die Materie aufhält, wird geschrumpft, so als ob das aus einer Gasflasche ausgetretene Gas sich in einer größeren Flasche wiederfindet und man die Ansicht herauszoomt. Ein solches Universum hat dann auch kein Boltzmannhirn-Problem, weil immer genug Baumaterial für biologische Hirne nachgeliefert wird.

So werden in der CCC die Universen aneinander geknüpft: Links die Sicht in gewöhnlichen Koordinaten, wo ein Universum mit einem Urknall beginnt und dann ins Unendliche expandiert und abkühlt. In konformen Koordinaten (rechts) bleibt der Durchmesser konstant, was bedeutet, dass die Urknall-Singularität unendlich expandiert wird und das unendliche Ende des Universums unendlich komprimiert werden muss. Dann passen Äonen von Universen nahtlos aneinander und können ein zyklisches Universum bilden. Bild: Autor, gemeinfrei.

Die Strahlung, die über unendlich lange Zeit im Universum herumschwirrt, wird dabei durch die konforme, unendlich große Stauchung der Zeit auf eine endliche Dauer unendlich verstärkt, d.h. man hätte beim Übergang von einem Äon zum nächsten mathematisch genau die Situation des Urknalls, die in einem Punkt unendlich hoher Dichte und Temperatur beginnt.

 

Verräterische Ringe?

Die CCC mag eine nette Idee sein, aber ist sie auch eine Theorie, die sich belegen oder falsifizieren lässt? Penrose sagt ja, und er will die Belege bereits gefunden haben. Und zwar liegt der Zerfall der größten supermassereichen Schwarzen Löcher in der Nähe des Übergangs von einem Äon zum nächsten (auch wenn unendlich viel reale Zeit dazwischen liegt, ist es in konformer Zeit nicht viel). Das Verdampfen eines Schwarzen Lochs setzt über die Zeit eine gewaltige Energiemenge frei – nämlich das Masseäquivalent des supermassereichen Schwarzen Lochs gemäß E=mc² -, welche durch die Kompression der Abstrahldauer in der konformen Zeitskala eine enorme Leistung freisetzt. Die Strahlung sollte daher in der kosmischen Hintergrundstrahlung aufspürbar sein, und zwar als Ringe von 4° Winkeldurchmesser. Der Durchmesser wird bestimmt durch die Ausbreitung der Strahlung in konformer Zeit bis zum Zeitpunkt der Freisetzung der Hintergrundstrahlung; die Breite des Ringes hängt davon ab, wie lange die Abstrahlung zuvor erfolgte, und da die Hawking Strahlung mit abnehmender Masse eines Schwarzen Lochs langsam zunimmt und dann nach explosionsartigem Anstieg abrupt endet, sollten die Ringe innen scharf begrenzt sein, jedoch nach außen diffus.

Die Quellen solcher Ringe nennt Penrose Hawking-Punkte und sie sollten in der Inflationstheorie nicht auftreten – Ereignisse vor oder während der Inflation wären viel stärker vergrößert; nach der Inflation sollte es keine Abhängigkeiten über mehr als 1° Winkelabstand geben dürfen. In einer Arbeit vom August 2013 [3] wollen Penrose und Gurzadyan jedoch solche Ringe von Hawking-Punkten in der Hintergrundstrahlung gefunden haben. Zwar wollte keiner der Gutachter der Theorie folgen, so Penrose [8], es konnte ihm und dem Koautor aber auch kein Gutachter einen Fehler in der Argumentation nachweisen und somit sah sich der Verleger wider Willen genötigt, die Arbeit zu veröffentlichen. Eine Entgegnung von DeAbreu, Contreras und Scott aus dem Jahr 2015 [4] warf den Autoren vor, dass die Kreise auch durch Zufall entstanden sein könnten (wenn sie nämlich genau zum Ende der Inflation verursacht worden wären). Daraufhin führte das Penrose-Team zehntausend Simulationen auf der Basis der Inflationstheorie durch [5] und fand nur in 2 von 10.000 Simulationen eine zufällige Entstehung von Strukturen dieser Größe und Flankensteilheit, so dass sie mit 99,98% ausschließen, dass die Kreise zufällig entstanden sind.

Violente Ereignisse im vergangenen Äon, wie etwa der Zerfall eines supermassereichen Schwarzen Lochs, verursachen ringförmige Strukturen in der Hintergrundstrahlung des folgenden Äons mit einer charakteristischen Größe, die davon abhängt, wie lange vor dem folgenden Urknall das Ereignis stattfand. Wenn ein Objekt vor dem Ereignis bereits über eine gewisse Zeit lang Energie abgegeben hatte, so hat der Ring eine gewisse Dicke, die von der Zeitspanne abhängt, über welche die Energiefreisetzung erfolgte. Da die Freisetzung beim Zerfall Schwarzer Löcher langsam zunimmt und explosionsartig endet, sollten die Ringe nach innen scharf begrenzt sein und nach außen hin diffus. Nach solchen Ringen haben Gurzadyan und Penrose in der Hintergrundstrahlung gesucht. Bild: Gurzadyan & Penrose, arXiv:1011.3706.

Die Position von 352 Ringen in der Hintergrundstrahlung mit mehr als 15 µK Temperaturerhöhung zum Hintergrund, die sie aufgespürt haben wollen und als Beleg für die CCC betrachten. Links die Zentren, rechts die Umrandungen in galaktischen Koordinaten. Der Bereich in der Mitte, der von der Milchstraße verdeckt wird, ist ausgespart. Bild: Gurzadyan & Penrose, arXiv:1302.5162.

Andere Kosmologen halten die Theorie hingegen für eine mathematische Spielerei und nehmen sie nicht ernst; die meisten seiner Arbeiten zum Thema erschienen nur auf arXiv. Wohl weil ihnen der physikalische Mechanismus fehlt, der die Reskalierung vom riesigen kalten Universum zu einem winzigen, heißen herbei führt und dann wieder Teilchen hervorbringt. Das ganze erscheint ihnen zu ad-hoc, also ohne bedingende Grundlage in den Raum gestellt. Mir erscheint sie, wie eingangs gesagt, ebenfalls sehr an den Haaren herbeigezogen, zum Beispiel dass die ewige Existenz von ein paar Elektronen den konformen Übergang verhindern soll, oder dass es möglich sein soll, dass Elementarteilchen entstehen können, gegen die unser heutiges beobachtbares Universum winzig klein wäre. Aber sie stammt immerhin von einem Sir Roger Penrose und es gibt eine ganze Reihe von Arbeiten auch anderer Autoren dazu. Ein interessanter Gedankengang ist sie auf jeden Fall.

 

Referenzen

[1] Roger Penrose, “Before the Big Bang: An Outrageous New Perspective and its Implications for Particle Physics“, Proceedings of the EPAC 2006, p.2759-2767, 26.06.2006, Edinburgh, Scotland.

[2] V. G. Gurzadyan, R. Penrose, “Concentric circles in WMAP data may provide evidence ofviolent pre-Big-Bang activity”, 16. November 2010; arXiv:1011.3706.

[3] V. G. Gurzadyan, R. Penrose, “On CCC-predicted concentric low-variance circles in the CMB sky“, The European Physical Journal Plus, 25. Februar 2013; arXiv:1302.5162.

[4] Adam DeAbreu, Dagoberto Contreras, Douglas Scott, “Searching for concentric low variance circles in the cosmic microwave background“, Journal of Cosmology and Astroparticle Physics 2015(12), August 2015; arXiv:1508.05158.

[5] Daniel An, Krzysztof A. Meissner, Pawel Nurowski, Roger Penrose, “Apparent evidence for Hawking points in the CMB Sky”, 17. Dezember 2018; arXiv:1808.01740.

[6] Jason Palmer, “Cosmos may show echoes of events before Big Bang” BBC News, 27. November 2010.

[7] Edwin Cartlidge, “New evidence for cyclic universe claimed by Roger Penrose and colleagues“, PhysicsWorld, 21. August 2018.

[8] “Conformal Cyclic Cosmology. Roger Penrose and Hannah Fry – Oxford Mathematics London Public Lecture now online“, University of Oxford, Mathematical Institute, 6. November 2018.

[9] Sean Carroll, “Penrose’s Cyclic Cosmology“, Preposterous Universe Blog, 7. Dezember 2010.

[10] Brian Koberlein, “The Strange Physics of Cyclic Conformal Cosmology“, 21. Dezember 2015.

[11] en.wikipedia.org, “Conformal cyclic cosmology“.

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Quelle

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