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#Gericht verlangt Beleg nach jedem übernommenen Satz

Gericht verlangt Beleg nach jedem übernommenen Satz

Das Berliner Verwaltungsgericht hat in einer soeben veröffentlichen Entscheidung an die Grundregeln des wissenschaftlichen Arbeitens so deutlich erinnert wie nie zuvor. Jeder einzelne übernommene Gedanke, auch jede bei Dritten kopierte Fußnote, müssten ausnahmslos als ein Werk Anderer gekennzeichnet sein, sagen die Richter. Wörtlich heißt es in dem Urteil:

„Letztlich ist vom Promovierenden zu fordern, dass er jeden Gedankengang und jede Fußnote, die ihren Ursprung nicht in seiner eigenen gedanklichen Leistung, sondern im Werk eines Anderen hat, sowie alle aus fremden Werken wörtlich übernommenen oder ähnlichen Textpassagen ausnahmslos als solche kenntlich macht. Insbesondere muss er auch indirekte, umschreibende Fremdtextwiedergaben (Paraphrasierungen) so deutlich kennzeichnen, dass der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu wem spricht.“

Das bedeutet in der Praxis, jeder Satz, dessen Inhalt nicht komplett selbst erdacht ist, muss mit einer individuellen Quellenangabe versehen sein. Abgesehen von eigenen Erwägungen müsste damit hinter jedem Satz einer Doktorarbeit ein Beleg oder eine Fußnote stehen. Auch von Dritten übernommene Nachweise wären mit einer Angabe zu kennzeichnen. Bislang geschieht das nicht immer. Kopierte Fußnotenbelege aus fremden Texten werden gerne benutzt, um eine eigene Belesenheit anzudeuten. Ob die Quelle tatsächlich immer überprüft wurde, steht in den Sternen. Selbst wenn das der Fall ist, muss trotzdem ein Hinweis auf die Herkunft der Fußnote erfolgen. Das Gericht bestätigt damit die seit über hundert Jahren bestehenden Regeln für gutes wissenschaftliches Arbeiten. Dabei verweisen die Richter in den Einzelheiten der Gradaberkennung auch auf den Fall der heutigen Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey.

Charité führt Arbeit noch als Dissertation

Im vorliegenden Fall urteilte das Verwaltungsgericht über die Dissertation „Determinanten der perioperativen Sterblichkeit von Dialysepatienten bei kardiochirurgischen Eingriffen“ von der Charité in Berlin. Die Arbeit wird von der Freien Universität Berlin, trotz Aberkennung des Doktorgrades im April 2020, weiterhin als „Dissertation“ frei zugänglich im Internet angeboten. Im August 2014 hatte die Wissenschaftsplattform VroniPlag Wiki die Hochschule darüber informiert, dass die Dissertation auf 62 Prozent der Seiten wörtliche und sinngemäße Übereinstimmungen mit anderen Dissertationen aufweise. Diese Übernahmen bezögen sich nicht nur auf Einleitung und Methoden, sondern auch auf den Ergebnisteil und die Diskussion.

Was bedeutet die neue Rechtsprechung für andere Doktoranden? Ein versehentliches Vergessen einzelner Belege führt noch nicht zur Aberkennung des Doktorgrades. Voraussetzung ist vielmehr, dass eine von drei Alternativen vorliegt: Die Plagiatsstellen müssen eine Arbeit quantitativ, qualitativ oder in einer Gesamtschau beider Möglichkeiten prägen. Eine quantitative Prägung ist zu bejahen, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen und deren Anteil an der Arbeit angesichts des Gesamtumfangs überhandnehmen. Derartige Passagen prägen die Arbeit qualitativ, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht genügt.

Hinweis im Literaturverzeichnis reicht nicht

Im vorliegenden Fall war die gesamte Arbeit geprägt von Komplettplagiaten, also der wortwörtlichen Übernahme von Textstellen aus einem anderen Werk, oder durch die verschleiernde Übernahme solcher Textstellen in dem Sinne, dass lediglich ein einzelnes Wort ausgetauscht oder eine einzelne Satzstruktur verändert worden war. Dass Quellen im Literaturverzeichnis angeführt sind, reicht dabei nicht aus. „Denn es entspricht wissenschaftlicher Redlichkeit und der berechtigten Erwartung des Lesers eines wissenschaftlichen Werkes, dass Quellenangaben grundsätzlich bei den jeweiligen Textstellen als Zitate kenntlich gemacht werden“, erklärten die Richter.

Zudem bestätigte das Gericht seine im Jahr 2020 entwickelte Rechtsprechung zur Zitierung von Zwischenquellen: Von einer Täuschungshandlung sei auch dann auszugehen, wenn lediglich die sogenannte „Letztquelle“, also der Ursprung der inhaltlichen Aussage, nicht aber die Zwischenquelle zitiert wird. Aus der Zwischenquelle stammt meist die wörtliche Übernahme der Textpassage; diese Zwischenquelle verweist ihrerseits wiederum auf die Letztquelle. Wer hier falsch zitiert, verschweige, dass er die Interpretation der „Letztquelle“ und deren semantische Wiedergabe nicht selbst vorgenommen hat.

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