#Geschäftig bis in die letzten Stunden
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„Geschäftig bis in die letzten Stunden“
So fiebrig ist kaum einmal eine EU-Ratspräsidentschaft zu Ende gegangen. Gleich zwei Sonderereignisse haben in der vergangenen Woche dafür gesorgt, dass die EU-Institutionen nicht wie sonst in einen kurzen nachweihnachtlichen Winterschlaf gefallen sind, sondern besonders geschäftig waren. Bis zum Nachmittag des 24. Dezember verhandelten die EU-Kommission und die britische Regierung über das Post-Brexit-Handelsabkommen, das nun am Mittwoch unterzeichnet wurde – dem Tag, an dem sich die EU-Spitzen auch noch gleich mit China auf ein Investitionsabkommen einigten. Beide Vertragsentwürfe bescherten dem noch amtierenden deutschen Ratsvorsitz Überstunden an den Feiertagen und bis in die letzten Stunden des ablaufenden Jahres.
Der Drama-Bedarf des britischen Premierministers Boris Johnson machte die Brexit-Punktlandung an Heiligabend wohl unausweichlich. Die späte Übereinkunft mit China versinnbildlicht dagegen, wie stark Corona die deutsche Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 überschattete. Der EU-China-Gipfel, ursprünglich von der Bundeskanzlerin als Höhepunkt des Ratsvorsitzes für September in Leipzig eingeplant, fiel aus und ließ sich durch zähe Telefonate und Videokonferenzen nur schwer ersetzen. Auch die Routine der Brüsseler Ministertreffen fiel der Pandemie zum Opfer. Die Ministerräte – also die regelmäßigen Zusammenkünfte der Fachminister – fanden fast ausnahmslos als Bildschirm-Stelldichein statt. Die Ressortchefs blieben zu Hause. Nur die Staats- und Regierungschefs sahen sich dreimal, im Juli, Oktober und Dezember, von Angesicht zu Angesicht in Brüssel.
Die Kernaufgabe jedes Ratsvorsitzes, die Kompromisssuche in den laufenden Gesetzgebungsdossiers, verlagerte sich deshalb stark von den Ministern auf die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten. Besonders in den abschließenden Verhandlungen über den EU-Haushalt, den Rechtsstaatsmechanismus und den sogenannten Wiederaufbaufonds spielte der deutsche Botschafter Michael Clauß als Verhandlungsführer eine viel prominentere Rolle als unter normalen Umständen.
Wichtigstes Ereignis: der Wiederaufbaufonds
Das wichtigste, ebenfalls pandemiebedingte Ereignis des deutschen Ratsvorsitzes fand statt, bevor dieser überhaupt begonnen hatte. Am 18. Mai schlugen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron einen „Wiederaufbaufonds“ von 500 Milliarden Euro vor. Die EU-Kommission stockte kurz darauf in ihrem Vorschlag das Volumen des Fonds auf 750 Milliarden Euro auf. Die Einigung auf den Fonds und das EU-Budget für 2021 bis 2027 auf dem Endlosgipfel im Juli war damit vorgezeichnet.
Nicht die Höhe des Fonds war das entscheidend Neue, sondern dass die Mittel zum großen Teil als Zuschüsse und nicht als Kredite ausbezahlt werden sollen. Und vor allem bahnte die deutsch-französische Einigung der erstmaligen systematischen EU-Verschuldung den Weg. Sie wurde nur möglich durch eine erhebliche Dehnung der EU-Verträge, ähnlich wie bei der Einrichtung des Euro-Krisenfonds ESM. Für beide Initiativen war eine Krise der Auslöser, damals die Euro-Krise, nun die Corona-Krise. Absehbar ist, dass der ESM auch in anderer Hinsicht als Vorbild für den Wiederaufbaufonds dienen wird. Auch der ESM-Vorgänger EFSF sollte nur eine vorübergehende Einrichtung sein, so wie jetzt der schuldenfinanzierte Aufbaufonds eine einmalige, krisenbedingte Sache sein soll. Der ESM ist längst auf Dauer angelegt, auch die Schuldenaufnahme der EU dürfte sich kaum zurücknehmen lassen.
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