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#Gezeichneter Feminismus mit scharfem Witz

Gezeichneter Feminismus mit scharfem Witz

Dass sie es nicht leicht haben würde als zeichnende Frau, lernte die 1945 geborene Rosemary Elizabeth Simmonds schon im Mädcheninternat, als sie als Vierzehn­jährige eine eigene Zeitschrift anfertigte: „Herself“ lautete deren Titel, und sie zitierte im Erscheinungsbild die britischen Frauenjournale jener Zeit, als man Schönheitspflege für das wichtigste weibliche Interesse hielt. Entsprechend sahen die Gesichter aus, die Simmonds für ihre Zeitschrift zeichnete: meisterhafte Kopien von Model- und Prominentenfotos oder Modeillustrationen. Dass da ein Riesentalent mit Buntstift und Aquarell zugange war, konnte jeder sehen.

Aber die Leitung der Queen Anne’s School konfiszierte das unikate Magazin wegen „schlechten Geschmacks“. Man könnte angesichts der enthaltenen Klischees zustimmen, aber noch größer ist die Versuchung, in „Herself“ Parodie statt Apologetik des Frauenbilds der späten Fünfzigerjahre zu sehen. Natürlich war eine renommierte Mädchenschule daran interessiert, das gängige Geschlechterschema zu wahren: Simmonds’ Werk galt als subversiv. Wie und wann es die Schülerin, die noch drei Jahre in Queen Anne’s blieb, zurückerhielt, ist leider unbekannt. Jetzt jedenfalls liegt die farbenfroh illus­trierte Zeitschrift als buchstäbliches Glanzstück in einer Tischvitrine einer Basler Ausstellung, die ganz dem Werk der Künstlerin gewidmet ist, die bis heute mit ihrem kindlichen Rufnamen signiert: Posy Simmonds.

Dichgedrängt: Ais „Cassandra Darke“ von Posy Simmonds.


Dichgedrängt: Ais „Cassandra Darke“ von Posy Simmonds.
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Bild: Cartoon Museum Basel

Ausgerechnet in der Schweiz gibt es nun die erste Retrospektive

Es ist die erste Retrospektive ihres mittlerweile mehr als fünfzigjährigen Schaffens überhaupt, und dass sie zu sehen ist, darf man glücklich nennen, denn Simmonds und ihr Ehemann, der Grafikdesigner Richard Hollis, der als Gestalter einen nicht unwesentlichen Anteil am spezifischen Stil der Comics seiner Frau hat, hatten sich während der Pandemie streng abgeschottet.

Daher konnte Anette Gehrig, die Direktorin des Cartoonmuseums Basel, die gemeinsam mit dem britischen Illustrationsexperten Paul Gravett die Schau kuratiert hat, erst wenige Wochen vor Beginn die erwünschten Arbeiten abholen. Aber umso persönlicher ist dann die Auswahl geworden, die der Ironie von Posy Simmonds selbst entspricht: Nach erstaunlichen Belegen ihrer jugendlichen Faszination fürs Erzählen in Bildern folgt ein Defilee von Comicseiten und Illustrationen, das den Weg abbildet, der aus der anfänglich frivolen Bildkolumnistin des größten britischen Revolverblatts (The Sun) die renommierte Zeichnerin des Guardian machte, deren Comics mittlerweile auf der ganzen Welt populär sind und mehrfach verfilmt wurden.

Aus dem Band „Tamara Drewe“.


Aus dem Band „Tamara Drewe“.
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Bild: Cartoon Museum Basel

Bis dahin dauerte es allerdings etwas. Gleichzeitig mit Claire Bretécher in Frankreich zeichnete Posy Simmonds feministische Geschichten, die mit besonders scharfem, bisweilen auch bösem Blick auf die Frauen selbst blickten, aber sie blieb damit innerhalb der redaktionellen Frauenseiten. Dann aber kamen ihre drei großen Bildgeschichten „Gemma Bovery“ (1999), „Tamara Drewe“ (2006) und „Cassandra Drake“ (2018) – in Basel jeweils Thema eines ganzen Museumsraums und benannt nach ihren Protagonistinnen, die aber alles andere als charakterliche Ideale bieten.

Simmonds’ schwarzer Humor ist grandios, und ihre Comics sind Spiegelbilder der englischen Klassengesellschaft. Doch zugleich darf man sie all­gemeingültig für die Geschlechterungerechtigkeit nennen – am schönsten vorgeführt in den beiden im Abstand von mehreren Jahren entstandenen Darstellungen der jeweils sieben Lebensphasen von Mann und Frau. Er kann von der Wiege bis zur Bahre dieselbe infantile Kleidung tragen („a lifetime of babywear“, spottet Simmonds), sie hat in der öffentlichen Wahrnehmung nur eine einzige attraktive Lebensphase: die als junge Frau, bei der sich deshalb auf dem Blatt auch gleich mehrere Sexsymbole bunt nebeneinander versammeln, während jede andere Phase nur von einsam-grauen Figuren symbolisiert wird.

Simmonds selbst aber tritt mit ihren jüngsten Arbeiten den Gegenbeweis an: Nie war die mittlerweile Sehsundsiebzigjährige populärer als heute. Und nie witziger oder böser. Sie hat einen unverkennbaren Figurenstil geschaffen. Und sie wurde immer literarischer, zumal sie sich von Flaubert, Dickens oder Hardy zu ihren Geschichten inspirieren ließ. Zwei Jahre lang, 2002 bis 2004, zeichnete sie für den Guardian die wöchentliche Rubrik „Literary Life“: besonders bösartige Kommentare über die eigene Berufswelt. Was Posy Simmonds liebt, das neckt sie.

Posy Simmonds – Close Up. Im Cartoon­museum Basel; bis zum 24. Oktober. Kein Katalog.

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