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#Graffiti, Typografie und bunte Klos: Das Traphouse von broke.today

Graffiti, Typografie und bunte Klos: Das Traphouse von broke.today

Wer in den letzten Wochen in der Steinheilstraße an dem Gemäuer mit der Hausnummer 14 vorbeigelaufen ist, hat vermutlich nichts Außergewöhnliches bemerkt. Vielleicht ein bisschen Musik, ein paar Stimmen. Aber nichts, was das alte Wohnhaus in der Maxvorstadt zu etwas anderem machen würde als zu einem alten Wohnhaus in der Maxvorstadt. Beobachtet man die Immobilie unweit der IFOG Akademie jedoch ein bisschen eingehender, fallen plötzlich bunte Fensterrahmen auf. Schwarze Tücher und blaue Plexiglasscheiben, die den Blick verzerren. Erste Hinweise darauf, dass sich die Steinheilstraße 14 in ein Traphouse verwandelt hat.

Ein Traphouse? Aus der Popkultur wahlweise als Drogenumschlagplatz oder Treffpunkt kaputter Existenzen bekannt. Ein Crackhouse also mitten in der Maxvorstadt? Natürlich nicht. Stattdessen eine weitere Zwischennutzung. Das Haus soll kernsaniert werden. Vorher, jetzt, ist es zur mehrstöckigen Leinwand für Streetart und urbane Gestaltungsfreiheit geworden.

Erst mussten wir es allerdings noch entnazifizieren. In einer Wohnung lag doch tatsächlich ‚Mein Kampf‘ in der Schublade!

„Erst mussten wir es allerdings noch entnazifizieren. In einer Wohnung lag doch tatsächlich ‚Mein Kampf‘ in der Schublade“, erklärt uns Fillin. Der Gründer vom Kollektiv broke.today hat die Location mit seinem Kollegen Dino in Beschlag genommen. Wobei er da wahrscheinlich widersprechen würde: „Dino hat das hier klargemacht, wir haben es nur gemeinsam kuratiert. Und broke.today ist eher ein Mindset, wo sich Künstler*innen zusammentun können.“ Dieser Mindset ist im April also in die Steinheilstraße gezogen.

Zwischen Typografie, Installationen und Graffiti

Im wahrsten Sinne des Wortes eingezogen, denn die bestehenden Wohnungen dienen jetzt als abgetrennte Ausstellungsräume, die alleine oder zu zweit bespielt werden. Insgesamt 27 visuelle Künstler*innen. Zwischen Typografie, Installationen aus Skulpturen oder Fundstücken und Graffiti. Wunderbarste Reizüberflutung, die schon im Hausflur anfängt. Großflächige Pieces schlängeln sich parallel zum speckigen Holzgeländer die Treppen empor. Weder städteplanerisch angeordnet, noch hektisch hingebombt. „Das hier passt vielleicht nicht ganz zum Stockwerk, aber der ist ’ne Legende. Da hätten die Cops auch gerne den richtigen Namen.“

Fillin erweist sich als hervorragender Museumsführer. Zwischen Erklärungen zu den einzelnen Kunstwerken, sprenkelt er genüsslich kleine Geschichten zum Haus in den Subtext. Im Hinterhof soll immer noch Schmuck und Gold versteckt sein, man müsse eigentlich wirklich mal graben. Die Wohnung mit den rechten Ausdünstungen habe man einfach mit Erotikmagazinen überklebt, die in den anderen Wohnungen rumlagen. Quasi Liebe über Hass. Der Dachboden sei nicht ganz sicher, deswegen hängen hier nur leichte Bilder. Und in dieser einen Wohnung spuke es doch tatsächlich. Ja, sicher.
Aber der offensichtlichen Magie dieses Ortes können sich auch fantasielose Redakteure nicht entziehen. Man stelle sich nur kurz vor, wir hätten keine Pandemie. Dann würde in diesem zur Installation umfunktionierten Klo jetzt vielleicht eine Radio80000 DJ auflegen, krachende Beats würden sich mit Stimmengewirr und Farbgeruch zu einer musischen Melange vereinen. Stattdessen knarzen die Altbautreppen wie das Ächzen nach bezahlbarem Wohn- und Kreativraum.

Und je länger das Auge über die Vielfalt des Traphouse schweift, desto mehr stellt sich eine Frage, die einem Künstler eher nicht in den Sinn kommen würde: „Wofür?“. Um auf ungenutzten Leerstand in München hinzuweisen – und mal nichts verdienen zu müssen, denn das Projekt wird vom Kulturreferat unterstützt. „Wir haben letztes Wochenende trotzdem relativ klassisch eine Ausstellung veranstaltet. Natürlich war die Polizei sofort da und die AZ hat was von illegalem Rave geschrieben. Aber wir haben alles nach Vorschrift gemacht, mit Click & Meet.“ Ein paar Werke seien sogar verkauft worden, eine Notarin hat sich gleich einen ganzen bemalten Türstock gesichert.

Wofür das Ganze?

Aber jetzt ist Notbremse, die Kunst kann nur noch digital oder im Vorbeispazieren bewundert werden – und die Zwischennutzung endet Anfang Mai. Das wirft die Frage auf, was uns Kunst in der aktuellen Phase wert ist. Passenderweise auch ein Thema von Fillin, der nicht nur als Kurator, sondern auch als Aussteller auftritt. Bei allen Stücken aus seinen Räumen darf (oder muss) die oder der Käufer*in den Preis selbst benennen. Ein innerer Konflikt, der noch verstärkt wird, da im Nebenraum eine Krippe steht, über der ein Mobile aus Geldscheinen längst verklungener Inflationen angebracht ist. „Kunst findet ja weiterhin statt, wird weiterhin produziert. Nur sieht es keine*r.“

Aber Fillin lässt sich nicht unterkriegen. Gerade steht im Raum, die Zwischennutzung zu verlängern und alle Wohnungen noch einmal neu zu bespielen. Die Werke können ja weiterhin über broke.today online bewundert und erworben werden. Ansonsten stehen auch schon zwei neue Immobilien in Aussicht. Dann packen sie das Traphouse wieder zusammen, dann muss die Installation aus Tabakbeuteln und Papierpackungen wieder in die Kiste, dann sammeln sie die Spraydosen wieder ein. Das kennen sie bei broke.today, zuletzt haben sie eine Fläche in der Kaufinger-Tor-Passage zwischengenutzt. Und doch, ein Gedanke bleibt hängen, ausgesprochen von Fillin zum Abschied, mehr zu sich, als in den Raum: „Was wäre, wenn das hier mal nicht temporär, sondern dauerhaft wäre?“

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